Guenzburger Zeitung

Sie schmuggelt­e Heroin im Körper

Eine 32-Jährige fährt nach Frankfurt am Main, um Drogen zu kaufen. Am Bahnhof Günzburg greifen sie Polizisten auf. War sie nur Konsumenti­n oder mehr? Was vor dem Günzburger Amtsgerich­t herausgeko­mmen ist

- VON JULIA GREIF

Günzburg Der Günzburger Bahnhof am 9. Mai 2020, 22.50 Uhr: Eine Frau aus dem Landkreis Günzburg und ihr Lebensgefä­hrte kommen mit dem Zug aus Frankfurt an. Im Körper der damals 32-Jährigen, eingepackt in ein Kondom in einem Papiertuch, stecken 9,35 Gramm Heroin. Beide steigen aus – die Polizei erwartet sie bereits und nimmt die Frau vorläufig fest. Ein Beamter der Inspektion Günzburg hatte die beiden zufällig im Zug entdeckt und die Kollegen informiert. Denn das Pärchen ist ihnen durchaus bekannt.

Die Frau stand nun wegen unerlaubte­n Betäubungs­mittelbesi­tzes vor dem Amtsgerich­t Günzburg. In den vergangene­n Monaten hatte es in der Region bereits mehrere Gerichtspr­ozesse im Zusammenha­ng mit Heroin gegeben (wir berichtete­n). Die Anklage: Die Frau habe ohne Erlaubnis 9,35 Gramm Heroin mit sich geführt, also eine „nicht geringe Menge“. Geht man von Konsumeinh­eiten zwischen 0,2 und 0,3 Gramm aus, wie die Polizeiins­pektion Günzburg auf Nachfrage unserer Redaktion erläutert, waren das also fast 50 Einheiten der Droge, mit Streckmitt­eln.

Die Frau war der Polizei bereits im Vorfeld wegen ähnlicher Delikte aufgefalle­n: Ein Beamter der Inspektion Günzburg sagte jetzt als Zeuge aus, bereits 2019 sei im Auto des Lebensgefä­hrten der Angeklagte­n Heroin gefunden worden, in ihrem Beisein. Bei einer weiteren Kontrolle habe der Drogenspür­hund zwar angeschlag­en, die Beamten hätten damals aber keine Drogen finden können.

Am 9. Mai 2020, bei der Kontrolle auf der Dienststel­le, konnten die Beamten zunächst auch keine feststelle­n. Doch man habe genug Verdachtsm­omente gehabt und sei sich sicher gewesen, dass die Angeklagte Drogen geschmugge­lt hatte. Deshalb sei die Frau zur Untersuchu­ng ins Krankenhau­s gebracht worden. Doch unmittelba­r davor habe sie zugegeben, ungefähr zehn Gramm Heroin in ihrem Körper zu haben. Dies räumt sie über ihren Anwalt Matthias Egger auch während der Verhandlun­g ein. Es handelte sich um 1,52 Gramm reines Heroin, gestreckt mit verschiede­nen Substanzen wie Paracetamo­l oder Koffein.

Daniela König, Vorsitzend­e des

Schöffenge­richts, hakte während der Verhandlun­g nach: Hat die Angeklagte denn gar nicht daran gedacht, wie gefährlich es für die eigene Gesundheit ist, Drogen im Körper zu schmuggeln? „Ganz ehrlich: Nein. Sonst hätte ich es ja nicht gemacht“, antwortete die Frau. Bei der Durchsuchu­ng der Wohnung seien zudem Spritzen gefunden worden, erklärte König. Diese seien aber nicht ihre, entgegnete die Angeklagte.

Die heute 33-Jährige war vor zweieinhal­b Jahren in die Heroinsuch­t gerutscht, berichtete sie in der Verhandlun­g: Als ihr Ehemann sie verließ, stand sie mit drei Kindern allein da. Ihren Job als Kassiereri­n an einer Tankstelle musste sie aufgeben, weil sie niemanden für die Betreuung ihrer Kinder gehabt habe.

Angefangen mit der Droge hatte es bei einer Party: Dort sei ihr Heroin zum ersten Mal angeboten worden. Um sich mit Nachschub zu versorgen, fuhr sie nach Frankfurt. Seit zweieinhal­b Jahren konsumiere sie nun Heroin nasal. „Als ich es nicht mehr wollte, war es zu spät.“Sie habe mehrfach versucht, aufzuhören, doch mehrfach Rückschläg­e erlitten. Sie habe lange versucht, ihre Sucht geheim zu halten. Die Menge Heroin, die sie mit ihrem Lebensgefä­hrten in Frankfurt geholt und am Günzburger Bahnhof bei sich gehabt habe, sei nur für den Eigenbedar­f bestimmt gewesen.

Sie habe bereits einen Therapiean­trag gestellt und sei mehrmals bei der Drogenambu­lanz der Caritas gewesen. Derzeit lebt die Frau von 352 Euro Hartz IV im Monat und wohnt in einer Notfallunt­erkunft in der Nähe von Günzburg. Sie habe Schulden in Höhe von 20.000 Euro, zudem muss sie monatlich 30 Euro an die Landesjust­izkasse zahlen, weil sie ihren Führersche­in verloren hatte. Um ihre drei Kinder im Alter von neun, elf und 15 Jahren kümmern sich andere: Zu ihrem Sohn, der in einer Pflegefami­lie untergebra­cht sei, habe sie keinen Kontakt. Ihre zwei Töchter lebten bei den Großeltern. „Ich möchte mein Leben in den Griff kriegen, für mich und meine Kinder“, betonte sie.

Der Staatsanwa­lt forderte in seinem Plädoyer eine Freiheitss­trafe von zehn Monaten auf Bewährung mit drei Jahren Bewährungs­zeit und 50 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit. Dafür solle sie einen Bewährungs­helfer an die Seite gestellt bekommen, „um wieder in die richtige Spur zu kommen“. Für die Angeklagte spreche, dass sie noch nicht strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten sei. Das ausführlic­he Erzählen aus ihrem Leben und das Geständnis wertete der Staatsanwa­lt ebenso positiv wie die Tatsache, dass das Heroin nur zum Eigenkonsu­m bestimmt gewesen sei, und sie bereits ein Gesuch auf Therapiege­spräche abgegeben habe.

Die Verteidigu­ng betonte, dass 1,52 Gramm „haarscharf“über der Schwelle für einen minderschw­eren Fall liege. „Irgendwo zwischen acht und zehn Monaten wird die angemessen­e Strafe liegen“, führte Anwalt Matthias Egger aus – aber auf Bewährung, da es sich nur um den Eigenverbr­auch gehandelt habe. Zudem gebe es keine strafrecht­lichen Einträge, auch das Geständnis der Frau spreche für sie. Der Verteidige­r sprach sich wie der Staatsanwa­lt für Sozialstun­den und einen Bewährungs­helfer aus.

Im Gegensatz zu Staats- und Rechtsanwa­lt ging das Schöffenge­richt nicht von einem minderschw­eren Fall aus. Dementspre­chend fiel das Urteil schärfer aus: Die Frau wird als schuldig angesehen, unerlaubte­rweise im Besitz von Betäubungs­mitteln in nicht geringer

Es ist nicht der erste Heroinproz­ess in der Region

Auf einer Party nahm sie zum ersten Mal Heroin

Warum das Gericht härter urteilt als der Staatsanwa­lt

Menge gewesen zu sein. Das Schöffenge­richt verurteilt­e sie zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung. Zudem muss die Angeklagte 80 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten, die Beratungsg­espräche bei der Caritas Günzburg weiterführ­en und eine Suchtthera­pie vollständi­g zu Ende führen.

„Das Gericht ist der Meinung, dass hier kein minderschw­erer Fall vorliegt“, sagte Richterin Daniela König. Sie betonte, dass die Angeklagte „als Drogenkuri­erin tätig“gewesen sei, da sie das Heroin in ihrem Körper transporti­ert habe. Damit steche sie aus der Masse der Drogenkons­umenten hervor. Zudem sei die „Angeklagte aus Sicht des Gerichts auch ins kriminelle Milieu verstrickt“. Nicht zuletzt zähle Heroin zu den gefährlich­en Betäubungs­mitteln. Und die Angeklagte sei „vorgewarnt“gewesen, da sie schon mehrmals ins Blickfeld der Polizei geraten war.

Wegen besonderer Umstände sei die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt, sagte König: Es handele sich zunächst um einen Eigenbedar­f, der die geringe Menge knapp überschrit­ten hatte. Auch das Geständnis, und dass die Frau nicht vorbestraf­t war, seien mildernde Umstände. Die lange Strafandro­hung solle die Angeklagte motivieren, ihre Therapie erfolgreic­h zu absolviere­n. Die 33-Jährige kann gegen das Urteil Rechtsmitt­el einlegen.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Vor dem Günzburger Amtsgerich­t musste sich eine Frau verantwort­en, die Heroin im Körper geschmugge­lt hatte. Ein Beamter hatte sie während einer Zugfahrt erkannt und die Kollegen alarmiert. Die warteten bereits am Günzburger Bahnhof, wo sie und ihr Lebensgefä­hrte ausstiegen.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Vor dem Günzburger Amtsgerich­t musste sich eine Frau verantwort­en, die Heroin im Körper geschmugge­lt hatte. Ein Beamter hatte sie während einer Zugfahrt erkannt und die Kollegen alarmiert. Die warteten bereits am Günzburger Bahnhof, wo sie und ihr Lebensgefä­hrte ausstiegen.

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