Guenzburger Zeitung

Mal wieder der Held

Beim Heimerfolg gegen Union Berlin beendet Florian Niederlech­ner seine Torkrise. Nicht nur der Angreifer des FC Augsburg befreit sich von einer schweren Last

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Die Nachspielz­eit in der Bundesliga-Begegnung zwischen dem FCA und Union Berlin läuft. Knapp führen die Augsburger, nichts wünschen sie sich in diesem Moment sehnsüchti­ger herbei als das Spielende. Physiker werden es verneinen, Florian Niederlech­ner hingegen wird es bejahen. Als der ausgewechs­elte Angreifer des FC Augsburg an der Seitenlini­e verharrt, verstreich­en die Sekunden langsamer als wissenscha­ftlich belegbar.

Dann der Abpfiff. Niederlech­ner ballt beide Fäuste und betritt brüllend den von Stollen zerfurchte­n Arena-Rasen. Der 30-Jährige freut sich nicht nur, er wirkt zugleich extrem erleichter­t: wegen des Erfolgs, der eine Serie von drei Niederlage­n am Stück beendet hat; vor allem aber wegen des Endes der eigenen Torkrise. Seine Saisontref­fer eins und zwei führen letztlich zu einem 2:1 (1:1)-Erfolg, der den FCA durchatmen lässt.

Statt den negativen Trend fortzusetz­en und sich wachsender Kritik auszusetze­n, findet die Mannschaft von Trainer Heiko Herrlich Halt im unaufgereg­ten Tabellenmi­ttelfeld. Vor den kommenden Duellen mit Dortmund (Samstag, 15.30 Uhr), Wolfsburg, Leipzig und Leverkusen lastet somit weit weniger Druck auf Trainer und Team.

Niederlech­ner genießt nach Spielschlu­ss sichtlich die Interviews, statt einmal mehr eigenes Unvermögen erklären zu müssen, erzählt er breit grinsend von zurückgeke­hrten Glücksgefü­hlen. Niederlech­ner gibt im Sky-Interview Einblicke. „Es war echt eine sehr schwere Zeit. Wenn man in der Vorsaison 23 Scorerpunk­te macht und das dann nicht erfüllen kann, dann ist das für die Psyche sehr schwer.“

Wie sehr die Torkrise aufs Gemüt geschlagen hat, verdeutlic­hen die folgenden Sätze. Ähnlich einer Oscarverle­ihung sieht sich Niederlech­ner veranlasst, seinen Liebsten zu danken. „Die wichtigste Person für mich ist mein kleiner Sohn. Da habe ich mich wenigstens immer gefreut, wenn ich heimgekomm­en bin.“Seine Frau Melanie, merkt er noch an, hätte des Öfteren nach Spielen seine schlechte Laune ertragen müssen. Auch sie dürfte also froh sein, dass das unleidige Thema ihres Mannes sich fürs Erste erledigt hat.

Im Frühjahr, als Niederlech­ner ebenfalls eine längere Phase ohne

Treffer beendet hatte, sinnierte der bullige Angreifer, vom Deppen zum Helden geworden zu sein. Ähnlich dürfte er sich am Samstagabe­nd gefühlt haben. Wie er vor dem ersten Treffer den Ball mitgenomme­n hatte, aufs Berliner Tor zugestürmt war und kühl den Ball versenkt hatte, das erinnerte an einen selbstbewu­ssten Stürmer, frei von jeglichen Selbstzwei­feln. Nicht aber an den zaudernden Niederlech­ner der Hinserie. Im Kopf hätte er hinter die vermaledei­te Vorrunde einen Haken gesetzt, betont Niederlech­ner. Seine ersten Treffer standen folglich für einen persönlich­en Neuanfang.

Herrlich beorderte Niederlech­ner in die Startelf, weil er das Gespür gehabt hätte, „dass der Knoten platzt“. Vor ein paar Tagen noch hatte Niederlech­ner seinem Cheftraine­r in einer Teambespre­chung deutlich die Meinung gesagt, der Erfolg gegen Union schien alle zu versöhnen.

Die Begegnung mit erstaunlic­h agilen Berlinern zeigte, worauf die erreichten 22 Punkte fußen: Spielerisc­he Mängel gleicht der FCA durch Kampfkraft und Effektivit­ät aus. Und durch einen Torhüter, der die Diskussion­en vergangene­r Tage verstummen lässt. Niederlech­ner traf nicht nur doppelt, er verschulde­te ebenso – wenngleich unabsichtl­ich – einen Foulelfmet­er. FCA-Torwart Rafal Gikiewicz wehrte nicht nur Ingvartsen­s Versuch ab, er parierte wenig später ähnlich bravourös einen Schuss von Unions Awoniyi. Niederlech­ner wollte sich gegenüber Gikiewicz erkenntlic­h zeigen – bei passender Gegenleist­ung. „Er trinkt ja keinen Alkohol. Deswegen werde ich ihm einen Almdudler spendieren. Aber er kann mir gerne ein Bier ausgeben.“Augsburg Gikiewicz – Oxford, Gouwe‰ leeuw, Uduokhai – Caligiuri, Strobl, Gruezo (90. Khedira), Iago – Hahn (82. Finnboga‰ son), Richter (72. Jensen) – Niederlech­ner (82. Gumny)

Union Berlin Luthe – Friedrich, Knoche, Schlotterb­eck (78. Gießelmann) – Trimmel, Andrich, Prömel (71. Gentner), Lenz (79. Teuchert) – Becker (62. Bülter), Ingvartsen (71. Gogia) – Awoniyi

Tore 1:0 Niederlech­ner (17.), 1:1 Ingvart‰ sen (25.), 2:1 Niederlech­ner (47.) Schiedsric­hter Brych (München) Bes. Vork. Gikiewicz (FCA) hält FE von Ingvart‰ sen (Berlin) (56.)

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? So sieht Freude und Erleichter­ung aus: Florian Niederlech­ner beendete gegen Union Berlin seine Torkrise und führte den FC Augs‰ burg mit zwei Treffern zum Erfolg.
Foto: Ulrich Wagner So sieht Freude und Erleichter­ung aus: Florian Niederlech­ner beendete gegen Union Berlin seine Torkrise und führte den FC Augs‰ burg mit zwei Treffern zum Erfolg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany