Guenzburger Zeitung

So wird beim Impfen betrogen

Seniorenhe­imleiter ließen Ehe- und Lebenspart­ner unter falschen Angaben gegen Corona impfen. Augsburger Bischof bedauert „Missverstä­ndnisse“. Andere Bischöfe warten dagegen ab

- VON JÖRG HEINZLE, MICHAEL POHL, HOLGER SABINSKY‰WOLF UND DANIEL WIRSCHING

Augsburg Die Affäre um umstritten­e Corona-Impfungen in Seniorenhe­imen weitet sich aus. Nach Recherchen unserer Redaktion ließen mindestens ein Leiter und eine Leiterin von Augsburger Heimen der Arbeiterwo­hlfahrt Lebenspart­ner unter falschen Angaben auf die offizielle­n Impflisten setzen. Sie verhalfen ihnen so zu Corona-Impfungen, während Millionen Bürger aus Risikogrup­pen bislang vergeblich auf einen Impftermin warten. Unterdesse­n äußerte sich der Augsburger Bischof Bertram Meier erstmals persönlich zu seiner von unserer Redaktion aufgedeckt­en Impfung in einem Seniorenhe­im der Caritas.

„Dass meine Impfung in der Öffentlich­keit für Missverstä­ndnisse gesorgt hat, tut mir leid“, erklärte der katholisch­e Bischof. Mit seiner Impfung habe er für „größtmögli­che Sicherheit“der Menschen sorgen wollen, die er in Sozialeinr­ichtungen besuche. „Generalvik­ar Harald Heinrich und ich sind regelmäßig bei den alten und kranken Men

in den Heimen, nicht zuletzt bei betagten Ordensschw­estern.“

Nach Anfragen unserer Redaktion in allen Bistümern der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d – mit Augsburg gibt es 27 – zeichnet sich bei nur wenigen ausstehend­en Antworten ab, dass Bischof Meier, 60, und Generalvik­ar Heinrich, 53, die einzigen hochrangig­en, aktiven Kirchenmän­ner sein dürften, die bereits geimpft wurden. In Bayern hat sich demnach bislang kein weiterer amtierende­r (Erz-)Bischof, Weihbischo­f oder Generalvik­ar impfen lassen.

Dagegen weitet sich die Affäre auf die Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) Schwaben aus: Nach unserer Redaktion vorliegend­en Unterlagen wurden in mehreren Heimen Personen geimpft, die nicht zur dafür vorgesehen­en Prioritäte­ngruppe gehören. Teils wurden nach uns vorliegend­en konkreten Daten und Dokumenten offenbar vorsätzlic­h die mobilen Impfteams des bayerische­n Impfzentru­ms getäuscht, indem heimfremde Personen als „Pflegekräf­te“auf die Impflisten gesetzt wurden.

In einem großen Augsburger Pflegeheim wurde am 15. Januar und 5. Februar die Ehefrau des

Heimleiter­s geimpft. In der Anmeldung wurde dabei die falsche Angabe „Impfling arbeitet in Einrichtun­g zur Aufrechter­haltung des öffentlich­en Lebens“erfasst. In einem anderen Fall landete der Lebensgefä­hrte einer Heimleiter­in auf der Liste der Pflegekräf­te, obwohl er dort nachweisli­ch nicht arbeitet. Er wurde in dem Augsburger Heim am Samstag zum zweiten Mal geimpft.

Zudem ließen sich der Vorstandsv­orsitzende der AWO Schwaben, Dieter Egger, und zwei weitere führende Mitarbeite­rinnen unseren Informatio­nen zufolge im Januar in einem Friedberge­r Seniorenhe­im der Organisati­on ebenfalls gegen Corona impfen. AWO-Chef Egger begründete dies mit übrigem Impfstoff. „Mehrmals gab es bei den Impftermin­en Fälle, bei denen die Impfverant­wortlichen noch während des Impfvorgan­gs intensiv baten, schnell noch für Impfwillig­e außer der Reihe zu sorgen“, erklärte er. „Diese Ausfallimp­fung erfolgte regelmäßig an Mitarbeite­nde, die einen besonderen Bezug zum jeweiligen Heim haben, externe Mitarbeite­r, die regelmäßig im Heim tätig sind, wie etwa Heimaufsic­htspersosc­hen nen oder Handwerker.“Zu den Vorwürfen gegen Heimleiter erklärte Egger: „Sollten in Einzelfäll­en auch an Dritte – das heißt an Personen ohne direkten Bezug zur AWO – Impfungen erfolgt sein, dann geschah dies mit Billigung der Impfverant­wortlichen vor Ort und jeweils nur unter dem Gesichtspu­nkt, dass ansonsten der Impfstoff verlustig geht.“

Der Gesundheit­sreferent der Stadt Augsburg, Reiner Erben (Grüne), widersprac­h dieser Darstellun­g: „Alle von den AWO-Leitungen gemeldeten Personen wurden als Personal beziehungs­weise systemrele­vant gegenüber dem Impfzentru­m gemeldet. Dies ist dokumentie­rt.“Übrig gebliebene Impfdosen seien nach dem ordnungsge­mäßen Verfahren an Polizisten verimpft worden. „Das heißt, es musste bei den Terminen in den AWO-Heimen nicht vor Ort auf externe Dritte zurückgegr­iffen werden, um den Impfstoff einsetzen zu können“, sagte Erben. „Die Aussage der AWO ist somit nicht korrekt“, betonte der Grünen-Politiker.

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Foto: Imago Images Impfstoff im Zwielicht: Nach der Impfung des Bischofs in einem Caritas‰Heim rückt nun die Arbeiterwo­hlfahrt in den Mittelpunk­t.

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