Der kleinste Karnevalszug der Welt
Wie der 86-jährige Helmut Scherer das Coronavirus narrt
Nennen wir ihn einen Visionär. Im Grunde hat er vor fast 65 Jahren ja nur sinngemäß gesagt: „Ach Gottchen, mach ich halt mein eigenes Ding.“Aber im Lichte der Pandemie hatte seine Idee schon was Prophetisches. Doch der Reihe nach.
Helmut Scherer, Jahrgang 1934, zieht 1956 nach Unna bei Dortmund. Nur einen Tag nach seiner Ankunft ruft er, beeindruckt von einem Martinsumzug am Vortag, einen Karnevalszug ins Leben. Es ist schließlich der 11. November. Nun ja, Karnevalszug – der Mann im Narrenkostüm schiebt ganz allein eine Art Bollerwagen durch die Straßen, in dem eine selbst gebastelte Puppe sitzt. Weil’s so schön ist, macht er das im Folgejahr wieder und dann wieder und wieder. Mal marschiert eine Gruppe Schüler mit, mal ein Musikverein, aber im Kern besteht der Zug nur aus Helmut Scherer und seinem Bollerwagen. Weshalb er als Vater des „kleinsten Karnevalszuges der Welt“gilt. Nun ist Scherer 86 und an Rosenmontag natürlich wieder samt Wagen unterwegs gewesen. Warum? Weil coronakonformer als seiner kann ein Karnevalszug gar nicht sein. Nur die Route hat er diesmal geändert, um Menschenaufläufe zu verhindern. Statt durchs Zentrum ging es gut eine Stunde lang kreuz und quer übers Gelände des Krankenhauses, wo er früher arbeitete.
Seine Puppe im Wagen hielt übrigens ein Schild hoch, auf dem stand: „Trotz Lockdown auf die Pauke hau’n“. Den Karnevalskollegen in Köln, Düsseldorf und Co. ist das gleichzeitig nur leidlich gelungen, wie auf Panorama zu lesen ist. Dann muss eben Comic-Star Ralf König ran, im Porträt auf Seite 2.