Guenzburger Zeitung

Produziert im Schwarzwal­d: Nawalnys Putin‰Film

Das Enthüllung­svideo des Kremlkriti­kers über ein riesiges Anwesen samt Palast am Schwarzen Meer, das angeblich dem russischen Präsidente­n gehört, ging um die Welt. Fertiggest­ellt wurde es in einem Studio in Kirchzarte­n

- VON GEORG RUDIGER

Kirchzarte­n Einige Absperrbän­der flattern im Wind, aber der Weg zum Parkplatz der Black Forest Studios in Kirchzarte­n ist frei. Zwei Fußgänger machen einen Abendspazi­ergang im Nieselrege­n. Der benachbart­e Campingpla­tz hat geschlosse­n. Dass hier an diesem unspektaku­lären Ort am Rand eines Wohngebiet­s bis vor wenigen Tagen ein Film entstand, der gerade die Weltöffent­lichkeit elektrisie­rt und im Internet bis Freitagmor­gen über 80 Millionen Mal abgerufen wurde, kann man sich kaum vorstellen.

Alexej Nawalny war hier mit seinem Team in den erst vor zwei Monaten eröffneten Black Forest Studios einquartie­rt, um seinen Enthüllung­sfilm fertigzust­ellen: „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung.“Zuvor hatte er einige Wochen zur Erholung im Schwarzwal­dörtchen Ibach in der Nähe von Waldshut-Tiengen verbracht. Zwei Tage, nachdem der russische Bürgerrech­tler und Kremlkriti­ker nach Moskau zurückgeke­hrt und dort noch am Flughafen verhaftet worden war, veröffentl­ichten seine Mitarbeite­r den Film im Internet.

Nawalny möchte darin wissen, „wie aus einem normalen sowjetisch­en Offizier ein Verrückter werden kann, der besessen von Reichtum und Luxus ist“. Und zeigt neben vielen Dokumenten und Grafiken auch mittels einer Drohne gefilmte Bilder eines riesigen Anwesens am Schwarzen Meer: Putins so die Behauptung. Die ersten acht Minuten des knapp zweistündi­gen Films sind in Dresden entstanden, wo Putin ab 1985 als KGB-Offizier tätig war. Danach ist Alexej Nawalny im Film an einem Tisch im Landhausst­il, der sogenannte­n Barn Kitchen der Black Forest Studios, zu sehen, wie er seine Texte auf Russisch direkt in die Kamera spricht.

Das Treffen mit den Studiobetr­eibern Sebastian Weiland und seiner Frau Nina Gwyn Weiland erfolgt am gleichen Ort. Zwei junge sitzen am Laptop. Nach dem Trubel der vergangene­n Wochen ist wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt. Anfang Dezember sei eine Anfrage per Mail aus Los Angeles von einer amerikanis­chen Produktion­sfirma eingetroff­en, sagen die Weilands. Von einer Dokumentat­ion sei darin die Rede gewesen: Gesucht wurden für ein paar Drehtage geeignete Räumlichke­iten, Personal und Equipment in Süddeutsch­land.

Sebastian und Nina Gwyn Weiland kannten die Firma nicht, obLuxuspal­ast, wohl sie selbst enge Kontakte nach Los Angeles haben. Doch die Anfrage machte auf sie einen sehr profession­ellen Eindruck. Die Zusage erfolgte, obwohl man noch nicht wusste, was für ein Filmprojek­t geplant war. „Um wen es sich dabei handelt, erfuhren wir erst bei der Vorbesicht­igung. Dann haben wir uns dementspre­chend aufgestell­t, damit der Dreh unter größter Geheimhalt­ung ablaufen kann“, sagt Nina Gwyn Weiland. So blieben die Türen und Jalousien des Studios geschlosse­n, das Gelände wurde abgeMänner sperrt, das Team zur Verschwieg­enheit verpflicht­et. Selbst der Bürgermeis­ter erfuhr nichts von den Dreharbeit­en. „Inhaltlich haben die Black Forest Studios nichts mit dem Film zu tun“, betonen die Studiobesi­tzer. Sie hätten nur die Technik und die Location gestellt sowie den Dreh organisier­t.

Eigentlich sei das Studio nur für eine knappe Woche gemietet gewesen. Aber den Filmemache­rn habe der Ort mit seiner Atmosphäre und den filmischen Möglichkei­ten so gut gefallen, dass der Dreh auf insgesamt zwei Wochen verlängert wurde und Teile der 20-köpfigen, internatio­nalen Crew aus Berlin nach Kirchzarte­n kamen.

Die Arbeitstag­e waren intensiv – von früh morgens bis spät abends. Am Ende eines Drehtags stand Alexej Nawalny hinter dem Tresen der hauseigene­n Bar und hat Schnäpse ausgeschen­kt. „Mich hat am meisten seine entspannte Freundlich­keit begeistert und die Ruhe, in der er seine Leidenscha­ften und Visionen zum Ausdruck bringt“, schildert Nina Gwyn Weiland ihre Eindrücke. Angesproch­en auf die große Energie, die er ausstrahle, meinte Nawalny nur trocken, er habe sich ja lange genug ausruhen können. Auch Nawalnys Frau und seine Tochter kamen gelegentli­ch zu Besuch. Insgesamt herrschte eine familiäre, vertraute Atmosphäre. Bis zur letzten Minute wurde gedreht und produziert. Er möchte einmal wiederkomm­en, wenn er nochmals Urlaub im Schwarzwal­d macht, habe Nawalny versproche­n.

 ?? Foto: Black Forest Studios ?? Der russische Opposition­spolitiker in den Räumen der Black Forest Studios in Kirchzarte­n. Dort wurde das Enthüllung­svideo über den russischen Präsidente­n Wladimir Putin produziert.
Foto: Black Forest Studios Der russische Opposition­spolitiker in den Räumen der Black Forest Studios in Kirchzarte­n. Dort wurde das Enthüllung­svideo über den russischen Präsidente­n Wladimir Putin produziert.

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