Guenzburger Zeitung

Das Geheimnis um den Grenzpoliz­ei‰Chef

Alois Mannichl wurde vor zwölf Jahren niedergest­ochen. Der mysteriöse Fall ist bis heute ungeklärt. Jetzt geht der Polizist in Ruhestand. Was er sagt und wie erfolgreic­h die Grenztrupp­e ist

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Passau Wenn jetzt der Chef der bayerische­n Grenzpoliz­ei in den Ruhestand geht, nimmt er einen der rätselhaft­esten Fälle mit. Denn Alois Mannichl selbst wurde vor zwölf Jahren Opfer eines mysteriöse­n Messeratte­ntats. Das spektakulä­re Verbrechen ist nicht geklärt und wirft bis heute Fragen auf.

Samstag, 13. Dezember 2008, 17.30 Uhr: Der damalige Polizeiche­f von Passau wird vor seinem Reihenhaus in Fürstenzel­l niedergest­ochen. Mit einem Küchenmess­er aus dem eigenen Haushalt. Mannichl selbst liefert die erste Spur: Der Täter sei ein etwa 1,90 Meter großer Unbekannte­r mit Glatze gewesen. Bevor er zustach, habe er gesagt: „Du linkes Bullenschw­ein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum.“

Mannichl wurde notoperier­t. Das Entsetzen war groß. Eine Attacke auf einen ranghohen bayerische­n Polizisten – Politiker sprachen von einer neuen Dimension rechter Verbrechen in Bayern. Doch die Ermittler waren zuversicht­lich, der Fall schien klar: Ein Racheakt von Neonazis, gegen die Mannichl hart vorgegange­n war. Dazu eine Zeugenauss­age, dass der Täter mit einer auffällige­n grünen Schlange hinter dem Ohr tätowiert gewesen sei. Eine Sonderkomm­ission mit bis zu 70 Beamten arbeitete an dem Fall.

Die Aufklärung schien eine Frage der Zeit. Aber sie blieb aus. Der Fall

Mannichl ist ein tiefer Stachel im Fleisch der erfolgsver­wöhnten bayerische­n Polizei. Die allermeist­en Gewaltdeli­kte klären die Beamten auf. Ausgerechn­et der Angriff auf einen der ihren blieb ungelöst. Und es kam noch schlimmer.

Mit der Zeit tauchten immer mehr Merkwürdig­keiten und Ungereimth­eiten auf. Die Ermittler mussten sich bohrende Fragen gefallen lassen. Warum wurde nicht sofort DNA-Material unter Mannichls Fingernäge­ln gesichert, obwohl er nach eigenen Worten mit dem Täter gerangelt hatte? Wenn es ein geplanter Racheakt eines Neonazis war, warum hatte er kein Messer dabei, sondern nutzte eines, das zufällig auf dem Fensterbre­tt lag?

Die unbeantwor­teten Fragen mündeten in einen schlimmen Verdacht: Könnte hinter der Tat eine Art Familiendr­ama gesteckt haben?

Die Ermittler mühten sich, jedem noch so vagen Gerücht über eine mögliche enttäuscht­e Geliebte des Polizeiche­fs nachzugehe­n. Und sie mühten sich, diesen Verdacht zu zerstreuen. Doch es gelang ebenso wenig wie die Aufklärung des Falles.

2011 schloss das Landeskrim­inalamt vorläufig die Akten. Ein halbes Jahr nach dem Messerangr­iff wurde Alois Mannichl von Passau ins rund 90 Kilometer entfernte Straubing versetzt. Im Sommer 2018 wurde er Chef der damals 500 Mann starken bayerische­n Grenzpoliz­ei. Schon vor dem Start war die Truppe umstritten. Das CSU-geführte Innenminis­terium gab als Ziel „mehr Sicherheit durch engmaschig­ere Kontrollen im grenznahen Raum“aus. Doch es bestand der Verdacht, dass die Staatsregi­erung die Grenztrupp­e vor allem aufstellte, um Härte in der Asylpoliti­k zu zeigen. Die eigentlich­e Sicherung

der Grenze blieb Sache der Bundespoli­zei. Die Grünen fordern bis heute die Auflösung der Truppe.

Unbeirrt davon verkündete Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag, dass die Grenzpoliz­ei bis 2025 auf mehr als 1000 Mitarbeite­r aufgestock­t werden soll. Derzeit sind es 720. Seit dem Start hätten die Beamten rund 35000 Fahndungse­rfolge verzeichne­t, etwa gestohlen gemeldete Fahrzeuge entdeckt oder mit Haftbefehl gesuchte Personen festgenomm­en. Allein im Jahr 2020 wurden 13300 Fahndungst­reffer registrier­t. Nachfolger­in von Mannichl wird seine bisherige Stellvertr­eterin Annette Lauer. Bei der Verabschie­dung nannte Innenminis­ter Herrmann Mannichl einen „Spitzen-Polizisten mit Leib und Seele“.

Mannichl selbst wurde emotional. Er habe damals nicht mit der „brutalen Hetze“gerechnet, die nach dem Attentat im Internet gegen ihn begonnen habe. Seine Tochter sei deswegen manchmal weinend zu ihm gekommen. Mannichl dankte besonders seiner Frau und seinen beiden Kindern, die diese schwere Zeit mit ihm durchgesta­nden hätten und nun wegen der Corona-Pandemie bei der Feierstund­e nicht einmal dabei sein könnten. Der Passauer Neuen Presse sagte Mannichl, er sei sicher, dass es irgendwann in seinem Fall den entscheide­nden Hinweis geben werde. „Niemand sollte die bayerische Polizei unterschät­zen, sie hat bekanntlic­h einen sehr langen Atem.“

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Fotos: dpa, Polizei Alois Mannichl geht in den Ruhestand. Der Polizist war 2008 niedergest­ochen wor‰ den. Der Täter soll ein auffällige­s Schlangen‰Tattoo getragen haben.
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