Guenzburger Zeitung

Ein Tor wie ein Gedicht

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Es ist nicht bekannt, ob César Luis Menotti das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt verfolgt hat. Wahrschein­lich nicht, der ehemalige Trainer der argentini‰ schen Nationalel­f ist kürzlich 82 Jahre alt geworden – da hat man hof‰ fentlich Besseres zu tun, als mitten in der Nacht ein Spiel im 12 000 Ki‰ lometer entfernten Deutschlan­d anzusehen. Dennoch hätte Menotti wohl alleine anhand einer Szene seine Freude an diesem Spiel gehabt: Nach zehn Minuten legte Leverku‰ sens Florian Wirtz den Ball mit einem gefühlvoll­en wie genialen Heber zu seinem Mitspieler Nadiem Amiri. Der 24‰Jährige nahm den Ball an, dribbelte an den Gegenspiel­ern vor‰ bei und beförderte ihn mit der Ha‰ cke ins Tor der Eintracht. Es war der bislang elegantest­e Treffer in die‰ ser Saison, ein Tor wie ein Gedicht – und eines nach dem Ge‰ schmack von „El Flaco“, dem Dürren. Menotti, der die Süd‰ amerikaner 1978 zum WM‰Titel geführt hatte, prägte den Begriff des „linken Fußballs“, des anmutigend­en Spiels und erklärte ihn wie folgt: „In Er‰ innerung bleiben die Teams, die mit gutem Spiel gewonnen haben.“Gewinnen um des Gewinnens willen war nie das Ziel des Kettenrau‰ chers – wenn siegen, dann gefälligst mit Stil. „Der Ball kann am Fuß und im Kopf einiger Spieler zum Kunstwerk werden“, lautet ein weiterer typischer Menotti. Insofern passte es fast schon, dass Amiris Treffer am Ende nichts wert war: Mit zwei schnöden Gegentoren – eines davon sogar ein Eigentor – verlor Le‰ verkusen das Spiel noch. Amiris Treffer hat es dennoch verdient, in Erinnerung zu bleiben, sollte min‰ destens die Auszeichnu­ng zum Tor des Monats erhalten. Vielleicht sollte jemand Herrn Menotti ein Video mit der Szene nach Argentinie­n zusenden. (eisl)

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Nadiem Amiri

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