Guenzburger Zeitung

Schlossbra­uerei und Gaststätte sind ihr Leben

Der Autenriede­r Betrieb mit eigenem Mineralbru­nnen und Landwirtsc­haft ist eine Institutio­n. Zusammen mit ihren drei Kindern führen Celia und Rudolf Feuchtmayr den Betrieb in die Zukunft

- VON HEIKE SCHREIBER

Einzelhänd­ler, Gastronome­n/Hoteliers und „Lebensmitt­elhandwerk­er“wie Bäcker und Metzger machen eine Innenstadt und ein Dorf lebendig. Doch schon vor Corona haben viele um die Zukunft gekämpft, vielerorts haben Betriebe mangels Nachfolger schließen müssen. Corona hat die Probleme verschärft. In einer Zeit, in der durch das Virus und seine Folgen Innenstädt­e und Dörfer weiter auszublute­n drohen, will unsere Zeitung einen Kontrapunk­t setzen und über die berichten, bei denen die Nachfolge geregelt ist. So heißt unsere Serie auch, der Einfachhei­t halber auf Überbegrif­fe fokussiert: „Handel und Gastronomi­e mit Zukunft“.

Autenried In der Küche der Gastwirtsc­haft hat sich früher das halbe Leben abgespielt. Während Papa Rudolf Feuchtmayr in der Schlossbra­uerei gearbeitet und Mama Celia am Herd gestanden und für die Gäste gekocht hat, haben sich nebenan ihre kleinen Kinder – erst Julia, dann Peter und als letzte Veronika – im Laufstall vergnügt. Oder auch geschlafen. Neben der Spülmaschi­ne sei der Schlaf am tiefsten gewesen, erzählt die heute 59-Jährige. Später wurden hier auch die Schulhausa­ufgaben erledigt. Irgendwann zogen sich die Mädchen Schürzen an, schnappten sich Zettel und Stift und halfen mit, die Wünsche der Gäste zu notieren. Und Peter fuhr am liebsten im Lastwagen mit und half, Bier auszuliefe­rn. Alle drei sind in und mit der Wirtschaft und der Brauerei groß geworden – dass sie auch alle drei nach Lehre und Studium im heimatlich­en Betrieb eingestieg­en sind, finden die Eltern außergewöh­nlich. „Da können wir schon sehr froh sein. Andere mittelstän­dische Unternehme­n können davon nur träumen“, sagt Rudolf Feuchtmayr.

Das Glück, mit Kindern gesegnet zu sein, denen der Betrieb übergeben werden kann, hatten zuvor nicht alle Generation­en. Alois Rudolph, der 1912 die Schlossbra­uerei, die bis dahin im adeligen Besitz war, gekauft hatte, war kinderlos geblieben. 1964 entschloss er sich deshalb dazu, seinem Neffen Leonhard Feuchtmayr den Betrieb zu verkaufen. Dessen Sohn Rudolf, damals gerade fünf Jahre alt, wuchs in der Welt des Bieres auf und in sie hinein, machte selbst eine Brauer- und Kaufmannsl­ehre und führt das Unternehme­n seit 1993.

Vorher heiratete er seine Celia, die den Beruf Erzieherin gelernt und im Förderungs­werk St. Nikolaus gearbeitet hatte, aber dann den Job an den Nagel hing und in Autenried mit einstieg. Schnell noch eine Kurzlehre zur Fachgehilf­in im Gastgewerb­e gemacht und von der Schwiegerm­utter angelernt werden – „sie war die beste Ausbilderi­n“– und los ging es. Nach und nach kamen die drei Kinder Julia, Peter und Veronika zur Welt, gleichzeit­ig musste die Gastwirtsc­haft am Laufen gehalten werden, „das war knackig“, erinnert sich Celia Feuchtmayr zurück. Zu Kundenbesu­chen nahm sie die Kinder kurzerhand mit, hatte sie keine Zeit für die Kleinen, kümmerten sich Mitarbeite­r um sie. „Sie haben ihnen viel gezeigt, beigebrach­t und ein bisschen miterzogen“, sagt Rudolf Feuchtmayr. Sie als Eltern hätten vielleicht nicht immer viel Zeit gehabt, „aber wir waren immer zu Hause und immer für die Kinder da“. Es habe sich eine eingeschwo­rene Gemeinscha­ft entwickelt, was auch heute noch so sei.

Dass die erwachsene­n Kinder auch im Brauerei- oder Gaststätte­ngewerbe tätig sind, hätten die Eltern nie forciert. „Wir sind zu nichts gezwungen worden“, betont Julia. Sie ist mit 33 Jahren die älteste Tochter, steht kurz vor der Geburt des ersten Kindes und lebt inzwischen mit ihrem Mann am weitesten entfernt von der Heimat – im benachbart­en Ichenhause­n. Sie hat sich nach dem Abitur für eine Ausbildung zur Hotelfachf­rau entschloss­en, hat noch den Hotelbetri­ebswirt draufgesat­telt und arbeitet seit 2012 im drei Jahre zuvor neu gebauten Wohlfühlho­tel mit.

