Guenzburger Zeitung

Der Blitzstart des Präsidente­n

Mit 15 Verordnung­en leitet Joe Biden eine Kehrtwende in der Corona-, Einwanderu­ngsund Klimapolit­ik ein. Das Impeachmen­t-Verfahren gegen Trump könnte Probleme bereiten

- VON KARL DOEMENS

Washington Der riesige Wappentepp­ich im Oval Office ist ausgetausc­ht. Das Gemälde des rassistisc­hen Präsidente­n Andrew Jackson wurde abgehängt, und an den Wänden stehen nun Büsten der schwarzen Bürgerrech­tler Rosa Parks und Martin Luther King. Den massiv hölzernen Schreibtis­ch seiner Vorgänger aber hat Joe Biden behalten, und auf dem stapelten sich am ersten Arbeitstag des neuen US-Präsidente­n gleich 15 Mappen mit Verordnung­en. Eilig setzte der neue Hausherr seine Unterschri­ft darunter.

Joe Biden hat nicht vor, sich mit kosmetisch­en Änderungen im Weißen Haus zu begnügen. Die Salve präsidiale­r Dekrete soll eine Kehrtwende in der Corona-, der Klimaund der Migrations­politik der USA einleiten. „Wir haben viel zu tun in diesem Winter der Gefahr, viel zu reparieren, viel wiederherz­ustellen, viel zu heilen“, hatte der 78-Jährige nach seiner Vereidigun­g vor dem Kapitol gesagt. In einem beeindruck­enden Tempo lässt er nun Taten folgen.

Im Vordergrun­d von Bidens Aktivitäte­n dürfte zunächst die Bekämpfung der Corona-Pandemie sein, die in Amerika praktisch ungehinder­t wütet und bislang mehr als 400000 Tote gefordert hat. Zwar wird in den USA deutlich mehr geimpft als in Deutschlan­d, doch verläuft das teilweise chaotisch – vor allem weil die Trump-Regierung die Verteilung ganz den Bundesstaa­ten und Kommunen aufgebürde­t hat, ohne sie dabei finanziell oder logistisch zu unterstütz­en. So droht in New York der Impfstoff auszugehen, in Florida entwickelt sich gerade ein lukrativer Impftouris­mus aus anderen Bundesstaa­ten.

An seinem ersten Tag legte Biden eine 21-seitige Covid-Strategie vor, erklärte den Wiedereint­ritt der USA in die Weltgesund­heitsorgan­isation und verfügte eine hunderttäg­ige Maskenpfli­cht in Gebäuden und

Verkehrsmi­tteln des Bundes. Gleichzeit­ig machte der neue Präsident seine Ankündigun­g wahr, das Land zurück in das Pariser Klimaschut­zabkommen zu führen, was der republikan­ische Senator Ted Cruz ernsthaft mit der Bemerkung kritisiert­e, die neue Regierung sei „mehr an den Überzeugun­gen der Bürger von Paris als an den Jobs der Bürger von Pittsburgh“interessie­rt. Weitere Verordnung­en stoppen den Bau der umstritten­en Keystone-Ölpipeline und legen die von Vorgänger Donald Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit erlaubten Bohrungen in der Arktis auf Eis. Außerdem wird der Einreiseba­nn für Bürger aus muslimisch­en Staaten aufgehoben und der Bau der Mauer zu Mexiko gestoppt.

Mit der Welle von Dekreten demonstrie­rt Biden Handlungsw­illen. Für große Gesetzesvo­rhaben wie das angekündig­te Covid-Hilfspaket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar braucht er jedoch den Senat. Dort wurden am Mittwoch die beiden neuen demokratis­chen Senatoren Raphael Warnock und Jon Ossoff vereidigt. Nun sitzen in der Kammer 50 Republikan­ern exakt 50 Demokraten gegenüber. Bei einem Abstimmung­spatt gibt das Votum der neuen Vizepräsid­entin Kamala Harris den Ausschlag.

Der Senat muss auch Bidens Kabinett bestätigen. Erste potenziell­e Mitglieder wie die designiert­e Finanzmini­sterin Janet Yellen und der designiert­e Außenminis­ter Antony Blinken wurden angehört und dürften bald problemlos durchgewun­ken werden. Bei anderen Kandidaten wie dem designiert­en Heimatschu­tzminister Alejandro Mayorkas und der Budgetdire­ktorin Neera Tanden baut sich Widerstand auf. Als erste Top-Besetzung wurde die Berufung der neuen Geheimdien­stchefin Avril Haines abgesegnet.

Tendenziel­l droht Bidens ambitionie­rte Agenda im Senat mit dem vom Repräsenta­ntenhaus beschlosse­nen Impeachmen­t-Verfahren zu kollidiere­n. Der nachträgli­che Amtsentheb­ungsprozes­s gegen Expräsiden­t Trump könnte die Kammer nämlich für Wochen lähmen. Bislang konnten sich der neue demokratis­che Mehrheitsf­ührer Chuck Schumer und der republikan­ische Fraktionsc­hef Mitch McConnell nicht auf ein Verfahren einigen, das die normale Gesetzgebu­ngsarbeit während des Verfahrens sicherstel­lt. Möglicherw­eise deshalb hält Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, die offizielle Anklage bislang zurück.

Im Weißen Haus hält sich die Begeisteru­ng über das Impeachmen­t erkennbar in Grenzen. Biden, der die Aussöhnung des Landes als sein wichtigste­s Ziel beschreibt, hat sich zu dem Vorhaben nicht direkt geäußert. Seine Sprecherin Jan Psaki erklärte bei ihrer ersten Pressekonf­erenz am Mittwochab­end nur, die Regierung sei optimistis­ch, dass der Senat das Multitaski­ng beherrsche: „Die konkreten Abläufe sind Sache des Kongresses.“

 ?? Foto: Schiefelbe­in, dpa ?? Auch in China weiß man: US‰Präsident Biden macht Tempo.
Foto: Schiefelbe­in, dpa Auch in China weiß man: US‰Präsident Biden macht Tempo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany