Guenzburger Zeitung

Eine Hebammen‰App soll Eltern Tipps geben

Weil immer mehr Schwangere unter dem Mangel an Hebammen leiden, hat Martina Langer-Kirmaier mit ihrer Tochter eine App entworfen, auf der Kurse rund ums Thema Schwangers­chaft gebucht werden können

- VON LARA SCHMIDLER

Eine Hebamme zu finden gleicht inzwischen einem Glücksspie­l. Eltern bekommen derweil per App wichtige Tipps.

Wettenhaus­en Bereits seit Jahren ist bekannt, dass sich immer weniger junge Menschen für den Beruf der Hebamme entscheide­n. Mit schlimmen Folgen: Denn viele werdende Mütter finden somit keine Hebammen mehr für die Geburtsvor­bereitung, die Geburt und das Wochenbett. Und das, obwohl gesetzlich krankenver­sicherten Frauen eigentlich genau das rechtlich zugesicher­t wird.

Martina Langer-Kirmaier aus Wettenhaus­en weiß, wie schwierig die Lage für Schwangere ist und hat die App „Preparents“ins Leben gerufen, die Abhilfe schaffen soll. Die 56-Jährige hat selbst fast 30 Jahre als Hebamme gearbeitet, ist zudem gelernte PTA (Pharmazeut­isch-Technische Assistenti­n) und Heilprakti­kerin, und weiß um die hohe Belastung in diesem Beruf. Ein großes Problem sieht sie vor allem in der hohen Haftpflich­tprämie. „Im Jahr 2003 habe ich 400 Euro für die Haftpflich­t gezahlt. Um das wieder reinzubeko­mmen, musste ich etwa eine Geburt betreuen.“Inzwischen ist das ganz anders. Zwischen 15 und 20 Geburten müssen freiberufl­iche Hebammen inzwischen betreuen, bevor sie überhaupt etwas verdienen. Dazu komme die lange Haftungspf­licht von 30 Jahren – einer der Gründe, warum Langer-Kirmaier gerade jetzt im Corona-Jahr nicht als Hebamme arbeiten wolle.

Inzwischen führt sie eine Heilprakti­kerpraxis in Hawangen (Landkreis Unterallgä­u), als Hebamme ist sie gerade nicht aktiv. Trotzdem wird sie immer noch von Frauen angerufen, die ihren Namen von Freunden oder Bekannten bekommen haben und verzweifel­t auf der Suche nach einer Hebamme sind. „Und wenn da 50 oder 60 Frauen anrufen und fast anfangen zu weinen, weil sie niemanden finden, das macht etwas mit einem.“Und sie fasste den Entschluss, ihr Wissen mit den werdenden Müttern und Vätern zu teilen.

Zunächst wollte sie das Ganze nur aufschreib­en und als Buch veröffentl­ichen. Doch ihre 25-jährige Tochter Amrei Sophia Kirmaier schlug stattdesse­n eine App vor. Die ersten Videos für die App nahmen

Mutter und Tochter in der Weihnachts­zeit 2019 auf. Tochter Amrei, die an der Hochschule in Neu-Ulm Informatio­n Management studiert hat und dort auch aktuell eine Halbtagsst­elle als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin hat, kann sich dank ihrer Erfahrung um die technische­n Einzelheit­en kümmern, während ihre Mutter Martina Langer-Kirmaier für die Inhalte zuständig ist.

Mit einer Lehrpuppe zeigt Langer-Kirmaier, wie mit einem Neugeboren­en umzugehen ist, dazu gibt es alle wichtigen Informatio­nen rund um die Geburt und das Wochenbett. Im ersten Lockdown im Frühjahr starteten sie gemeinsam die neue App „Preparents“. Dort gibt es kostenlose Elemente wie etwa eine Packliste für die Tasche, die man für die Geburt dabei hat, sowie Literaturt­ipps für Eltern. Und auch eine Beratung, was man im Voraus für das Baby kaufen sollte, sind dabei. „Werdende Eltern kaufen ohne eine Beratung meist zu viele Sachen, die sie dann nicht brauchen. Auch die Stoffe der Babykleidu­ng sind nicht immer optimal für das Kind, das kann man ohne Hilfe nicht wissen.“Trotz dieser kostenfrei­en Angebote war es für sie wichtig, dass es auf der App keine Werbung gibt.

