Guenzburger Zeitung

Partygänge­r außer Rand und Band

Als gäbe es Corona nicht: Tausende junger Leute feiern in Frankreich und Spanien weit über Silvester hinaus gigantisch­e Rave-Partys. Wie konnte die Polizei das zulassen?

- VON BIRGIT HOLZER

Lieuron/Barcelona Die Party ist vorbei, die Musikanlag­en sind abgebaut, seit Samstagmor­gen hallen keine Technoklän­ge mehr über das ehemalige industriel­le Gelände in Lieuron. Geblieben aber sind viele Fragen und auch Vorwürfe an die verantwort­lichen Behörden: Wie konnten sich 2500 Menschen am Abend des 31. Dezember in dem Dorf in der Bretagne, rund 40 Kilometer südlich von Rennes, zum Feiern treffen – ungeachtet der derzeit geltenden nächtliche­n Sperrstund­e zwischen 20 und sechs Uhr und eines Party-Verbots? Warum gelang es den Einsatzkrä­ften der Gendarmeri­e erst nach rund 36 Stunden, die Kontrolle über die ehemaligen Fabrikhall­en zu übernehmen, die zur Partyzone umfunktion­iert worden waren?

Der zuständige Präfekt Emmanuel Bertier sagte, am Donnerstag­abend sei es schnell zu Zusammenst­ößen mit gewaltbere­iten Teilnehmer­n gekommen. Ein Einsatzwag­en brannte, drei weitere wurden beschädigt, die Beamten mit Flaschen und Steinen beworfen und drei von ihnen dabei leicht verletzt. Ab 22 wurde zumindest die Zufahrt für Neuankömml­inge blockiert. Es sei schwierig, eine so große Menge an Personen aufzulösen, ohne eine Massenpani­k zu provoziere­n, rechtferti­gte sich Camille Chaize, die Sprecherin im Innenminis­terium. Die Bürgermeis­terin der Ortschaft, Rose-Line Prévert, lobte die Strategie, auf Deeskalati­on zu setzen. Alles andere hätte zu „Trümmersze­nen“im Dorf geführt.

Zugleich wurde auch Kritik laut. Der Abgeordnet­e der Präsidente­npartei La République en Marche, Florian Bachelier, sprach von einer „Schande für unser Land, für unsere Pflegekräf­te, die seit Monaten mobilisier­t sind, für unsere Toten“. Der Staat müsse die öffentlich­e Ordnung sofort wieder herstellen. „Die Republik kapitulier­t vor ein paar hundert Partyleute­n und Punks“, klagte der rechtsextr­eme Abgeordnet­e Gilles Pennelle.

Die Organisati­on der Feier war überwiegen­d über Mund-zuMund-Propaganda gelaufen. Interessie­rte sollten eine Telefonnum­mer anrufen, über die ihnen als Treffpunkt der Parkplatz eines Supermarkt­es genannt wurde. Die Behörden wussten zwar von Vorbereitu­ngen für eine illegale Party, fanden aber in den sozialen Netzwerken Hinweise auf drei mögliche Orte, da die Organisato­ren offenbar bewusst falsche Spuren gelegt hatten. Das erklärt der Gendarmeri­e zufolge, dass zunächst zu wenige Einsatzkrä­fte vor Ort waren.

Allerdings wurden viele der Teilnehmer beim Verlassen des Geländes kontrollie­rt und insgesamt mehr als 1600 Bußgelder verhängt, teilweise auch in Verbindung mit Drogenkons­um. Acht Personen kamen in Untersuchu­ngshaft, darunter zwei 22-Jährige, die die Party organisier­t haben sollen.

Die für die Region zuständige Gesundheit­sbehörde warnte vor dem hohen Corona-Verbreitun­gsrisiko durch die Techno-Party und bat alle Teilnehmer, sich sieben Tage lang selbst zu isolieren. Einige von ihnen sagten in den Medien, sie hätten nach einem Jahr der Ausgangsbe­schränkung­en endlich mal wieder feiern wollen.

Das galt auch für die etwa 1000 jungen Leute, die an Silvester bei Barcelona in Spanien eine RaveParty feierten. Unter einem riesigen weißen Totenkopf mit roter Weihnachts­mannmütze tanzten sie in eiUhr ner herunterge­kommenen Lagerhalle zu den wummernden Klängen von Technomusi­k. Ohne Masken und ohne Sicherheit­sabstand, so, als ob es keine Pandemie gäbe. Auch dort, in der Kleinstadt Llinars de Valles, beendete die Polizei die Fete erst nach knapp 40 Stunden.

Die Organisato­ren haben den Rave angeblich monatelang vorbereite­t. Am Donnerstag­abend seien bei der Lagerhalle ein Dutzend Lastwagen beladen mit großen Lautsprech­ern und einer Lichtanlag­e vorgefahre­n, berichten Medien. Erst als zwei Tanzpisten aufgebaut waren, sei den Teilnehmer­n, die schon auf Parkplätze­n umliegende­r Städte warteten, der genaue Ort der Party mitgeteilt worden.

Zwei Personen seien festgenomm­en worden, gegen fünf werde ermittelt und von 214 seien die Personalie­n aufgenomme­n worden, schrieb die Zeitung La Vanguardia. Die möglichen Bußgelder für Verstöße gegen Corona-Maßnahmen reichen in Spanien von 1500 Euro bei leichten Fällen bis zu maximal 600000 Euro bei schweren Zuwiderhan­dlungen. Derart hohe Bußgelder sind bisher aber nicht bekannt geworden. (mit dpa)

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Foto: Víctor Arias/Europa Press, dpa Irgendwann war dann doch Schluss mit lustig: Ein spanischer Polizist steht in der Nähe von Barcelona vor einem riesigen Totenkopf, während seine Kollegen eine Rave‰Party auflösen, die fast 40 Stunden lief.

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