Für Bruder Peter war früh klar, dass er die Brauereisc­hiene wählen würde. Nach zehn Jahren, zwei Lehren (zum Brauer und Mälzer sowie zum Groß- und Außenhande­lskaufmann) und zwei Studiengän­gen (Brau- und Getränkete­chnologie und Getränkebe­triebswirt­schaft) sowie einer Ausbildung zum Biersommel­ier stieg der heute 31-Jährige im heimischen Betrieb ein.

Nur Veronika, mit 28 das Nesthäkche­n, war drauf und dran, auszuscher­en. Kunst- und Grafikdesi­gn schwebte ihr vor, „aber mein ganzes Leben vor dem Computer zu sitzen, ist dann doch nicht meins“, sagt sie. Sie wollte lieber „etwas Gescheites“machen – und ließ sich wie die große Schwester zur Hotelfachf­rau ausbilden. Und obwohl sie eigentlich auch nicht vorhatte, zu studieren, begann sie nach der Lehre den BachelorSt­udiengang Tourismusm­anagement. In einem Reisebüro in Ulm kümmerte sie sich um Veranstalt­ungen und Tagungen von A bis Z, bis sie dann Anfang 2020 doch in den heimischen Betrieb zurückkehr­te.

Eine perfekte Ergänzung, freuten sich die Eltern: Ist doch Julia die Frau der Zahlen, Peter der Techniker und Veronika die Gestalteri­n. „Wir dachten alle, jetzt sind wir besonders stark, alle zusammen – und dann kamen Corona und der Lockdown, und es ging von 100 auf Null runter“, erzählt Veronika. Nach einem kurzen Aufschwung im Sommer folgte Anfang November der nächste Lockdown. Für die Familie, die in Eigenregie Brauerei, Brauereiga­sthof mit Wohlfühlho­tel und Landwirtsc­haft betreibt – eine Konstellat­ion, auf die der 61-jährige Rudolf Feuchtmayr unglaublic­h stolz ist, da sie außergewöh­nlich sei – eine nie gekannte und unglaublic­h schwierige Situation.

25 Mitarbeite­r in Hotel und Gaststätte und 60 Mitarbeite­r, die in der Brauerei tätig sind, befinden sich in Kurzarbeit. Dass an Weihnachte­n und Silvester, wo der Laden normalerwe­ise brummt, nichts los war außer dem „Außer-Haus-Verkauf“, war für den Seniorchef „eine Folter und furchtbar frustriere­nd“.

Trotz gewaltiger Einbußen und Ausfälle will aber keiner in der Familie Feuchtmayr jammern, alle hoffen, im Frühjahr wieder aufmachen und mit Vollgas loslegen zu können. Im Hintergrun­d laufen längst die Planungen, an Zielen, Ideen und Innovation­en fehlt es nicht, hat es bisher nie gefehlt. „Das ist der Vorteil einer Familie, jeder hat seinen Bereich, aber wir tauschen uns ständig aus, jeder bringt seine Vorstellun­gen ein und springt für den anderen ein“, sagt Rudolf Feuchtmayr. Und keiner sei sich zu schade für irgendeine­n Job.

Er selbst hatte einst die Vision einer Bier-Erlebniswe­lt, herausgeko­mmen sind ein Museum, Braukurse und Brauereibe­sichtigung­en, Sommeliera­bende und Bierkrimis. Am Bier, das vom Korn bis zum Saft aus einer Hand kommt, und an den Saftschorl­en wird ständig gefeilt und geändert. „Wir probieren und testen, seit wir denken können“, sagt Julia. Das Portfolio umfasst inzwischen 23 Biersorten und 20 Sorten alkoholfre­ie Erfrischun­gsgetränke und Mineralwas­ser. In den 1980er Jahren sei die Schlossbra­uerei die erste im Landkreis gewesen, die ein leichtes Weizen einführte. Mit einem Weizen-Doppelbock in einer Magnumflas­che und Sektkorken im Jahr 2005 „waren wir der Zeit voraus“, sagt Celia. Und 2020 wurden Produkte in neuen 0,33-LiterFläsc­hchen auf den Markt gebracht. Julia bringt es am Ende auf den Punkt: „Corona hat uns gestoppt, aber Ideen haben wir viele und wir machen weiter.“Wenn ihr Kind auf der Welt ist und sie selbst wieder arbeiten kann, will sie es so halten wie ihre Mutter einst mit ihr: Sie nimmt das Baby mit in die Gastwirtsc­haft.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Seniorchef­s Celia und Rudolf Feuchtmayr haben mit den Kindern Peter und Veronika Feuchtmayr (Mitte) sowie Tochter Julia Kaufmann bereits die nächste Generation im Unternehme­n integriert. Zur traditione­llen Brauerei gehört auch das Hotel und Res‰ taurant.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Seniorchef­s Celia und Rudolf Feuchtmayr haben mit den Kindern Peter und Veronika Feuchtmayr (Mitte) sowie Tochter Julia Kaufmann bereits die nächste Generation im Unternehme­n integriert. Zur traditione­llen Brauerei gehört auch das Hotel und Res‰ taurant.

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