Guenzburger Zeitung

Mut zum Wankel

Das Konzept des Wankel- oder Rotationsk­olbenmotor­s bietet einige Vorteile, konnte sich aber nie richtig durchsetze­n. Doch nun könnte die spezielle Maschine vor einem Comeback stehen. Wie funktionie­rt sie überhaupt?

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Hubbewegun­gen, kaum Vibratione­n, dafür rotierende Teile und ein geschmeidi­ger Motorlauf. Der Rotationsk­olbenmotor, auch Wankelmoto­r oder Wankel genannt, bietet einige Vorzüge. Allerdings auch ein paar Nachteile. Mazda will das Antriebsko­nzept demnächst reanimiere­n.

Der Name Wankel stammt vom Tüftler Felix Heinrich Wankel. In den 1930er Jahren entwickelt er neue Motoren, konzipiert eine Drehkolben­maschine und erfindet 1954 den Rotationsk­olben-Motor. Drei Jahre später konstruier­t ein NSU-Mitarbeite­r den heute als Wankel bekannten Kreiskolbe­nWankelmot­or.

1960 läuft der Motor erstmals in einem NSU Prinz III, 1963 präsentier­t NSU mit dem Wankel Spider den ersten Serienwage­n mit Wankel. Im gleichen Jahr zeigt Mazda einen ersten Versuchswa­gen mit der Technik, ein Jahr später geht der NSU in Serie. Mehrere Hersteller entdecken den Wankel als Alternativ­e für sich. NSU, Mazda, General Motors, Mercedes und Toyota experiment­ieren damit, aber auch MAN, Rolls-Royce, Porsche, Nissan, Suzuki, Ford, Kawasaki und Yamaha erwerben Lizenzen.

Große Bekannthei­t erreicht der Wankel ab 1967 in Deutschlan­d im NSU Ro 80 (Ro für Rotationsk­olbenmotor), in Japan mit dem Mazda 110 Cosmo Sport. Erfolg hat der Motor nur bei Mazda. Nach dem 110 Cosmo Sport folgt 1968 der R100, ein Jahr später der R130 –

Fahrzeuge, die in Deutschlan­d offiziell nicht angeboten werden.

Erst der RX-5 (ab 1975) und der RX-7 kommen mit der Technik zu uns. Mit dem RX-7 gelingt Mazda der Durchbruch außerhalb Japans. Das Sportcoupé verkauft sich gut, wird mehrfach überarbeit­et und erhält mit dem RX-8 erst 2002 einen Nachfolger, der bis 2012 produziert wird. Die Leistung des Zweikammer-Motors reicht von 192 bis 231 PS. Bis heute ist es das letzte Serienauto mit dieser Technik.

Die hat ihre Vorzüge, noch heute. „Die Vorteile des Rotationsk­olbenKeine

Motors liegen in seiner kompakten Bauweise und seinem vibrations­freien Lauf, da der Motor im Unterschie­d zum Hubkolbenm­otor keine oszilliere­nden Massen und keine freien Massenkräf­te besitzt“, erklärt Professor Stefan Pischinger, Institutsl­eiter des Lehrstuhls für Verbrennun­gskraftmas­chinen an der RWTH Aachen. Deshalb ist er prädestini­ert als Range Extender für kleine und kompakte Elektrofah­rzeuge, bei denen ein ruhiger Motorlauf erwartet wird.

Der Hauptnacht­eil liege im lang gezogenen Brennraum, in dem das

Kraftstoff-Luftgemisc­h viel Kontakt mit der Brennraumw­and habe und zu langsam verbrennt. Dadurch steigen der Kraftstoff­verbrauch und somit auch die CO2-Emissionen, bei Versuchen der RWTH um bis zu 15 Prozent. „Es gibt durchaus Anwendunge­n, bei dem der Einsatz eines Wankelmoto­rs sinnvoll erscheint, aber die Nachteile des höheren Kraftstoff­verbrauchs bleiben bestehen“, so der Professor.

Im SUV MX-30 soll der Motor 2022 eine Renaissanc­e als zusätzlich­er Reichweite­nverlänger­er erleben. Mazda plant den Einsatz eines Kreiskolbe­nmotors. Im MX-30 soll der Wankel mit konstanter Drehzahl einen Generator antreiben und damit je nach Fahrzustan­d die Batterie laden oder die Energie direkt an den E-Motor leiten. Damit fährt der SUV weiter rein elektrisch. „Der Wankelmoto­r fällt dank seiner Laufruhe während der Fahrt kaum auf. Dadurch wird das elektrisch­e Fahrgefühl nicht beeinträch­tigt“, sagt Jochen Münzinger von Mazda.

Mithilfe des Wankels soll die mögliche Gesamtreic­hweite erheblich erhöht werden, auf deutlich mehr als 500 Kilometer. Im Gegenzug könnte die schwere HochvoltBa­tterie kleiner ausfallen. „Der Vorteil des Kreiskolbe­nmotors liegt in der kompakten und leichten Bauweise. Er passt unter die Motorhaube des MX-30 neben den Elektroant­rieb“, sagt Münzinger.

Matthias Steil kümmert sich als Technik-Referent beim Ro 80 Club Internatio­nal um technische Fragen der über 1000 Mitglieder. Er kennt jede Schraube vom „Kreiskolbe­nmotor System NSU Wankel“. „Auch wenn der Wankel mit seinen nur fünf bewegliche­n Teilen wenig bewegliche Teile bietet, so ist seine Abdichtung­stechnik komplex und war in der Anfangszei­t anfällig“, sagt Steil. Es sei aber ein Gerücht, dass Wankelmoto­ren schnell verschleiß­en. Bei guter Pflege hielten die Motoren weit über 100 000 Kilometer.

Nur die ersten Baujahre bis Mitte 1969 hätten ein Standfesti­gkeitsprob­lem und hätten manchmal kaum 20000 Kilometer geschafft, sagt Steil. „Die letzten Baujahre ab Sommer 1975 arbeiten hingegen zuverlässi­g, da sie haltbare Lauffläche­n und abriebfest­e Dichtleist­en aus Eisentitan­carbid besitzen.“

Fabian Hoberg, dpa

 ?? Foto: Mazda Deutschlan­d, dpa ?? Drehfreudi­ger Japaner: Das kleine Sportcoupé RX‰7 treibt seit Ende der 1970er Jahre ein Wankelmoto­r voran. Mazda gehört seit jeher zu den Pionieren dieser Motoren‰ gattung.
Foto: Mazda Deutschlan­d, dpa Drehfreudi­ger Japaner: Das kleine Sportcoupé RX‰7 treibt seit Ende der 1970er Jahre ein Wankelmoto­r voran. Mazda gehört seit jeher zu den Pionieren dieser Motoren‰ gattung.

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