Brennstoffzelle made in Ulm
Viele Millionen Euro werden investiert, um mit einer Forschungsfabrik der Zukunftstechnik zum Durchbruch zu verhelfen. Tausende Arbeitsplätze sollen davon abhängen
Ulm In Sichtweite von jenem Ort, an dem Anfang kommenden Jahres eine Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen in Betrieb gehen soll, hat es 1994 angefangen: Im Daimler Forschungszentrum wurde von Professor Werner Tillmetz das „neCar 1“(New Electric Car) vorgestellt, das erste Brennstoffzellenauto. Daran erinnerte Professor Markus Hölzle, Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und WasserstoffForschung (ZSW), beim Spatenstich in Ulm für die 50-Millionen-EuroForschungsfabrik. Tillmetz wurde später Chef des ZSW in Ulm, es sei sein Verdienst, dass Ulm nun zum Zentrum der Produktionsforschung für Brennstoffzellen werde.
Die Fabrik trägt eine schwere Last: 700 Kilometer Reichweite, emissionsfrei und in weniger als drei Minuten vollgetankt – das ist die Limousine Nexo von Hyundai. Mit der zweiten Generation seiner kommerziellen Brennstoffzellenautos hat Hyundai längst die Basis-Innovation Brennstoffzellen-Antrieb auf den Weg gebracht. Korea und China haben den Weg zur Großserienproduktion eingeschlagen. Wie Hölzle betonte, dürfte Deutschland nicht bei seiner eigenen, wegbereitenden Erfindung abgehängt werden.
Noch bleibe etwas Zeit. Trotz dem Hyundai Nexo hätten auch die Asiaten keine wirklich industrialisierte Brennstoffzellenproduktion. Und gerade an der Massenproduktion soll in Ulm gearbeitet werden. Mit viel Geld: Fast 20 Millionen Euro werden in den Bau der Forschungsfabrik im ersten Schritt gesteckt, davon 15 Millionen vom Land und fünf Millionen von Partnern aus der Industrie. Weitere 30 Millionen Euro habe der Bund für konkrete Forschungsprojekte zugesagt – um aus dem Landeszentrum einen bundesweiten Hotspot für die Technologie zu formen.
Ulm sei, so Hölzle, der logische Ort für ein bundesweites Zentrum dieser Technologie. Brennstoffzellen werden neben Personenkraftwagen und Bussen auch für den Schwerlastverkehr immer interessanter. Sämtliche wichtigen Akteure seien in der Nähe. Iveco etwa plant ab 2023 die Produktion und Auslieferung derartiger BrennstoffzellenLkw in Ulm. Die langen Fahrstrecken und kurzen Tankzeiten dieser Schwerlast-Lkw ließen sich am besten mit Brennstoffzellenantrieben realisieren – und das emissionsfrei. Der ZSW-Chef schätzt, dass so allein im Autoland Baden-Württemberg 16.000 neue Jobs durch diese „urdeutsche“Technik entstehen könnten.
Um diese Technologie für den Massenmarkt tauglich zu machen, müssten die Kosten gesenkt und gleichzeitig die Produktionskapazitäten deutlich ausgeweitet werden. Seit dem Vierteljahrhundert, als die Technik in Ulm vorgestellt wurde, habe es zwar keinen Durchbruch zum Massenmarkt gegeben. Doch immerhin passe die Technik jetzt locker in den Motorraum, früher sei die Brennstoffzellentechnik quasi so groß wie das Auto gewesen.
„Das Land hat hier den Bund überholt“, sagte Ulms OB Gunter Czisch. Und das nicht, ohne einen Seitenhieb auf die Forschungsfabrik für Batterien zu setzen. Die wird ja nicht in Ulm gebaut, obwohl sich unabhängige Experten, wie berichtet, für die Donaustadt als Standort aussprachen. Eine „posttraumatische Belastungsstörung“habe Ulm zwar durch diese Ungerechtigkeit und den Wegfall der 500-MillionenEuro-Förderung erlitten. Doch jetzt zeige Ulm erneut Wege auf, wie die Forschung auf dem Eselsberg zu konkreten Arbeitsplätzen führen könne. Von einem „wichtigen Tag“sprach Czisch, weil eine Brücke von der Spitzenforschung zur Arbeitswelt gebaut werde.
Der Fokus der Fabrik liege auf der Entwicklung von serientauglichen Prozessen zur Komponentenherstellung sowie auf Fertigungsverfahren für den Stapelprozess der Zellen. Der Baubeginn am ZSW in Ulm mit einer Fläche von 3300 Quadratmetern soll beginnen, wenn der Frost nachlässt. Die Gebäude entstehen auf einem Nachbargrundstück des ZSW in der Lise-MeitnerStraße 24.