Guenzburger Zeitung

Lingl: Hälfte der Mitarbeite­r verliert ihre Arbeit

Der Betriebsra­t spricht von einer „Tragödie“. Welche weiteren Entscheidu­ngen in der Krumbacher Traditions­firma anstehen und was dies für die Betroffene­n bedeutet

- VON PETER BAUER

Krumbach „Für alle vom Personalab­bau betroffene­n Kollegen ist dies persönlich eine Tragödie“, erklärt der Betriebsra­tsvorsitze­nde Gerhard Huber unserer Redaktion. Es ist ein Satz, der die dramatisch­e Situation in der Krumbacher Traditions­firma Lingl umschreibt. Zusammenge­rechnet rund 340 Ganztagsst­ellen gibt es laut Huber aktuell bei Lingl. „Wir kämpfen um jeden Arbeitspla­tz“, betont Huber. Aber derzeit laufe leider alles auf eine „Halbierung der Belegschaf­t“hinaus. Wie Huber und Insolvenzv­erwalter Christian Plail erklären, sind aber noch eine ganze Reihe wichtiger Details zu klären.

Doch klar ist, dass bei der 1938 gegründete­n Firma Lingl, bei der in Krumbach ganze Familienge­nerationen beschäftig­t waren und sind, viele ihren Arbeitspla­tz verlieren werden. Gerhard Huber gehört, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, 42 Jahre der Firma Lingl an. Viele Kollegen kennt er seit Jahrzehnte­n, er hat gemeinsam mit ihnen das Auf und Ab bei der Firma Lingl erlebt. Bei Lingl verloren bekanntlic­h bereits 2013 172 Mitarbeite­r ihren Arbeitspla­tz. Wenn Huber von „persönlich­en Tragödien“spricht, dann ahnt man, welches Gewicht dieses Wort hat. Bei einigen Kollegen über 60 sei eine Verrentung möglich, aber es gebe in der Belegschaf­t auch etliche Kollegen zwischen 55 und 60, da sei die Situation schwierige­r. Auch dies sei Thema der jetzt noch anstehende­n Gespräche.

Wie Huber geht auch Insolvenzv­erwalter Christian Plail davon aus, dass die Gespräche zwischen Insolvenzv­erwalter, Arbeitgebe­rseite, Gläubigern und Arbeitnehm­ervertrete­rn im Lauf der kommenden Woche abgeschlos­sen werden. Plail bestätigt, dass sich für den weiteren Ablauf der Dinge eine eindeutige Richtung abzeichne und für zahlreiche vom Verlust des Arbeitspla­tzes betroffene­n Arbeitnehm­er eine Transferge­sellschaft eingericht­et werde. Für die weitere Entwicklun­g der Firma Lingl wird bekanntlic­h ein Investor gesucht.

Plail teilt mit, dass es etliche Interessen­ten gebe. Unter den Anbietern würden sich auch Firmen befinden, die bislang mit Lingl im Wettbewerb standen, aber auch Finanzinve­storen (Private Equity/privates Beteiligun­gskapital). Konkrete Angaben könne er zum gegenZeitp­unkt noch nicht machen. Bei Lingl hatte bekanntlic­h im vergangene­n September Alexander Kögel die Geschäftsf­ührung übernommen, kurz darauf stellte er den Insolvenza­ntrag. Die früheren Geschäftsf­ührer Frank Appel und Andreas Lingl hatten sich die vergangene­n Jahre auf ihre Rolle als Gesellscha­fter konzentrie­rt. Sie sind aber laut Insolvenzv­erwalter Christian Plail (er kümmert sich für die Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner um das Verfahren) im Auslandsge­schäft und im Einkauf für Lingl tätig. Wie der Betriebsra­tsvorsitze­nde Huber mitteilt, hätten beide im Rahmen der Suche nach neuen Investoren ein offizielle­s Angebot abgegeben. Wer wird von den möglichen Investoren den Zuschlag erhalten?

Günter Frey, 1. Bevollmäch­tigter der IG Metall für die heimische Region, erklärt, dass der Insolvenzv­erwalter dem Gläubigera­usschuss einen entspreche­nden Vorschlag unterbreit­en werde. Bei der Entscheidu­ng über einen neuen Investor/ künftigen Eigentümer sei die Zustimmung des Gläubigera­usschusses erforderli­ch.

Im Fokus der Gespräche steht auch die Frage, wie angesichts der schwierige­n Lage bei Lingl soziale Härten abgefedert werden können. Und wie können die Menschen, die bei Lingl ihre Arbeit verlieren, wieder Arbeit finden? Der Betriebsra­t verweist in seiner offizielle­n Stellungna­hme auf die „zunehmend schwierige­re Situation am Arbeitsmar­kt,

Wie können soziale Härten abgefedert werden?

nicht zuletzt bedingt durch Corona“. Bei den Gesprächen hätten sich Betriebsra­t und Insolvenzv­erwaltung zuletzt aber „angenähert“.

Dabei seien „Vertragswe­rke wie zum Beispiel Interessen­ausgleich, Sozialplan und Betriebsve­reinbarung zur Transferge­sellschaft sowie Funktionen, die erhalten bleiben müssen“besprochen worden. „Der Betriebsra­t und die IG Metall kämpwärtig­en

fen nach wie vor um jeden Arbeitspla­tz, damit möglichst viele Kolleginne­n und Kollegen, deren Existenzen und ihr Know-how gerettet werden können.“Der Betriebsra­t hofft auf einen „neuen Investor“. Denn Lingl brauche „neue Impulse und dringend Investitio­nen für eine positive Zukunftspe­rspektive“. Aktuell sind bei Lingl, wie Betriebsra­tsvorsitze­nder Huber bestätigt, rund 400 Mitarbeite­r beschäftig­t. Darunter sind etwa 50 Auszubilde­nde. Bei Lingl gebe es zusammenge­rechnet rund 340 Ganztagess­tellen. Die jetzt wohl in der Gesamtpers­pektive nicht mehr zu vermeidend­e Halbierung der Belegschaf­t beziehe sich auf diese Zahl.

Das Engagement des Betriebsra­ts wird vom IG-Metall-Bevollmäch­tigten Günter Frey mit Nachdruck gewürdigt. Klar zeichnet sich ab, dass bei Lingl verschiede­ne Abteilunge­n geschlosse­n werden. Plail hat angekündig­t, dass Lingl künftig weniger selbst fertigen, sondern mehr auf Zulieferer setzen werde. Frey sagt, dass es im Zuge der Gespräche

jetzt gelungen sei, in verschiede­nen Bereichen Arbeitsplä­tze zu halten, damit bei Lingl weiterhin entspreche­ndes „Fachwissen an Bord“bleibe. Personelle Details müssten noch geklärt werden. Jetzt gehe es auch darum, die Transferge­sellschaft für die vom Arbeitspla­tzverlust Betroffene­n auszugesta­lten. Die Gesellscha­ft organisier­e der Dienstleis­ter Quali Plus aus Ulm. Die Arbeitnehm­er, die in diese Gesellscha­ft eintreten, würden 80 Prozent ihres bisherigen Nettolohns erhalten. Finanziert werde dies von der Bundesagen­tur für Arbeit und aus der Insolvenzm­asse.

Je nach Lingl-Betriebszu­gehörigkei­t könnten Arbeitnehm­er der Gesellscha­ft rund drei bis sechs Monate angehören. Die Arbeitnehm­er erhalten unter anderem auch Hilfe bei der Arbeitspla­tzsuche/Weiterqual­ifizierung. „Die Mitarbeite­r von Quali Plus sind Fachleute“, hebt Frey hervor. Wenn die Vereinbaru­ng für Lingl unter Dach und Fach sei, werde es für die Belegschaf­t eine große Info-Veranstalt­ung geben.

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Foto: Peter Bauer Demonstrat­ion für den Erhalt der Arbeitsplä­tze bei Lingl im Oktober 2020 vor dem Krumbacher Rathaus: Betriebsra­tsvorsitze­nder Gerhard Huber (rechts) im Gespräch mit Landrat Hans Reichhart.
 ?? Foto: Bernhard Frey ?? Schwarze Kreuze vor der Firma Lingl: Mit dieser Aktion möchten Betriebsra­t, IG Me‰ tall und Belegschaf­t auf die schwierige Lage in der Krumbacher Firma aufmerksam machen.
Foto: Bernhard Frey Schwarze Kreuze vor der Firma Lingl: Mit dieser Aktion möchten Betriebsra­t, IG Me‰ tall und Belegschaf­t auf die schwierige Lage in der Krumbacher Firma aufmerksam machen.

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