Guenzburger Zeitung

In vielen Friseursal­ons bleibt Licht an

Friseurin Martina Unglert beteiligt sich am stillen Protest der Branche und lässt freitags das Licht in ihrem geschlosse­nen Geschäft brennen. Die Lage für sie und ihre Kollegen ist prekär

- VON CHRISTOPH LOTTER

Krumbach/Landkreis Es regt sich weiter Widerstand im Lager der Friseure. Nach den lauten Demonstrat­ionen in Memmingen (wir berichtete­n) setzen Bayerns Friseure nun auf leisen Protest: „Wir lassen das Licht an“nennt sich die Aktion, mit der die Branche erneut auf ihre missliche Lage aufmerksam machen möchte. Auch im Landkreis Günzburg sind vorerst bis 14. Februar – so lange dauert der Lockdown nach aktuellem Stand – jeden Freitagabe­nd ab 8 Uhr viele geschlosse­nen Friseursal­ons 24 Stunden lang hell erleuchtet. Zum Beispiel der von Martina Unglert aus Krumbach.

Die stellvertr­etende Obermeiste­rin der Friseurinn­ung GünzburgKr­umbach hatte in ihrem Geschäft schon vergangene Woche das Licht brennen lassen – um sichtbar zu bleiben. Seit 16. Dezember muss sie ihren Salon im zweiten Lockdown geschlosse­n lassen. „Die Lage für unsere Branche ist kritisch“, sagt Unglert. Ihr Ziel: Am 15. Februar wieder öffnen zu dürfen. „Es ist wichtig, gemeinsam gegen das Coronaviru­s zu kämpfen“, betont sie. Aber sie und die vielen anderen Friseure hätte so viel investiert und ein sehr gutes und durchdacht­es Hygienekon­zept ausgearbei­tet. „Deshalb war und ist eine zweite Schließung unserer Branche nicht nachvollzi­ehbar“, lauten ihre deutlichen Worte.

Dass die Konzepte effektiv seien, zeige sich schon daran, dass bei über 80 000 Friseursal­ons in Deutschlan­d nur eine Handvoll Friseure von Corona betroffen seien. „Dies wurde wissenscha­ftlich bewiesen und von der deutschen Politik in Person von Jens Spahn verkündet“, berichtet Unglert. Bis Ende Dezember seien demnach lediglich sechs Covid19-Fälle bei Friseurbet­rieben für das vergangene Jahr gemeldet gewesen. Eine Schließung sei auch deshalb nicht nachvollzi­ehbar, so die stellvertr­etende Obermeiste­rin der Friseurinn­ung, weil ihre Branche durch jedes Raster der Hilfsprogr­amme der Regierung und Ausweichko­nzepten wie „Click & Collect“und „take away“falle. Diese sieht Unglert kritisch, denn sie seien für sie als Friseurin nicht lukrativ.

Stattdesse­n müsse sie auf ihre eigenen Rücklagen zurückgrei­fen. „Eigentlich ist dieses Geld aber für das Rentenalte­r oder größere Reparature­n und Anschaffun­gen geplant“, sagt Unglert. Das bedeute im Umkehrschl­uss neue Kredite, Finanzieru­ngen und Umschuldun­gen, sowie Stundungen von Krediten, der Miete und sonstigen Kosten und Ausgaben. Auch auf das Kurzarbeit­ergeld können viele ihrer Kollegen nicht zurückgrei­fen, dieses gelte nur für Voll- und Teilzeitkr­äfte. „Inhaber, Auszubilde­nde und Mini-Jobber fallen aus dem Raster und Letztere müssen vom Geschäftsi­nhaber und dessen privaten Rücklagen finanziert werden“, berichtet sie. Auch deshalb sei schnelle finanziell­e Unterstütz­ung für viele Betriebe überlebens­wichtig.

Aus der finanziell­en und existenzie­llen Not heraus seien schon jetzt manche Dienstleis­ter, durch die Auswirkung­en der Pandemie, den gesetzlich­en Bestimmung­en von Bund und Ländern, sowie der nicht vorhandene­n Hilfsprogr­amme, zu Schwarzarb­eit gezwungen. „Das lehnen wir grundsätzl­ich ab“, sagt die stellvertr­etende Obermeiste­rin der Friseurinn­ung, „doch leider sieht die Realität anders aus.“Auch sie selbst bekomme aktuell viele Anfragen – die lehne sie jedoch allesamt ab. „Es ist momentan einfach eine Straftat, da körpernahe Dienstleis­tungen per Verordnung der Bundesregi­erung untersagt sind“, lautet Unglerts Begründung. Zudem sieht sie das Thema generell sehr kritisch, denn Schwarzarb­eit sei auch außerhalb der Corona-Pandemie ein großes Thema: „Das zerstört Arbeitsplä­tze und Preise. Die Qualität des Handwerks geht verloren, sowie die Wertschätz­ung und das Ansehen der Friseurbra­nche.“

Unabhängig von Schwarzarb­eit und finanziell­en Nöten sei das Problem – das nicht nur ihre Branche betreffe – derzeit auch, dass keiner so recht wisse, wie es denn weiter geht. Fest steht nur: „Sobald der Zeitpunkt für eine mögliche Öffnung der Betriebe feststeht, werden wir alle natürlich schnellstm­öglich Termine mit unseren Kunden vereinbare­n“, sagt die Krumbacher­in. Doch selbst wenn das tatsächlic­h am 15. Februar wieder der Fall sein sollte, werde das nicht ganz problemlos über die Bühne gehen, macht die stellvertr­etende Obermeiste­rin der Innung deutlich: „Wir werden bereits wie im ersten Lockdown wieder im Schichtsys­tem arbeiten müssen, da ich viele Mütter beschäftig­e und unsere Branche leider nicht als systemrele­vant in der Kinderbetr­euung eingestuft ist.“Und die vielen Kunden mit Überstunde­n abzuarbeit­en sei auch keine Option: „Außer beim Inhaber sind keine längeren Arbeitszei­ten möglich, da wir ja einem strengen Arbeitssch­utz unterliege­n.“

Trotz der schwierige­n Lage will Unglert aber weiterhin positiv bleiben. „Ich will nicht jammern, wir versuchen natürlich alle, das Beste daraus zu machen“, betont sie. Die viele Zeit nutze sie beispielsw­eise für Arbeiten in ihrem Geschäft, für die normalerwe­ise keine Zeit sei. Auch mit ihren Kunden versucht sie regelmäßig in Kontakt zu bleiben, berichtet die Friseurin: „Ich bin zum Beispiel sehr aktiv in den sozialen Netzwerken und meine Kunden suchen auch den Kontakt zu mir.“Und das nicht nur auf virtuellem Wege: Erst kürzliche habe sie etwa eine von Hand geschriebe­ne Postkarte in ihrem Briefkaste­n vorgefunde­n. „Das freut mich natürlich sehr“, sagt sie.

 ?? Foto: Martina Unglert ?? „Wir lassen das Licht an“– auch im Landkreis Günzburg, wie hier in Krumbach, protestier­en viele Friseure und lassen jede Frei‰ tagnacht im Lockdown 24 Stunden lang in ihren geschlosse­nen Salons das Licht brennen.
Foto: Martina Unglert „Wir lassen das Licht an“– auch im Landkreis Günzburg, wie hier in Krumbach, protestier­en viele Friseure und lassen jede Frei‰ tagnacht im Lockdown 24 Stunden lang in ihren geschlosse­nen Salons das Licht brennen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany