Guenzburger Zeitung

Solo-Segler Boris Herrmann kommt nach Kollision als Vierter ins Ziel

Boris Herrmann wird bei einer der härtesten Regatten der Welt Vierter. Ein spanischer Fischkutte­r verhindert­e ein noch besseres Ergebnis. Das allerdings ärgert den Deutschen nur kurz. Zu den Gratulante­n gehört auch Greta Thunberg

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Les Sables‰d’Olonne Nach 80 Tagen auf den Weltmeeren ging Boris Herrmann im Hafen von Les Sablesd’Olonne von seiner stark beschädigt­en Jacht „Seaexplore­r – Yacht Club de Monaco“. Endlich konnte der 39-Jährige am Donnerstag seine Frau Birte, seine sieben Monate alte Tochter Malou und Familienhu­nd Lilli erleichter­t und erschöpft in die Arme schließen. Spätestens in diesem Moment hatte der Hamburger all die Strapazen der Vendée Globe und den Schock über die Kollision mit einem Fischtrawl­er kurz vor dem Ziel nach über 28000 Seemeilen vergessen. „Man muss 80 Tage auf die Zielankunf­t warten und darauf, dass all diese schönen Emotionen eintreten“, sagte Herrmann. „Es ist keine Vergnügung­sreise, es ist ein seltsames Verhältnis zwischen Zeit und Belohnung.“

Am Vormittag hatte er als Fünfter die Ziellinie vor dem französisc­hen Küstenort überquert, feierte mit zwei Bengalos in den Händen und wurde von Freunden und Teammitgli­edern auf Beibooten empfangen. „Es war ein wunderbare­s Gefühl da draußen auf dem Wasser, als die Boote immer dichter kamen und ich ein Gesicht nach dem anderen erkannte“, berichtete er.

Wegen einer Zeitgutsch­rift von sechs Stunden wurde Herrmann im vorläufige­n Klassement der härtesten Regatta der Welt auf dem vierten Rang geführt. Allerdings musste er bis zum Abend warten, ob Jean Le Cam ihn dank dessen Zeitgutsch­rift von 16:15 Stunden noch verdrängen würde. Doch das spielte für ihn im Hafen keine Rolle. Auch nicht mehr, dass die Hoffnungen auf einen Sieg oder einen Podiumspla­tz durch die unheilvoll­e Begegnung am Mittwochab­end mit dem spanischen Schiff „Hermanos Busto“etwa 90 Seemeilen vor dem Ziel zerschellt­en. „Ich bin wirklich glücklich über das Ergebnis, auch angesichts der Umstände. Es war eine unglaublic­he Erfahrung, eine Teamleistu­ng, eine große Reise über viele Jahre, die heute zu Ende gegangen ist“, sagte Herrmann. „Der kleine Schluckauf vom Mittwoch, der ist schon fast vergessen“, meinte er.

Das Rennen habe ihn mit Sicherheit verändert, sagte Herrmann. „Ich weiß noch nicht, auf welche Weise, aber es hat mich viel über Vertrauen gelehrt, Vertrauen in die Menschen und das Boot, Vertrauen

die Zeit – dass gute Dinge mit der Zeit kommen.“

„Herzlichen Glückwunsc­h mein toller Freund, Boris Herrmann, unter den Top 5 das härteste Rennen der Welt zu beenden! Solo nonstop um die ganze Welt. Wir könnten nicht stolzer auf dich sein! Willkommen zu Hause!“, gratuliert­e die schwedisch­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg via Twitter. „Ein wahrer Held.“Herrmann hatte Thunberg im Spätsommer 2019 auf einer Jacht über den Atlantik nach New York gesegelt. Die 18-Jährige hatte auf die Nutzung eines Flugzeugs aus Gründen des Klimaschut­zes verzichtet.

Als erster deutscher Segler hatte Herrmann am 8. November das Abenteuer Vendée Globe gewagt und sorgte gleich für Furore – bis zum Mittwochab­end. „Das war der schlimmste Albtraum“, hatte er einige Stunden nach dem Unfall gesagt. Er und die Besatzung des anderen Schiffs blieben zum Glück unverletzt. Doch statt Historisch­es zu schaffen und bei der neunten Auflage des Rennens als Erster in die Sieg-Phalanx der Franzosen einzubrech­en, musste er wegen der erhebliche­n Schäden an seiner Jacht mit reduzierte­r Geschwindi­gkeit seine Reise fortsetzen.

Als Herrmann noch auf dem Wasser war, wurde der Franzose Yannick Bestaven zum Sieger erklärt. Zwar hatte der 48 Jahre alte Skipper der „Maître Coq IV“in der Nacht 7:43 Stunden nach seinem Landsmann Charlie Dalin („Apivia“) als dritter Segler das Ziel erreicht. Doch ihm verhalf eine Zeitgutsch­rift von 10:15 Stunden auf seine Gesamtsege­lzeit zum Erfolg.

Dalin hatte am Mittwochab­end die Ziellinie gekreuzt. Der 36-Jährige beendete das Rennen über 28 267,88 Seemeilen nach 80 Tagen, sechs Stunden, 15 Minuten und 47 Sekunden.

Als Zweiter kam Louis Burton an. Herrmann, Bestaven und Le Cam erhielten die Gutschrift­en von der Wettfahrtl­eitung wegen ihrer Beteiin ligung an der Rettungsmi­ssion für den schiffbrüc­higen Kevin Escoffier in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember.

Trotz des verpassten Sieges ist Herrmann bei der Regatta zum neuen deutschen Segel-Star aufgestieg­en. Er machte seine Reise zum Medienerei­gnis. Mit seinem Kommunikat­ionstalent verstand er es, Zuschauer über verschiede­ne soziale Kanäle mit an Bord zu nehmen, sie dicht an ihn heranzulas­sen, zu begeistern und zu inspiriere­n. Zugleich nutzte Herrmann die Hatz über das Wasser für seinen Kampf gegen den Klimawande­l und für die Gesundheit der Meere.

Er ließ den Strom packender Bilder, Videos und Interviews von Bord auch in dunklen Stunden – wie beim Großsegelr­iss im Sturm vor Kap Hoorn – nie abreißen. Nur von seinem Drama in der Biskaya mit dem Fischtrawl­er gab es keine Bilder mehr. »Randbemerk­ung

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Fotos: Sebastien Salom‰Gomis, Yohan Bonnet, dpa Nach seiner Ankunft gab Boris Herrmann an, das Rennen habe ihn verändert. Zumindest seine Frau Birte hat ihn nach den 80 Tagen wiedererka­nnt. Ob allerdings die sieben Monate alte Tochter Malou in dem bärtigen Mann auch gleich ihren Vater sah, ist unbekannt.
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