Eisenbichlers Zerstörungswut
WM-Form sieht anders aus: Wollen die deutschen Adler bei den Titelkämpfen in Oberstdorf ab dem 23. Februar um die Medaillen mitkämpfen, müssen sie sich deutlich steigern
Zakopane Das Programm hat es in diesem Winter in sich – und ausgerechnet jetzt leisten sich die deutschen Skispringer ihre erste Krise. Keiner schaffte es am Wochenende unter die ersten Zehn – mit schwachen Resultaten kehrt die Mannschaft des Deutschen Ski-Verbandes aus dem polnischen Zakopane in der Hohen Tatra zurück. Bundestrainer Stefan Horngacher sucht den Weg aus dem Leistungsloch zur Unzeit: „Wir müssen kritisch mit der Situation umgehen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als wieder bessere Sprünge zu machen“, sagte der Coach am Sonntag in der ARD nach der nächsten Niederlage. „Im Team ist alles gut, nur unsere Sprungleistungen sind nicht so, wie wir es gewohnt sind. Es geht ein bisschen schwer“, sagte Horngacher.
Er sei auf „Fehlersuche“und versuchte sich und seinen Schützlingen Mut zu machen: „Beim Skispringen kann es ganz schnell gehen. Wir dürfen keinen Stress kriegen.“Auch intensives Videostudium in der Nacht zum Sonntag zeigte keine Resultate.
Zehn Tage vor dem WM-Start im eigenen Land können die deutschen Vorzeigespringer mit der Weltspitze nicht mithalten. Der WeltcupZweite Eisenbichler kam am Sonntag nicht über Rang zwölf hinaus. Karl Geiger landete auf Platz 22 und gestand: „Jetzt bin ich gerade ein bisschen grantig.“Schon der Samstag war für das deutsche Team schwach ausgefallen. „Am liebsten würde ich irgendwas kaputtmachen gerade“, hatte der emotionale Weltmeister Eisenbichler im Auslauf geflucht. Der Tournee-Zweite Geiger bereits das zweite schwache Wochenende in Serie. Nachdem er in Klingenthal erstmals seit über zwei Jahren gar keine WeltcupPunkte geholt hatte, belegte er in Polen die Ränge 23 und 22 – deutlich zu wenig für seine hohen Ansprüche.
Der Oberstdorfer richtet den Blick nach vorne, versucht positiv zu bleiben: „Manchmal ist es so im Skispringen, es kann auch schnell wieder besser werden“, sagte Geiger, der sich gewiss wieder seine Notizen machen und daraus lernen wird. Kaum ein anderer deutscher Springer geht so analytisch an seinen Sport heran wie der Allgäuer. Er versucht die Ruhe zu bewahren, auch wenn es mal nicht wie gelieferte wünscht läuft. Liegt es vielleicht auch am Mammutprogramm? Die Athleten sind fast permanent auf Achse. 16 Weltcup-Stationen inklusive Vierschanzentournee und Skiflug-Weltmeisterschaft werden die Skispringer in den Knochen haben, bevor sie zum Saisonhöhepunkt ins Allgäu reisen – am 23. Februar beginnt die Nordische Skiweltmeisterschaft in Oberstdorf.
Eine Pause kam für Bundestrainer Stefan Horngacher nicht infrage. Seine Mannschaft soll im Rhythmus bleiben. Denn: „Wettkampf ist die höchste Form des Trainings“, sagt der gebürtige Österreicher, der mit seinen Springern bereits einige Erfolge in diesem Winter feiern konnte. Im Augenblick wirken die Adler jedoch mental müde. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Während Markus Eisenbichler schimpft, zeigt sich Karl Geiger ratlos.
Weil der polnische Ort für China einspringt, machte der SkisprungZirkus bereits zum zweiten Mal in dieser Saison in Zakopane Station. Coronabedingt mussten auch in der polnischen Wintersport-Hochburg die Ränge leer bleiben. Zahlreiche Fans ließen sich davon jedoch nicht von ihrer Leidenschaft abhalten und schauten sich den Wettkampf bei klirrender Kälte und Schneefall von außerhalb des Stadions an.