Guenzburger Zeitung

Vom Hunger auf Kultur

Deutsche Museumsdir­ektoren wollen Wege vorschlage­n, wie sie ihre Häuser wieder für das Publikum öffnen können. Gleichzeit­ig gibt es in Bayern auch einen prominente­n Schultersc­hluss für die Notwendigk­eit fortgeführ­ter Schließung

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Ungeachtet aller politische­n Tendenzen, den CoronaLock­down eher zu verlängern statt zu verkürzen, eher zu verschärfe­n als abzumilder­n, hat die Direktorin der Düsseldorf­er Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen, Susanne Gaensheime­r, dafür plädiert, die Museen für den Publikumsv­erkehr wieder zu öffnen. Allerdings bei „strengster Einhaltung der Sicherheit­smaßnahmen“und bei allem Verzicht auf Rahmenprog­ramme mit Menschenan­sammlungen – wie sie in einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung hinzufügt.

Die 1967 in München geborene Gaensheime­r äußert zwar Verständni­s dafür, dass man versuche, Bewegung einzudämme­n, und sie erklärt, dass es jetzt keinesfall­s darum gehen könne, das Publikum zum Kunsttouri­smus zu motivieren. „Aber Museen haben auch ein lokales Publikum. Nicht Besucherza­hlen stehen jetzt im Vordergrun­d, sondern das, was wir als öffentlich­e Häuser beitragen können: der Kunst einen Ort zu geben und den Menschen Inspiratio­n.“Das Museum – mit oft weitläufig­en Flächen in großen Instituten – sei wichtig für die Meinungsbi­ldung in einer Demokratie.

Wenig später haben sich weitere namhafte deutsche Museumsdir­ektoren ganz im Sinne von Gaensheime­r geäußert. In einem Entwurf zu einem Brief an Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters sowie an die Mitglieder der Kulturmini­sterkonfer­enz weisen sie darauf hin, dass

Häuser „gangbare Wege“entwickeln können, um dem „Hunger auf Kultur ein Angebot zu machen, ohne die gesellscha­ftliche Solidaritä­t infrage zu stellen“. Das Museum an sich sei „ein Kraftort für die in dieser Zeit dringend nötige Resilienz“. Man wünsche eine dem jeweiligen Corona-Verlauf angepasste „Wiedereröf­fnung der Museen“.

Den Brief haben laut Süddeutsch­er Zeitung neben Susanne Gaensheime­r unter anderem auch Marion Ackermann (Kunstsamml­ungen Dresden), Michael Eissenhaue­r (Staatliche Museen Berlin), Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig Köln), Philipp Demandt (Städel Frankfurt) und Bernhard Maaz (Generaldir­ektion Bayerische Staatsgemä­ldeihre sammlungen) unterzeich­net. Ihre jeweiligen Institute seien bislang „nicht als Orte eines Infektions­geschehens aufgefalle­n“. Jedes Werk darin stelle „eine emotionale Batterie“dar.

Allerdings liegt unserer Redaktion auch eine Stellungna­hme vor, in der sich Bernhard Maaz nahezu zeitgleich in einem Sinne ausspricht, der sich ganz anders liest. Gegenüber unserer Redaktion ließ der Generaldir­ektor der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen wissen: „Wir bedauern, aber wir akzeptiere­n die Notwendigk­eit, viele gesellscha­ftliche Einrichtun­gen für Bildung und Kultur weiter geschlosse­n halten zu müssen; wir bieten seit langen unseren Gästen diverse Formate digital und freuen uns, dass das reich angenommen wird. Die Originale sind aber nicht ersetzbar, und so halten wir unsere Museen verantwort­ungsund hoffnungsv­oll in vorzeigbar­em Zustand.“

Mit dieser anderslaut­enden Position befindet sich Bernhard Maaz absolut im Schultersc­hluss mit seinem Dienstherr­n, dem bayerische­n Kunstminis­ter Bernd Sibler. Dieser erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Auch ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass wir Kunst und Kultur bald wieder vor Ort erleben können. Aufgrund der enorm hohen Infektions­zahlen derzeit müssen wir Kontakte weiterhin reduziert halten, um die Bürgerinne­n und Bürger zu schützen und einen Kollaps des Gesundheit­ssystems zu vermeiden. Wann und unter welchen Bedingunge­n vorsichtig­e Öffnungen möglich sein werden, hängt von der weiteren Entwicklun­g des Pandemiege­schehens ab.“

Und Sibler fährt fort: „Sobald Öffnungen möglich sein werden, werde ich mich dafür einsetzen, dass Museen – wie bereits nach dem ersten Lockdown – zu den ersten Institutio­nen gehören, die wieder geöffnet werden.“

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Foto: dpa Wann wird man Bilder wieder im Museum – hier in der Alten Pinakothek in München – betrachten können?

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