So wächst Missmut
Und Sie haben ja auch noch andere Aufgaben, als sich um Corona-Hilfen zu kümmern.
HögelStöckle: Ja, natürlich. Zum Beispiel die Steuererklärungen. Aber zumindest kommen uns die Finanzämter mit Fristverlängerungen entgegen, dafür hat sich unser Bundeskammerpräsident Hartmut Schwab eingesetzt, und die Finanzämter in Günzburg und Neu-Ulm sind sehr kooperativ. Meine Mitarbeiter sind am Limit, wie in vielen Kanzleien, allerdings wird darüber nicht gesprochen. Ich habe ein super Team, aber ich habe jeden Morgen Angst, dass sich jemand krankmeldet, einen Burn-out hat – oder mit Corona infiziert ist. Alle Berufsgruppen leisten hervorragende Arbeit; alle, die im Homeoffice sind und gleichzeitig den Kindern beim Homeschooling helfen. Ich jedenfalls arbeite lieber unter dem ständigen Druck, als coronabedingt nicht arbeiten zu können oder zu dürfen.
Eine Frage noch zum Schluss: Ich habe gehört, dass es Unternehmer gibt, die zuerst von den Hilfen profitiert hätten. Dann wurden die Regeln geändert, sie fielen wieder raus – und bleiben auf Steuerberaterkosten sitzen. HögelStöckle: Ja, das gab es bei der Überbrückungshilfe I. Letztendlich werden solchen Fällen aber jetzt doch im Rahmen der Schlussabrechnung 40 Prozent der Steuerberaterkosten erstattet. Alleine daran zeigt sich das ganze Chaos. Und die Antragsfristen für die Hilfen haben bestimmte Stichtage, die immer wieder nach hinten geschoben werden. Alleine deshalb ist es schwer, den Überblick zu behalten. Aber unser Berufsstand steht für seine Mandanten ein und hilft ihnen bestmöglich durch die Krise. »Kommentar
Interview: Christian Kirstges
Person Mar tina HögelStöck le, 52, ist seit 1998 Steuerberaterin und führt seither eine Kanzlei in Günzburg. Sie ist im DatevVertreter rat, Finanzamtsbe auftragte für die Finanzämter Günzburg und NeuUlm sowie Bezirksvorsitzende des Landesverbands der steuerbera tenden und wirtschaftsprüfenden Berufe.
Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass gut gemeint bisweilen mit gut gemacht nur eine geringe Schnittmenge hat, muss man sich nur an Frau Högel-Stöckle wenden. Die erfahrene Steuerberaterin spricht von Chaos, das in der Umsetzung der Corona-Hilfen herrscht. Klar wird ziemlich schnell – und viele Betroffene haben es bereits leidvoll erfahren müssen: Manches vollmundige Politiker-Versprechen wird in der anschließenden Bürokratie-Mühle so klein gemahlen, dass nur noch wenig davon übrig bleibt.
Freilich ist es keine einfache Aufgabe, die finanzielle Kompensation der Pandemie-Folgen für möglichst viele möglichst einfach und gerecht zu halten. Und die ersten Corona-Hilfen im Frühjahr nutzten nicht alle in korrekter Weise. Das aber, was im Herbst geboren wurde, entspringt den Hirnen von Verwaltungs- und Finanzjuristen ohne gut erkennbaren Praxisbezug. Die Vorgänge sind so verkompliziert, dass selbst Fachleute nur mit großer Aufmerksamkeit den Regelungen und ihren Ausnahmen folgen können. Als ob Transparenz gerade in dieser Frage nicht von entscheidender Bedeutung wäre. So aber werden nicht nur Anträge um Anträge produziert. Es wachsen auch Missmut und Frust bei den Empfängern. Und das ist verständlich.