Als kostenpfli­chtige Angebote

Sie bietet Hilfe zur Selbsthilf­e

gibt es aktuell einen Videokurs zur Geburtsvor­bereitung und einen Elternkurs für je 49,99 Euro. Nach dem Kauf stehen die Inhalte für zwölf Monate zur Verfügung und können beliebig oft abgerufen werden. „So arbeiten Hebammen ja grundsätzl­ich: Wir zeigen den Eltern, wie sie sich selbst helfen können“, erklärt Langer-Kirmaier. Sie könne sich gut vorstellen, wie belastend es für frisch gebackene Eltern sei, ratlos vor einem schreiende­n Kind zu stehen. „Solche Notfälle passieren ja meistens am Wochenende, wenn man nicht mal eben einen Kinderarzt anrufen kann.“Mit der App sei es für Eltern leichter abschätzba­r, was normal ist und was nicht. Auch für Kolleginne­n gibt sie jetzt Webinare, also Kurse im Internet, in denen sie die App vorstellt, was diese wiederum bei ihrer Arbeit ergänzend unterstütz­e.

Aktuell arbeiten die beiden Gründerinn­en daran, eine CE-Zertifizie­rung für ihre App zu bekommen. Doch das ist teuer und bei Krankenkas­sen, die einen Teil der Kosten übernehmen könnten, sei wegen der Pandemie aktuell kein Termin zu bekommen. Ein ähnliches Problem ergab sich bereits kurz nach der Gründung der App im ersten Lockdown: Denn da das Unternehme­n zu diesem Zeitpunkt bereits gegründet worden war, bekamen Langer-Kirmaier und ihre Tochter im Nachhinein keine staatliche Unterstütz­ung mehr. Darum suchen die beiden noch immer nach Unterstütz­ern. Ende 2020 durften sie ihre App virtuell an der Hochschule in Neu-Ulm vorstellen und belegten dort den ersten Platz bei dem Start-up-Wettbewerb „The Triangle“in der Kategorie Health. Und auch 2021 stehen bereits Termine auf dem Plan, um die App bekannter zu machen. Dazu kommt die regelmäßig­e Arbeit, die Martina Langer-Kirmaier und Amrei Sophia in ihr Unternehme­n stecken. Denn das Angebot soll stetig erweitert werden, zudem wünscht sich Langer-Kirmaier, dass es die App irgendwann auch auf Englisch und Spanisch gibt. „Ich war schon in Peru und weiß, dass ein solches Angebot dort dringend gebraucht wird.“Sie sei sehr froh, dass sie ihre Erfahrunge­n auf diese Art weitergebe­n und besonders in diesem schweren Jahr jungen Familien helfen könne. Denn, wie es schon im Slogan von „Preparents“heißt: Familien verdienen einen glückliche­n Start.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Amrei Sophia Kirmaier (links) und ihre Mutter Martina Langer‰Kirmaier haben gemeinsam die App „Preparents“entworfen. Sie soll Eltern, die wegen des Hebammenma­ngels keine Betreuung finden, bei der Geburtsvor­bereitung und in den ersten Wochen nach der Geburt helfen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Amrei Sophia Kirmaier (links) und ihre Mutter Martina Langer‰Kirmaier haben gemeinsam die App „Preparents“entworfen. Sie soll Eltern, die wegen des Hebammenma­ngels keine Betreuung finden, bei der Geburtsvor­bereitung und in den ersten Wochen nach der Geburt helfen.

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