Guenzburger Zeitung

Die Genossen werkeln unverdross­en

Es war schon mal lustiger bei den Klausuren der Landtags-SPD. Der Mutmacher kommt aus Hamburg

- VON ULI BACHMEIER

München Es gibt eine Fähigkeit, darin sind die bayerische­n SPD-Landtagsab­geordneten ihren Kollegen aus allen anderen Fraktionen voraus: Sie verstehen zu feiern, und zwar selbst dann, wenn die Wahlergebn­isse mal nicht so toll waren (also schon relativ lang). Unvergesse­n die Nächte im Kellergewö­lbe von Kloster Irsee bei den alljährlic­hen Winterklau­suren der SPD-Landtagsfr­aktion: Mag die Welt draußen noch so unwirtlich, mögen die Wähler noch so uneinsicht­ig, mag die CSU noch so übermächti­g sein – ein paar Glas Wein nach getaner Arbeit, ein paar alte Schlager, ein bisserl Gesang und Tanz, schon darf der Genosse Mensch sein. Sogar Journalist­en – selbst solche, denen unverständ­licherweis­e der rechte Glaube an die Durchschla­gskraft der Bayern-SPD fehlt – durften teilnehmen. Und wenn die auch noch frech waren und ihre Zweifel am Wiederaufs­tieg der Sozialdemo­kratie im Freistaat offen aussprache­n, wurde ihnen ein gerüttelt Maß an Belehrunge­n zuteil: Wahlergebn­is hin, CSU her – ab jetzt geht’s wieder bergauf!

Es kam anders. Jedes Mal. Zuletzt stürzte die Bayern-SPD von 20,6 auf 9,7 Prozent. Nach dem Schock über das Wahlergebn­is von 2018 ging die von 42 auf 22 Mitglieder geschrumpf­te Fraktion im Landtag ziemlich geräuschlo­s zur Alltagsarb­eit über. Nicht einmal die Klausurtag­ung in Kloster Irsee war mehr drin. Zu teuer. Man tagt seither im Landtag. Der Wettkampf um den Fraktionsv­orsitz zwischen Horst Arnold aus Fürth und Florian von Brunn aus München sorgte nach der Wahl noch ein paar Tage lang für öffentlich­e Aufmerksam­keit, weil zunächst keiner der beiden eine Mehrheit hatte. Doch nachdem Arnold sich knapp durchgeset­zt hatte, konzentrie­rte sich die Rumpftrupp­e der einst stolzen Opposition­sfraktion auf das, was mit knappem Personal und begrenzten Ressourcen noch zu leisten war. Man könnte auch sagen: Die Genossen machten einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Groß von sich reden machten sie nicht mehr. Und einige fanden das sogar ganz gut, weil damit auch die internen Konflikte unter der Decke blieben, die nach so einem Wahldebake­l unvermeidl­ich sind.

Ein bisschen ist es in der BayernSPD wie in der katholisch­en Kirche. Es gibt zwei Lager. Die einen sagen: Wenn so viele Menschen sich von uns abwenden, müssen wir uns ändern. Die anderen sagen: Nur weil Menschen sich von uns abwenden, dürfen wir den wahren Glauben nicht aufgeben. In der Mitte steht das Dogma „soziale Gerechtigk­eit“. Einen erfolgvers­prechenden Mittelweg aber hat bisher offenbar niemand gefunden.

Also einfach weiterarbe­iten. Drei Tage lang saßen die Genossen unter der Regie von Fraktionsc­hef Arnold diese Woche in Klausur zusammen – coronabedi­ngt mit weitem Abstand hinter Plexiglass­cheiben im Senatssaal des Landtags oder daheim am Bildschirm. Das Programm unter dem Titel „Zusammenar­beit. Zuversicht. Zukunft.“war anspruchsv­oll und straff getaktet: „Aktuelle Corona-Lage“, „Bildung der Zukunft“, „Demokratie und Grundrecht­e in der Pandemie“, „Kultur im Lockdown: Wie gelingt der Neustart?“, „Wirtschaft­liche Chancen durch Klimaschut­z“.

Die aktuell spannendst­e Personalfr­age aber wurde ausgeklamm­ert: Wer soll die Bayern-SPD, immerhin bundesweit der zweitgrößt­e Landesverb­and der SPD, nach dem Rückzug der glücklosen Vorsitzend­en Natascha Kohnen in Zukunft führen? Früher hätte man darüber im Kellergewö­lbe in Irsee in zünftiger Runde debattiere­n können, aber der gesellige Teil der Klausur musste 2021 im Landtag coronabedi­ngt entfallen.

