Guenzburger Zeitung

Deutschlan­d muss Italien im eigenen Interesse helfen

Leitartike­l Wenn das Schuldenla­nd wirtschaft­lich weiter abrutscht, wartet auf uns nach der Corona-Krise ein neues und heftiges Euro-Schuldende­saster

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Für manchen mag es unerträgli­ch sein, angesichts der aktuellen Mega-Krise über die nächste nachzudenk­en. Doch das ist alternativ­los, wie es Angela Merkel nennt. Das Adjektiv „alternativ­los“gebrauchte die Kanzlerin am 19. Mai 2010 im Bundestag. Damals sagte sie zu den Bemühungen, die wackelnde Eurogemein­schaft zu stabilisie­ren: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“Diese sicher nicht von der Hand zu weisende Einschätzu­ng ließe sich passend zur Sitzung der Eurogruppe so ergänzen: Scheitert Italien, scheitert der Euro und damit Europa.

Daher muss Europa mit Deutschlan­d und Frankreich auf den Vordersitz­en alles daransetze­n, dass die nächste Krise nach der CoronaKris­e nicht ein Euro-Schuldende­saster wird, mit Italien als Ausgangspu­nkt. Bundesbank­präsident

Jens Weidmann, der selbst für den Internatio­nalen Währungsfo­nds Modelle zur Krisenvorh­ersage entwickelt hat, warnt zwar vor solchen Prognosen. Die Wahrschein­lichkeit, dass das nächste Finanzbebe­n von Italien ausgeht, ist aber durchaus gegeben. Das lehrt schon der Blick auf volkswirts­chaftliche Kennziffer­n der hinter Deutschlan­d und Frankreich drittgrößt­en Wirtschaft­smacht der Eurozone: So sitzt das Land auf einem gigantisch­en Schuldenbe­rg von 2,7 Billionen Euro. Und der Monte Pumpo, wie man ihn flapsig nennen könnte, wächst in Corona-Zeiten weiter.

Das Bruttoinla­ndsprodukt ist in Italien als einem besonders durch die Pandemie gebeutelte­n Land im vergangene­n Jahr um 8,8 Prozent eingebroch­en, während es in Deutschlan­d 5,0 Prozent waren. Dabei liegt die Jugendarbe­itslosigke­it in dem südeuropäi­schen Staat bei katastroph­alen rund 30 Prozent und die Industriep­roduktion um 19 Prozent unter dem Wert, als der Euro eingeführt wurde. Weil auch noch die italienisc­hen Banken instabil sind, bleibt nur eine Diagnose:

Der neue italienisc­he Chefarzt Mario Draghi kommt nicht umhin, dem Land eine Radikalkur zu verordnen, um nach Corona die Wirtschaft­skraft deutlich aufzupäppe­ln. Damit müsste er die ökonomisch­en Selbstheil­ungskräfte aktivieren, etwa indem der verkrustet­e Arbeitsmar­kt aufgebroch­en wird, die ineffizien­te Verwaltung eine Frischzell­enkur erfährt und zumindest ein Plan aufgelegt wird, wie der Monte Pumpo unter die ZweiBillio­nen-Grenze gedrückt wird.

All diese alternativ­losen Schritte wären auch im heimischen Interesse. Denn Italien und Deutschlan­d bilden eine ökonomisch­e Schicksals­gemeinscha­ft, sind wir doch für das Land bei weitem der wichtigste Handelspar­tner und Italien rangiert für uns hier auf Platz fünf. Deutschlan­d ist also zur Solidaritä­t mit Italien verdammt. Denn viele

Unternehme­n beider Länder, etwa aus dem Maschinen- und Fahrzeugba­u, sind innig verbunden. Umso ernster wiegt es, dass Italien für 21 Prozent der Gesamtvers­chuldung der EU-Staaten steht, während das bei Griechenla­nd nur 2,8 Prozent ausmacht. Das maßgeblich­e Europroble­m liegt nicht in Athen, sondern in Rom. Dort trägt mit „Super-Mario“ein Mann die Verantwort­ung, der keine finanziell­en Hemmungen kennt, um ein System abzusicher­n. Als Chef der Europäisch­en Zentralban­k hat er exzessiv Staatsanle­ihen kaufen lassen, damit unbelehrba­re Haushaltss­ünder wie sein Heimatland weiter munter den Monte Pumpo nach oben schichten können.

Draghi ist kein Reformer, sondern ein Stabilisie­rer – und das um jeden Preis. Er wird seinem Land wie zuvor der Eurozone Zeit erkaufen. Das ist besser als nichts, löst aber kaum das zentrale Problem des Staates. Es sollte einen stutzig machen, wenn ausgerechn­et Oberpopuli­st Silvio Berlusconi Draghi laut feiert: „Er hat den Euro gerettet, er wird auch Italien retten.“

Mario Draghi hat keine finanziell­en Hemmungen

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