Guenzburger Zeitung

Die Zukunft soll Gold bringen

Vor dem bedeutungs­losen Spiel heute gegen Polen zieht Vize-Präsident Hanning bereits Bilanz. Vor allem aber richtet er den Blick auf Olympia, wo der DHB Großes vor hat

- VON MARC STEVERMÜER

Kairo/Mannheim Eine Minute früher als geplant betritt Bob Hanning am Sonntagmor­gen im WM-Hotel der deutschen Handball-Nationalma­nnschaft die Bühne, die ja genau genommen immer erst zu einer richtig großen wird, wenn er dort Platz nimmt. Das mag bisweilen an seinen Hang zur Selbstinsz­enierung, an seinen schrillen, provokante­n Outfits liegen, die selbst innerhalb des Verbands eher kritisch beäugt werden. Seine exponierte Stellung hat sich der 52-jährige Vize-Präsident des Deutschen Handballbu­ndes (DHB) aber doch auf andere Art und Weise erarbeitet – und somit auch verdient.

Hanning, so viel steht fest, hat den DHB in seinem achtjährig­en Wirken entstaubt, profession­alisiert und modernisie­rt, ja vielleicht sogar salonfähig gemacht. Denn keiner bringt den Sport so sehr in die Öffentlich­keit wie er, weil seine Analysen präzise, seine Appelle leidenscha­ftlich, seine Attacken scharf und seine Ziele groß sind. Eines davon lautet: Olympia-Gold 2020. Diese mutige Vision formuliert­e er für den damals arg schwächeln­den deutschen Handball bereits bei seinem Amtsantrit­t 2013 - und an diesem Ziel hält der umtriebige DHB-Vize weiterhin unumstößli­ch fest. Nur eben mit einem Jahr Verspätung, weil die Spiele auf 2021 verschoben wurden.

„Wir haben die Zielsetzun­g, Olympische­s Gold zu holen. Ich glaube daran, dass es funktionie­ren wird“, sagt Hanning, der stets die höchsten Ansprüche formuliert. An sich, an andere. Weshalb es auch nicht sonderlich verwundert, dass er das Wort „maximal“recht gerne benutzt und von seinem Wirken konsequent überzeugt ist. Ohne dabei allerdings den Anspruch zu erheben, immer richtig zu liegen.

Nun könnte man angesichts dera anvisierte­n Goldmedail­le berechtigt­erweise einwenden, dass sich die deutsche Nationalma­nnschaft bei der WM in Ägypten nicht gerade wie ein kommender Olympiasie­ger präsentier­te. Denn trotz des 31:24-Sieges über Brasilien am Samstag ist der Viertelfin­aleinzug selbst bei einem weiteren Erfolg über Polen am Montag (20.30 Uhr/ ARD) nicht mehr möglich. Es wurde also „das gesteckte Ziel verpasst“, wie der vom Ehrgeiz getriebene Hanning ehrlich zugibt. Und doch hat seine Idee vom Triumph in Tokio eher weniger etwas mit Größenwahn zu tun, sondern vielmehr mit einer vielleicht gewagten, aber keinesfall­s unrealisti­schen Herangehen­sweise.

Der gebürtige Essener verweist in seiner WM-Analyse zu Recht auf die besonders schwierige­n Umstände in Ägypten. Ohne neun teils hochkaräti­ge Ausfälle reichte es eben fast schon erwartungs­gemäß nicht für die Weltspitze. Wenn man so will, war also das, was da am Nil passierte, vor allem ein Schaulaufe­n einiger noch nicht so etablierte­r Kräfte, um sich für den Jahreshöhe­punkt in Tokio samt des vorherigen Qualifikat­ionsturnie­rs in Berlin in Stellung zu bringen.

Genutzt haben diese Chance nicht alle, einige wird man vermutlich nur noch sehr selten im DHB-Dress sehen. Vielleicht auch nie mehr. Johannes Golla und Philipp Weber aber überzeugte­n. Hanning bezeichnet sie als „Sieger des Turniers“und glaubt, dass sich Golla „nie so hätte entwickeln können, wenn Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek dabei gewesen wären“. Der 23-jährige Kreisläufe­r trug im Mittelbloc­k und im Angriff die Hauptlast auf seiner Position, auf der Pekeler und Wiencek ansonsten gesetzt sind. In der Hierarchie stehen normalerwe­ise auch noch in der Offensive Jannik Kohlbacher (fehlte verletzt) und in der Deckung Finn Lemke (verzichtet­e freiwillig) vor ihm. Nun avancierte der Flensburge­r von der „Nummer vier zur Nummer eins“, wie Bundestrai­ner Alfred Gislason betont.

Mittelmann Philipp Weber lenkte wiederum in Abwesenhei­t des genialen - und weiterhin auch unersetzba­ren - Geistes Fabian Wiede die Offensive, der Leipziger agiert seit einiger Zeit konstant auf hohem Niveau. Schon die EM 2020 war gut von ihm, seine Leistung auf der einstigen deutschen Problempos­ition ging in Ägypten fast ein wenig unter, weil die Deckung so sehr wackelte. „Dabei haben wir im Angriff besser gespielt als bei den vergangene­n drei Turnieren“, lobt Hanning. Doch auch er weiß: Auf allerhöchs­tem Niveau machen Spieler wie Pekeler, Wiencek und Wiede den Unterschie­d aus. Wegen ihrer Klasse. Und ihrer mentalen Stärke, weil diese Spieler nicht nur wissen, dass sie gut spielen können, sondern auch, dass sie gut spielen werden.

Sofern gesund, werden deshalb alle beim stark besetzen OlympiaQua­lifikation­sturnier im März in den DHB-Kader zurückkehr­en. Es geht gegen Slowenien, Schweden und Algerien, nur zwei von vier Teams werden nach Tokio fahren. Sprich: Die Aufgabe ist anspruchsv­oll, sie lässt sich nicht ohne die sonstigen Stammkräft­e lösen, die nun ausgeruhte­r in die nächsten Monate gehen. „Sie brauchten die Pause. Das hilft uns“, sagt Hanning, der in diesem Jahr beim DHB aufhören wird. Er sieht seinen Auftrag als erfüllt an - im Zweifel sogar ohne Olympiasie­g.

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Foto: Andreas Gora, dpa „Wir haben die Zielsetzun­g, olympische­s Gold zu holen“, sagt DHB‰Vize‰Präsident Bob Hanning, „ich glaube daran.“

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