Guenzburger Zeitung

Zwischen großen Bühnen und türkischen Straßen

Mark Poppe spielte mit der Band Skaos vor 20000 Zuschauern, aber er kennt auch die Zeit, in der er als Straßenmus­iker im Ausland Geld verdiente. Der Röfinger spricht über sein Leben als Musiker und sein neuestes Projekt

- VON MICHAEL LINDNER

Mark Poppe aus Roßhaupten hat ein bewegtes musikalisc­hes Leben hinter sich. Nun bringt er ein neues Album heraus.

Röfingen Mark Poppe ist ein Musiker durch und durch. 20 Jahre lang lebte der Röfinger von der Musik, reiste quer durch Europa und für Auftritte sogar nach Asien. Mit verschiede­nen Bands begeistert­e er das Publikum, doch irgendwann zog er einen Schlussstr­ich. Er wollte nicht mehr Vollzeit-Musiker sein. Stattdesse­n nahm er eine Auszeit, trat als Straßenmus­iker in der Türkei auf. Nun widmet er sich musikalisc­hen Projekten nur noch in seiner Freizeit. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt der 46-Jährige von seinem ungewöhnli­chen Weg und seinem aktuellste­n Album.

Der gebürtige Ichenhause­r spielte bereits im Kindergart­en mit der Blockflöte. Poppe erinnert sich nur zu gut an den ersten Auftritt. Er sei danach von der Bühne gegangen, sagte, dass es schön gewesen sei, er aber jetzt ein richtiges Instrument spielen wolle. Doch er musste sich ein wenig gedulden; zur Einschulun­g erhielt er das gewünschte Akkordeon, dem er zehn Jahre die Treue hielt. Mit dem Akkordeono­rchester gewann er sogar die Jugendeuro­pameisters­chaft. Doch irgendwann hatte er davon genug.

Schuld daran waren die Rolling Stones und deren Gitarrist Keith Richards. Als Poppe als Jugendlich­er auf einem Konzert der Stones war, „war der Käs’ gegessen“, sagt der Röfinger und lacht. Er wollte Gitarre spielen so wie Richards. Mit Klassenkam­eraden des Wettenhaus­er Gymnasiums gründete er eine eigene Band. Poppes Tagesablau­f wurde von der Musik bestimmt, quasi nebenbei lernte er ein weiteres Instrument – das Klavier. Irgendwie sei er dann in die Chorleiter­position eines Gospelchor­s gerutscht, bis zu drei Chöre leitete er in Hochzeiten. Dazu gab er Musikunter­richt und spielte in verschiede­nen Bands.

Im Alter von 26 Jahren kam für Poppe der große Schritt. Er wurde Keyboarder der Krumbacher Band „Skaos“, die seit 1982 besteht. Und mit der Ska-Band war er viel unterwegs. Sie gingen auf große Europatour­nee, gaben sogar Konzerte in Japan – bis zu 20 000 Menschen verfolgten ihre Open-Air-Auftritte, erinnert sich Poppe, der inzwischen in Roßhaupten lebt. Viele Jahre lang genoss er das Leben als Berufsmusi­ker. „Es war eine herrliche Zeit, aber auf Dauer auch sehr anstrengen­d. Es war ein Sieben-Tage-Job und es gab kaum Erholungsp­hasen“, sagt Poppe. 2012 verließ er die Band, betont aber das nach wie vor gute Verhältnis zu den ehemaligen Kollegen.

Die Finger von der Musik lassen konnte Poppe jedoch nicht. Er trat fortan mit dem Trio „Stromlos“auf, bis er sich 2016 zu einer 18-monatigen Pause entschloss. Dem Alltag entkommen, die Gedanken sortieren – das war sein Ziel. Er lebte zeitweise in Schwäbisch Hall in einem Seminarhau­s quasi als Hausmeiste­r. Doch es gab auch ein fünfmonati­ges Abenteuer – so lange lebte Poppe insgesamt in dieser Zeit in der Türkei. Sein Schwager lud ihn für einige Wochen zu sich nach Mersin ein, einer Zwei-Millionen-Metropole an der Mittelmeer­küste zwischen Antalya und Syrien. Und dort machte Poppe etwas Ungewöhnli­ches: Er nahm seine Gitarre und machte Straßenmus­ik. Jeden Tag spielte er vier Stunden – zwei Stunden am Jachthafen und weitere zwei vor einem Einkaufsze­ntrum.

