Die Ärzte sind verzweifelt
Kritik an Johnsons Kurs
Als am vergangenen Wochenende erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder die Sonne in England schien, trieb es die Londoner nach draußen. Dabei gilt seit Anfang Januar ein nationaler Lockdown, die Briten sind aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Kontakte zu anderen Haushalten sind in Innenräumen nicht erlaubt, draußen darf nur eine Person aus einem anderen Haushalt getroffen werden. Anders als im vergangenen Jahr interpretieren die Briten die Regeln derzeit aber lockerer. Dabei ist die Pandemie völlig außer Kontrolle geraten, in London herrscht der Katastrophenfall. Rund 95000 Menschen sind Regierungsangaben zufolge an oder mit dem Coronavirus gestorben. Und die „schlimmsten Wochen der Pandemie“stünden noch bevor, warnte der medizinische Chefberater der Regierung, Chris Whitty, zuletzt. Zwischen 50000 und bis zu knapp 69000 Neuinfektionen registrierte das Land in der ersten Januarhälfte täglich. Nun spiegeln sich diese Fallzahlen in den Todeszahlen wider. Am Mittwoch registrierte Großbritannien für die vergangenen 24 Stunden 1820 Verstorbene – ein trauriger Rekord seit Beginn der Pandemie. Völlig verzweifelte Ärzte und Schwestern berichten von desolaten Zuständen in den heillos überfüllten Krankenhäusern, wo Kinderabteilungen in Intensivstationen umfunktioniert werden und Physiotherapeuten oder Hautärzte plötzlich wegen des Personalmangels schwer kranke Covid-Patienten betreuen. Feuerwehrleute und Polizisten bringen in London Patienten in die Kliniken, weil es nicht mehr ausreichend Rettungswagen gibt. Beobachter üben scharfe Kritik am Schlingerkurs der Regierung, am zögerlichen Vorgehen von Johnson und der verwirrenden Kommunikation. Katrin Pribyl