Digitales Dilemma
Die Einführung der Software Sormas, die Kontakte von Infizierten effizienter nachverfolgen soll, läuft schleppend. Wie viele Gesundheitsämter das System nutzen und warum eine bundesweite Vernetzung wohl erst einmal scheitert
Augsburg Auch das Bundesland Bayern, das sich gerne als strebsamer Klassenprimus gibt, muss zuweilen zugeben, dass das Ziel, das man sich so ehrgeizig gesteckt hatte, nicht erreicht wurde. Eigentlich sollten bis zum 1. Februar alle Gesundheitsämter im Freistaat die Software Sormas verwenden. Seit mehr als einer Woche ist diese Frist verstrichen. Doch längst ist das Programm, das Kontakte von CoronaInfizierten effizienter nachverfolgen und die Kommunikation zwischen den Ämtern verbessern soll, nicht überall angekommen.
78 Prozent, also 59 der 76 kommunalen und staatlichen Gesundheitsämter im Freistaat, sind derzeit an Sormas angeschlossen. Im bayerischen Gesundheitsministerium ist man trotz der Verzögerung optimistisch. „Bayern ist hier auf einem guten Weg und es wurden die organisatorischen Vorkehrungen getroffen, dass zum 28. Februar alle 76 Gesundheitsämter die technischen Voraussetzungen haben, Sormas einzurichten“, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Der 28. Februar ist die neue Zielmarke. Spätestens dann soll Sormas flächendeckend eingesetzt werden – in ganz Deutschland. Das hatten Bund und Länder Mitte Januar beschlossen.
Dieses Ziel wird auf Bundesebene aber wohl nicht erreicht werden. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt das Bundesgesundheitsministerium mit, dass in Hamburg, im Saarland und in Sachsen derzeit noch kein einziges Gesundheitsamt Sormas eingerichtet hat (Stand Dienstag). In Nordrhein-Westfalen sind es gerade einmal 23 von 54 Ämtern, in Baden-Württemberg 16 von 38 und in Rheinland-Pfalz ist es gar nur eine von 24 Behörden.
Insgesamt nutzten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums derzeit nur 176 der 376 deutschen Gesundheitsämter Sormas – rund 46 Prozent. Verglichen damit steht der Freistaat, in dem mehr als drei Viertel aller Gesundheitsämter an Sormas angeschlossen sind, gut da. Besser ist die Software-Umstellung etwa in Berlin gelaufen – dort haben mittlerweile alle Gesundheitsämter das Programm.
Bereits vor zwei Wochen hatte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek gegenüber unserer Redaktion gesagt, dass der Bund endlich liefern müsse. „Wir brauchen dringend die Schnittstelle von Sormas zur Meldesoftware, damit in den Gesundheitsämtern die Arbeitsbelastung durch Doppeleingaben entfällt“, betonte Holetschek damals. Offenbar ist das Problem immer noch nicht gelöst. Das zeigt etwa die Situation in Augsburg.
„Nach wie vor steht das Programm Sormas-X (die weiterentwickelte Version, Anm. d. Red.) mit den benötigten Schnittstellen zu den Meldesystemen des Bundes und Landes noch nicht einsatzbereit zur Verfügung“, sagt Reiner Erben, der Gesundheitsreferent der Stadt. Ein verbindlicher Zeitplan, wann die entsprechenden Schnittstellen produktiv zur Verfügung gestellt und eingesetzt werden könnten, liege der Stadt nicht vor. In Augsburg wird deshalb nach wie vor ein eigenes System verwendet.
Das bayerische Gesundheitsministerium macht deutlich, dass Sormas-X nur durch diese Schnittstellen mit der Meldesoftware zu deutlichen Arbeitserleichterungen gegenüber alternativen Software-Systemen führe – und nur so sei die Umstellung des Betriebs den Gesundheitsämtern in der aktuellen Phase der Pandemie überhaupt vermittelbar. Bayerns Gesundheitsminister Holetschek habe sich deshalb nun an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt, um die Bereitstellung von Schnittstellen durch den Bund voranzubringen.
Der Deutsche Landkreistag sieht die Einführung von Sormas kritisch. Die weit überwiegende Zahl der Landkreise nutze „seit Jahren andere Programme, die sämtliche Aufgaben eines Gesundheitsamtes abbilden – nicht nur die Kontaktnachverfolgung. Darin liegt ein entscheidender Punkt, wenn man mitten in der Pandemie auf eine andere Software umsteigen möchte“, sagt der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager. Die Gesundheitsämter arbeiteten fast überall vollständig digital, mit diversen Programmen. Sormas biete viele wichtige Funktionen derzeit nicht an, etwa die Erstellung von Bescheiden, Archivierung, Wiedervorlagen sowie Schichtplanungen.
Deshalb werde das Programm auch von vielen Gesundheitsämtern als Rückschritt betrachtet, fährt Sager fort. „Denen hingegen, die bisher noch nicht derart digitalisiert sind, kann es durchaus einen Nutzen bringen. Aber das ist eben nicht die Mehrzahl.“
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