Dass er kein einziges Wort auf Türkisch verstand? Kein Problem, Musik verbindet – auch wenn ein Deutscher, der Rock ´n´ Roll und Blues aus dem tiefsten Amerika spielt, in Mersin ein Exot ist. Auch deutsche Songs hat er gespielt. Poppe denkt gerne an diese Zeit zurück. „Es sind nicht Hunderte Leute stehen geblieben, aber in meinem Gitarrenko­ffer lag immer Geld drin – also kann es nicht so schlecht gewesen sein“, sagt der 46-Jährige und lacht. Vor allem die ersten Tage in der Türkei waren für ihn aufregend, da er nicht wusste, was ihn erwarten würde. Auch wenn es schwer vorstellba­r ist, so war Poppe auf den türkischen Straßen viel nervöser als bei seinen Auftritten mit Skaos vor Tausenden Menschen: „In einer Band ist man sicher – wie in einer Blase. Da war ich nie nervös, doch ganz alleine auf der Straße zu stehen, ist viel anstrengen­der.“Durch die Musik kam er schnell in Kontakt mit den Einheimisc­hen, ein CaféBesitz­er vermittelt­e ihm Auftritte. Deshalb flog Poppe insgesamt fünf Mal für je einen Monat nach Mersin und machte dort Musik.

Im Januar 2017 beendete er seine Auszeit, der Grund war ein trauriger: Seine Mutter starb. Poppe wollte in der Nähe seines Vaters sein, das war ihm wichtig. Der 46-Jährige nahm verschiede­ne Jobs an: Ein halbes Jahr war er auf dem Bau tätig, danach erfüllte er sich für zwei Jahre einen Jugendtrau­m. Poppe wurde Lkw-Fahrer und war mit einem 40-Tonner unterwegs. Die Musik begleitete ihn nicht mehr hauptberuf­lich, denn: „Ich muss nicht mehr jeden Tag in der Woche Musik machen, weil ich davon leben muss. Ich kann jetzt das tun, was mir wirklich Freude macht, und muss nicht mehr jeden Termin wahrnehmen“, sagt Poppe über die neu gewonnene Freiheit. Zwischenze­itlich trat er mit seiner neu gegründete­n Band „The Sunrise“auf, doch nach einem Jahr löste sich die Gruppe auf.

Poppe gründete mit seiner Lebensgefä­hrtin das fünfköpfig­e Ensemble „Daily Soul“. Zudem ist er als Solist aktiv – und hat nun ein besonderes Album herausgebr­acht. Der 46-Jährige überzeugt mit seinen Klavierimp­rovisation­en. Poppe spielt dabei nicht nach Noten, sondern nach Gefühl: „Ich verfüge glückliche­rweise über das Talent, Musik aus dem Bauch heraus zu spielen.“Lediglich die groben Züge einer Melodie seien in seinem Kopf, den großen Rest erledigen seine Finger wie von alleine. Auf dem Album „Dunkel & Licht“ist deshalb ein breites Spektrum an Gefühlen und Stimmungen zu hören. Es gibt schwungvol­le und fröhliche, aber auch sehr traurige und langsame Stücke. „Traurigkei­t wird durch Musik in etwas Schönes verwandelt“, ist Poppe überzeugt. Er möchte besondere und einzigarti­ge Momente kreieren und nichts schaffen, um es lediglich zu reproduzie­ren. Da Poppe improvisie­rt, gleiche kein Konzert dem anderen. Diese Art von Kunstmusik sei anspruchsv­oll und erfordere von ihm als auch von den Zuhörern viel Konzentrat­ion.

Wegen der Corona-Pandemie muss er momentan wie jeder andere Künstler auf Publikum verzichten. Das sei für einen Bühnenmusi­ker wie ihn eine schmerzhaf­te Erfahrung, doch er weiß, dass es ihn noch viel schlimmer hätte treffen können. Sein Grundausko­mmen ist gesichert – er ist kein Berufsmusi­ker mehr, sondern arbeitet beim weit über die Landkreisg­renzen hinaus bekannten Musikgesch­äft „Station Music“in Jettingen-Scheppach. „Das ist ein glückliche­r Umstand. Viele Musikerkol­legen haben es deutlich schwerer“, sagt Poppe. Sobald es geht, möchte er wieder vor Publikum auftreten und mit ihm die Leidenscha­ft für Musik teilen.

OAlbum „Dunkel & Licht“von Mark Poppe ist sowohl als CD für 9,95 Euro als auch als Download für 7,95 Euro auf der Homepage www.markpoppem­u‰ sic.de erhältlich.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Der Musiker Mark Poppe aus Roßhaupten hat eine neue CD veröffentl­icht. „Dunkel & Licht“lautet der Titel des Tonträgers, den der Künstler während der Corona‰Krise eingespiel­t hat.

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