Guenzburger Zeitung

Leichtgewi­cht zwischen den Stangen Porträt

Der Skifahrer Linus Straßer stand lange im Schatten anderer. Jetzt ist er ins Rampenlich­t getreten. Der Weg dorthin begann, als er noch in den Windeln steckte

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Ginge es nur um Talent, Linus Straßer wäre einer der erfolgreic­hsten Skifahrer überhaupt. Geht es aber nicht. Es braucht so viel mehr als nur Talent. Manchmal ist es schwer zu greifen, was es genau ist, das noch fehlt. Manchmal ist es einfach nur Zeit. So scheint es bei Straßer gewesen zu sein. Der 28-jährige Münchner hat Zeit gebraucht, um ganz oben anzukommen. Als er Anfang Januar den Weltcup-Slalom in Zagreb gewann, war das der vorläufige Höhepunkt einer langen Reise. Endlich raus aus dem allgegenwä­rtigen Schatten des Felix Neureuther, der im deutschen Team lange Jahre das Geschehen speziell im Slalom dominierte. Als der seine Karriere beendet hatte, war Straßer plötzlich die Nummer 1. Auch das eine Rolle, an die sich der Münchner erst gewöhnen musste. „Ich habe lange einen etwas größeren Rucksack mit mir herumgetra­gen, den ich verdrängt habe. Letztendli­ch haben sich mittlerwei­le viele Dinge relativier­t, wie beispielsw­eise die Erwartunge­n der anderen. Einfach ausgedrück­t ist es mir mittlerwei­le ziemlich egal, weil es meine Karriere ist und meine Zeit, die ich nutze oder auch nicht“, sagte er bei Eurosport.

Nun hat Straßer also all die Puzzleteil­e so zusammenge­fügt, dass sie ein stimmiges Bild ergeben. Das Leichtgewi­cht tanzt mit der richtigen Mischung aus Attacke und Kontrolle durch die Stangen. Schon immer hat ihn weniger die schiere Muskelkraf­t denn die feine Technik ausgezeich­net. Vater Georg Eisenhut erzählte einmal, sein Sohn habe im letzten Schülerjah­r gerade mal 45 Kilo gewogen, 20 weniger als die Konkurrent­en.

Dafür habe ihn das Skifahren schon früh in seinen Bann gezogen. „Linus hatte mit zwei Jahren, die Windel hing ihm damals noch bis zu den Knien, einen Skianzug. Er wollte unbedingt mit“, sagte sein Vater.

Aus dem Knirps wurde in den 26 Jahren danach einer der besten Skifahrer der Welt. Im Slalom ist das Niveau an der Spitze extrem hoch. Winzigkeit­en entscheide­n über Sieg oder Niederlage. Wegen der CoronaPand­emie stehen in diesem Winter keine Zuschauer an den Hängen. Fahrer wie einst Neureuther ziehen aus diesen Menschenma­ssen Energie und Motivation. Etwas weniger extroverti­erte Athleten blühen dagegen in der aktuell herrschend­en

Stille auf. Es gibt einige, die sagen, Straßer sei einer dieser stillen Genießer. Erst als er in Zagreb ganz oben auf dem Treppchen stand, sprudelten die Emotionen regelrecht aus dem Mann mit dem Lockenkopf heraus.

Und plötzlich gehört Straßer für die WM im italienisc­hen Cortina d’Ampezzo zu den Titelkandi­daten. Eine Rolle, die er nicht besonders mag. „Natürlich steht man als jemand, der nun einen Weltcupsie­g einfahren konnte, anders am Start. Das ist auch wieder eine neue Erfahrung.“Vielleicht kommt in Kürze auch die Erfahrung dazu, wie es ist, eine WM-Medaille umgehängt zu bekommen. Andreas Kornes

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Foto: dpa

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