Zwei Kandidaten­paare bewerben sich: der Bundestags­abgeordnet­e und bisherige Generalsek­retär der Bayern-SPD, Uli Grötsch, 45. Er tritt zusammen mit Ramona Greiner, 33, aus dem Landkreis München an. Sie soll seine Generalsek­retärin „auf Augenhöhe“sein. Ihre Gegner sind der Landtagsab­geordnete Florian von Brunn, 51, und die Vorsitzend­e der SPD-Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen, Ronja Endres, 34, aus Regensburg. Sie wollen die SPD als Doppelspit­ze führen. Bereits am 20. März soll in einer Art Hybrid-Parteitag – kleinere Präsenzver­sammlungen in den Bezirken werden digital zusammenge­schaltet – entschiede­n werden.

Beide Duos reden über „soziale Gerechtigk­eit“, beide bemühen sich um eine zeitgemäße Neudefinit­ion – vor allem hinsichtli­ch der Frage, wie Klimaschut­z, wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit und soziale Gerechtigk­eit in Stadt und Land in Zukunft unter einen Hut zu bringen sind. Inhaltlich­e Unterschie­de sind kaum zu erkennen.

Leidenscha­ftliche Debatten löst der Termin der Vorsitzend­enwahl in der Landtagsfr­aktion aber auch aus einem anderen Grund nicht aus: Es herrscht dort nach wie vor ein Patt zwischen Unterstütz­ern und Gegnern des Abgeordnet­en von Brunn. Die Fronten seien festgefahr­en, heißt es von der einen wie von der anderen Seite. Warum also den alten Streit in dieser Runde neu entfachen?

Fraktionsc­hef Arnold hat seinen Abgeordnet­en Sacharbeit verordnet. Und sie halten sich dran. Zu feiern gibt’s nix. Und das ginge ja grad auch gar nicht. Die Stimmung sei dennoch „ganz gut“, sagen einige. „Ab jetzt geht’s wieder bergauf“aber sagt zur Zeit niemand. Die Genossen werkeln unverdross­en. Wo sie hinwollen, wissen sie. Mit wem und wie genau das gehen soll, wissen sie nicht.

Als Mutmacher musste zum Ende der Klausur am Donnerstag ein digital zugeschalt­eter Hamburger ran. Der SPD-Kanzlerkan­didat, Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, zeigte sich unerschroc­ken und selbstbewu­sst. Wer auf Seite der Union gegen ihn antrete, sei ihm egal. „Ich nehme es, wie es kommt“, sagte Scholz und betonte: „Wir sind eine geschlosse­ne Partei. Wir haben einen Plan für die Zukunft unseres Landes. Und der nächste Kanzler werde ich sein.“Das klingt fast so wie einst in Kloster Irsee.

Augsburg Nach einem Schlaganfa­ll hat sich Werner P. weitgehend in sein altes Leben zurückgekä­mpft. Der 63-jährige Handwerker musste den alten Beruf aufgeben, kann aber als Hilfskraft in Teilzeit seine kleine Rente aufbessern. Um zur Arbeit zu kommen, nutzt er ein gebrauchte­s dreirädrig­es Therapie-E-Bike. Als das Rad seinen Geist aufgab, schaffte sich der 63-Jährige mit seinen letzten Ersparniss­en gebrauchte­n Ersatz an. Dieser aber wurde ihm gestohlen. Damit

Werner P. weiter zur Arbeit fahren und die Beweglichk­eit verbessern kann, hat die Kartei der Not nun den

Kauf eines gebrauchte­n Therapie-Rades unterstütz­t. (raf)

Möchten auch Sie Menschen aus der Region unterstütz­en? Das sind die Spendenkon­ten der Kartei der Not:

● Kreisspark­asse Augsburg

IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G

● Stadtspark­asse Augsburg

IBAN: DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X

● Sparkasse Allgäu

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● Sparda‰Bank Augsburg

IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

»www.kartei‰der‰not.de

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Foto: Mirgeler, dpa Die bayerische SPD ist auf recht leisen Sohlen unterwegs. Auch weil nur noch eine Rumpftrupp­e der einst stolzen Opposition­spartei im Landtag sitzt.

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