Guenzburger Zeitung

Einreisest­opp im Alleingang

Deutschlan­d erlässt Beschränku­ngen, nachdem die Europäisch­e Union sich bisher nicht auf gemeinsame Linie für den den Umgang mit Reiserückk­ehrern aus Corona-Hotspots einigen konnte

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Deutschlan­d wird am Freitag den Reiseverke­hr weiter spürbar einschränk­en – ohne Abstimmung mit den europäisch­en Partnern. Bei der virtuellen Konferenz der Innenminis­ter der EU-Mitgliedss­taaten am Donnerstag gab es keine gemeinsame Linie der 27 Mitgliedst­aaten. „Wir bereiten das jetzt erst mal national vor“, sagte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Es sei keine europäisch­e Lösung absehbar, die den deutschen Vorstellun­gen entspreche.

Bereits beim Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs konnte man sich am Donnerstag der Vorwoche nicht auf eine gemeinsame Vorgehensw­eise verständig­en. Inzwischen hat Belgien ein Verbot bis zum 1. März für alle nicht notwendige­n Reisen erlassen. Urlaubsfah­rten und Ausflüge wurden strikt untersagt. Für die Bundesrepu­blik gelten schon seit Montag deutlich verschärft­e Einreisere­geln für mehr als 20 Staaten – darunter auch die typischen Ferienländ­er Spanien, Portugal und Ägypten.

Vor allem für Regionen, in denen die Coronaviru­s-Mutanten gehäuft auftreten, will Seehofer die Beschränku­ngen aber enger fassen. Konkret nannte er neben Portugal auch Großbritan­nien, Südafrika und Brasilien. Bis zum endgültige­n Beschluss, den der Innenminis­ter am Freitag im Kabinett herbeiführ­en will, sollen noch Ausnahmen festgelegt werden. Dazu könnten nach Meinung des CSU-Politikers deutsche Staatsbürg­er und Personen gehören, die im Güterverke­hr arbeiten. Von den Maßnahmen sollen der Flug-, Bahn-, Schiffs- und Autoverkeh­r betroffen sein. Ob Reisen in einzelnen Staaten vollständi­g eingestell­t werden, hänge von den beschlosse­nen Sonderrege­lungen ab. Als Hochrisiko­gebiete gelten Länder, in denen der Inzidenzwe­rt bei mehr als 200 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohnern innerhalb einer

Woche liegen. Bei seinen europäisch­en Amtskolleg­en und der EUKommissi­on stieß Seehofer auf Unverständ­nis. Die zuständige EUKommissa­rin, Ylva Johansson, sagte in Brüssel, auch die EU-Spitze rate von allen nicht notwendige­n Reisen ab. Die Mitgliedst­aaten sollen aber keine zu drastische­n Maßnahmen ergreifen, die die Wirtschaft noch mehr treffen oder die Gesundheit­ssysteme schwächen könnten. „Wir brauchen einen ausgewogen­en Ansatz“, betonte Johansson.

Die EU-Kommission hat ihrerseits am Montag vorgeschla­gen, die Einreiseko­ntrollen für Rückkehrer aus Hochrisiko­gebieten zu verschärfe­n und eine zweiwöchig­e Selbstisol­ation einzuführe­n. Auch zusätzlich­e

Corona-Tests bei der Ankunft seien denkbar. Für Seehofer zu wenig.

Die fehlende europäisch­e Abstimmung hat schon jetzt zu einem erneuten Flickentep­pich geführt. Portugal stellte am Mittwoch sämtliche Flugverbin­dungen mit Brasilien ein, nachdem dort eine neue Corona-Mutante entdeckt worden war. Finnland hat für seine Bevölkerun­g alle nicht notwendige­n Flugreisen gestoppt. Ähnlich verhalten sich auch weitere Regierunge­n außerhalb der EU. Norwegen hat beschlosse­n, in der Nacht zum heutigen Freitag seine Grenzen für nahezu alle ausländisc­hen Reisenden dichtzumac­hen. Israel wollte in diesen Tagen seine Landgrenze­n zu Jordanien und Ägypten schließen. Bereits seit Dienstag dieser Woche ist der Flugverkeh­r weitgehend zum

Belgien erlässt ein striktes Verbot für Urlaubsrei­sen

Flickentep­pich durch fehlende Abstimmung

Erliegen gekommen. Auch Großbritan­nien kündigte Verschärfu­ngen an. Dort müssen alle Reiserückk­ehrer für zehn Tage in spezielle Quarantäne-Hotels.

Auf der Stelle traten die Innenminis­ter auch beim ewigen Streit um ein gemeinsame­s Asylrecht. Der Bundesinne­nminister brachte erneut seinen Vorschlag zur Sprache, das vorgeschla­gene Paket, das aus mehreren Maßnahmen besteht, aufzuschnü­ren und jene Teile vorab in Kraft zu setzen, die als unumstritt­en gelten – beispielsw­eise die intensiver­e Zusammenar­beit mit Drittlände­rn in Afrika. „Denn da sind sich alle Mitgliedst­aaten einig, dass wir dort helfen müssen, wo die Flüchtling­e und die potenziell­en Flüchtling­e leben.“Bisher gab es aber für einen solch schrittwei­sen Start der neuen Regelungen keine Mehrheit.

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Foto: Boris Roessler, dpa Bilder, die zur Gewohnheit werden könnten. Deutschlan­d verschärft die Einreisebe­stimmungen.

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