Vom Hunger auf Kultur
Deutsche Museumsdirektoren wollen Wege vorschlagen, wie sie ihre Häuser wieder für das Publikum öffnen können. Gleichzeitig gibt es in Bayern auch einen prominenten Schulterschluss für die Notwendigkeit fortgeführter Schließung
Augsburg Ungeachtet aller politischen Tendenzen, den CoronaLockdown eher zu verlängern statt zu verkürzen, eher zu verschärfen als abzumildern, hat die Direktorin der Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Susanne Gaensheimer, dafür plädiert, die Museen für den Publikumsverkehr wieder zu öffnen. Allerdings bei „strengster Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen“und bei allem Verzicht auf Rahmenprogramme mit Menschenansammlungen – wie sie in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hinzufügt.
Die 1967 in München geborene Gaensheimer äußert zwar Verständnis dafür, dass man versuche, Bewegung einzudämmen, und sie erklärt, dass es jetzt keinesfalls darum gehen könne, das Publikum zum Kunsttourismus zu motivieren. „Aber Museen haben auch ein lokales Publikum. Nicht Besucherzahlen stehen jetzt im Vordergrund, sondern das, was wir als öffentliche Häuser beitragen können: der Kunst einen Ort zu geben und den Menschen Inspiration.“Das Museum – mit oft weitläufigen Flächen in großen Instituten – sei wichtig für die Meinungsbildung in einer Demokratie.
Wenig später haben sich weitere namhafte deutsche Museumsdirektoren ganz im Sinne von Gaensheimer geäußert. In einem Entwurf zu einem Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters sowie an die Mitglieder der Kulturministerkonferenz weisen sie darauf hin, dass
Häuser „gangbare Wege“entwickeln können, um dem „Hunger auf Kultur ein Angebot zu machen, ohne die gesellschaftliche Solidarität infrage zu stellen“. Das Museum an sich sei „ein Kraftort für die in dieser Zeit dringend nötige Resilienz“. Man wünsche eine dem jeweiligen Corona-Verlauf angepasste „Wiedereröffnung der Museen“.
Den Brief haben laut Süddeutscher Zeitung neben Susanne Gaensheimer unter anderem auch Marion Ackermann (Kunstsammlungen Dresden), Michael Eissenhauer (Staatliche Museen Berlin), Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig Köln), Philipp Demandt (Städel Frankfurt) und Bernhard Maaz (Generaldirektion Bayerische Staatsgemäldeihre sammlungen) unterzeichnet. Ihre jeweiligen Institute seien bislang „nicht als Orte eines Infektionsgeschehens aufgefallen“. Jedes Werk darin stelle „eine emotionale Batterie“dar.
Allerdings liegt unserer Redaktion auch eine Stellungnahme vor, in der sich Bernhard Maaz nahezu zeitgleich in einem Sinne ausspricht, der sich ganz anders liest. Gegenüber unserer Redaktion ließ der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wissen: „Wir bedauern, aber wir akzeptieren die Notwendigkeit, viele gesellschaftliche Einrichtungen für Bildung und Kultur weiter geschlossen halten zu müssen; wir bieten seit langen unseren Gästen diverse Formate digital und freuen uns, dass das reich angenommen wird. Die Originale sind aber nicht ersetzbar, und so halten wir unsere Museen verantwortungsund hoffnungsvoll in vorzeigbarem Zustand.“
Mit dieser anderslautenden Position befindet sich Bernhard Maaz absolut im Schulterschluss mit seinem Dienstherrn, dem bayerischen Kunstminister Bernd Sibler. Dieser erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Auch ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass wir Kunst und Kultur bald wieder vor Ort erleben können. Aufgrund der enorm hohen Infektionszahlen derzeit müssen wir Kontakte weiterhin reduziert halten, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und einen Kollaps des Gesundheitssystems zu vermeiden. Wann und unter welchen Bedingungen vorsichtige Öffnungen möglich sein werden, hängt von der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens ab.“
Und Sibler fährt fort: „Sobald Öffnungen möglich sein werden, werde ich mich dafür einsetzen, dass Museen – wie bereits nach dem ersten Lockdown – zu den ersten Institutionen gehören, die wieder geöffnet werden.“