Wie viele Tests schreiben die Schüler?
Wegen des Distanzunterrichts soll die Zahl der Schulaufgaben reduziert werden. Was das genau bedeutet und warum der erste Tag nach den Ferien für den Kultusminister so wichtig ist
München In der Pressekonferenz des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo war es fast nicht mehr als ein Nebensatz: Die Anzahl der Schulaufgaben in den Realschulen und Gymnasien solle wegen des Distanzunterrichts reduziert werden, sagte er Ende vergangener Woche. Auch in den vierten Klassen soll die Zahl der Proben, die für den Übertritt relevant sind, sinken: von 18 auf 14 Stück. Nun fragen sich viele Eltern: Was heißt das denn genau? Wie viele Prüfungen müssen Schülerinnen und Schüler dieses Jahr ablegen?
Im Kultusministerium gibt es dazu klare Vorstellungen, die den Lehrern schon vor den Weihnachtsferien mitgeteilt worden seien, sagt ein Sprecher. In Fächern, in denen im Jahr mehr als zwei Schulaufgaben anstehen, darf eine weggelassen werden, wenn das nötig ist. Diese Regel gelte für alle fünften bis zehnten Klassen an Realschulen und Gymnasien, wenn dort längere Zeit Distanz- oder Wechselunterricht stattgefunden hat. Ob das wirklich so gemacht wird, liegt nach Angaben des Sprechers im Ermessen der Lehrkräfte.
Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), findet es gut, dass Schüler weniger Proben schreiben müssen. „Wir sind froh, dass der Kultusminister die Zahl der Proben reduziert hat“, sagt Fleischmann. Sie geht davon aus, dass auch an den Mittel- und Förderschulen wohl weniger Tests geschrieben werden müssen. „Der Kultusminister möchte das erst mit der Schulfamilie besprechen“, sagt sie.
Anders als manche Eltern begrüßt es Fleischmann, dass die Lehrer vor Ort entscheiden sollen, wie viele Prüfungen in den einzelnen Fächern, Jahrgangsstufen und Schularten noch geschrieben werden. Die Situation sei in einzelnen Schulen in Bayern zu unterschiedlich, als dass es eine einheitliche Regelung geben könnte. Manche Schüler hätten sich schon zwischen September und Dezember häufig in Quarantäne befunden, weil es in ihrer Klasse einen Corona-Fall gegeben habe. Andere hingegen seien durchgehend im Präsenzunterricht gewesen, sagt Fleischmann. Aber sie fordert auch: „Wir brauchen vom Kultusministerium einen rechtsverbindlichen Korridor mit einer Minimalund Maximalanzahl von Proben.“
Nur wie passt das zu der Chancengleichheit, die Piazolo so eindringlich gefordert hat? Ist es nicht unfair, wenn manche Schüler viele und andere kaum Tests ablegen müssen? „Es gibt dieses Jahr keine Gleichheit“, sagt Fleischmann. Sie wisse, dass viele Eltern sich Sorgen um die Noten ihrer Kinder machten. „Aber ist dieses Jahr wirklich das richtige, um uns über Leistungen und Leistungsnachweise zu unterhalten?“, fragt Fleischmann. „Oder sollten wir nicht viel eher überlegen, ob es Kinder gibt, die wir im Distanzunterricht gar nicht erreichen und wie wir diesen Kindern helfen können?“
Das Thema Distanzunterricht, das Fleischmann anspricht, hatte in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt. Vor allem deswegen, weil man sich im Kultusministerium offenbar große Sorgen macht, dass die Online-Lernplattform Mebis zum Schulbeginn an diesem Montag zusammenbrechen könnte, wenn sich zu viele Schüler gleichzeitig anmelden. Entwickelt wurde das Tool 2012 – damals war Piazolo noch Generalsekretär der Freien Wähler und weit weg von Regierungsverantwortung. Jetzt indes wird er immens kritisiert, weil Mebis immer wieder Probleme macht.
Piazolo wird bereits als nächstes Krisenopfer in Markus Söders Kabinett nach Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gehandelt. Zumal der Regierungschef nicht als geduldig gilt. „Wir brauchen disruptive Prozesse, die Bequemlichkeit, mit der sich der eine oder andere auch im öffentlichen Sektor eingerichtet hat, was die Digitalisierung betrifft, die muss ein Ende haben“, betonte Söder am Freitag im Landtag. Und im Dezember hatte er Piazolo indirekt eine Frist gesetzt: Die Plattform Mebis müsse nach den Weihnachtsferien einwandfrei laufen, sagte er damals. Diese Frist ist nun vorbei.
Ein rascher Austausch des Ministers gilt aber eher als unwahrscheinlich – schon allein, weil der Koalitionsfrieden sonst empfindlich auf die Probe gestellt würde. (mit dpa)