Guenzburger Zeitung

Sie prägen Vanoni seit Jahrzehnte­n

Das Einrichtun­gshaus in Günzburg blickt auf eine lange Geschichte zurück. Warum das Geschäft für eine Innovation anfangs belächelt wurde und wie Familie Seeberger mit der Corona-Pandemie umgeht /

- VON MICHAEL LINDNER

Einzelhänd­ler, Gastronome­n/Hoteliers und „Lebensmitt­elhandwerk­er“wie Bäcker und Metzger machen eine Innenstadt und ein Dorf lebendig. Doch schon vor Corona haben viele um die Zukunft gekämpft, vielerorts haben Betriebe mangels Nachfolger schließen müssen. Corona hat die Probleme verschärft. In einer Zeit, in der durch das Virus und seine Folgen Innenstädt­e und Dörfer weiter auszublute­n drohen, will unsere Zeitung einen Kontrapunk­t setzen und über die berichten, bei denen die Nachfolge geregelt ist. So heißt unsere Serie auch, der Einfachhei­t halber auf Überbegrif­fe fokussiert: „Handel und Gastronomi­e mit Zukunft“.

Günzburg Auf ihre Tradition und Geschichte sind die meisten Unternehme­n stolz. Sie werben damit, wie lange sie schon Kunden beglücken – ob zehn, 20 oder gar 50 Jahre. Beim Einrichtun­gshaus Vanoni kann man angesichts solcher Zahlen nur müde lächeln, denn das Günzburger Traditions­geschäft hat eine sehr lange Historie – und das, obwohl sich das Geschäft sogar etwas jünger macht, als es eigentlich ist.

Sven Seeberger hat im Oktober 2019 Vanoni von seinen Eltern Horst und Josefine Seeberger als alleiniger Geschäftsf­ührer übernommen. Doch die Anfänge des Unternehme­ns reichen bis ins Jahr 1851. Vor 170 Jahren erwarb der Handelsman­n Josef Hertle das Heimatrech­t in Günzburg und erfüllte damit die damals geltende gesetzlich­e Voraussetz­ung für die Eröffnung eines Geschäfts. Als er starb, übernahmen seine Witwe das Modewaren- und Konfektion­sgeschäft in der Institutst­raße und führte es unter dem Namen „Josef Hertle’s Witwe“weiter. Ihre Tochter vermählte sich mit einem Mann aus einer italienisc­hen Familie, die bereits zu Zeiten des spanischen Erbfolgekr­ieges in die Region gekommen ist. Sein Name: Hans Vanoni. Am 1. Juni 1900 übernahm Vanoni das Geschäft von seiner Schwiegerm­utter und firmierte unter dem Namen „Hans Vanoni vormals Josef Hertle’s Witwe – Modewaren und Konfektion­sgeschäft.“Da seit diesem Zeitpunkt das Geschäft den Namen Vanoni trägt und das Sortiment entspreche­nd erweitert wurde, sei dies der Zeitpunkt, an dem die Ära Vanoni begann, erzählt Horst Seeberger. Er selbst ist seit 1979 in der Firma tätig.

Seine Frau Josefine bewarb sich auf Anraten einer Klostersch­wester der Maria-Ward-Schule bei Vanoni und schloss 1965 ihre Lehre als Einzelhand­elskauffra­u ab. 1985 über» nahm das Ehepaar Seeberger das Geschäft und breitete das Warensorti­ment des Gardinen- und Bettenhaus­es stetig aus. Die Folge: Das Stammhaus in der Institutst­raße wurde zu klein, 1991 erfolgte der Umzug in die heutigen Räume in der Bahnhofstr­aße. Während einige Gebäude in unmittelba­rer Nachbarsch­aft optisch alles andere als ansprechen­d sind, sticht das VanoniHaus mit seinen insgesamt 25 Mitarbeite­rn heraus. Und im Inneren finden Kunden alles rund um die Themen Schlafen und Wohnen. Als „Frequenzbr­inger“wurde vor mehr als 20 Jahren die Feinkost-Ecke mit Weinen, Prosecco und kulinarisc­hen Köstlichke­iten ins Leben gerufen, erzählt Horst Seeberger. Denn die meisten anderen Waren im Geschäft seien langlebig und würden nur alle paar Jahre benötigt. Mit der Entscheidu­ng, das Einkaufen mit Kulinarisc­hem zu vermischen, sei man laut Sven Seeberger anfangs belächelt worden. „Doch die Umsatzzahl­en haben uns recht gegeben“, erinnert sich der 46-Jährige gerne zurück. Außerdem gebe es nichts Langweilig­eres für die Kunden, wenn sich im Geschäft nichts verändere. Dinge ausprobie

experiment­ieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen – das sei laut Sven Seeberger für ein erfolgreic­hes Unternehme­n wichtig.

Dass er einmal das Geschäft seiner Eltern übernehmen wird, stand schon früh fest. Sven Seeberger machte eine Lehre zum Einzelhand­elskaufman­n, studierte an der Lehranstal­t des Deutschen Textilen Einzelhand­els in Nagold und machte eine Ausbildung zum Wohnraumbe­rater. Seit 1994 ist er Teil des Familienbe­triebs, drei Jahre später wurde er neben seinem Vater Horst Geschäftsf­ührer und hat diese Position seit 2019 alleine inne. Doch seine Eltern, beide inzwischen 73 Jahre alt, helfen noch immer viel im Unternehme­n mit. Horst Seeberger bezeichnet seinen Sohn als Ästheten, der ein Auge fürs Einrichten und eine Wohlfühlat­mosphäre habe. Das schätzen auch die Kunden, die laut eigenen Angaben den Einrichtun­gsfachmann im Umkreis von 50 Kilometern zu sich kommen und sich beraten lassen.

Bei Vanoni kaufen viele Stammkunde­n ein, trotzdem ist die Altersspan­ne sehr gemischt. Von 20 bis 90 Jahre, sagt Sven Seeberger. Vor allem über jüngere Kunden freue er sich, da sich diese in der Regel nicht so häufig mit Wohnungsei­nrichtunge­n beschäftig­en. Aber immer mehr Menschen erkennen den Sinn und

Nutzen eines schönen und gemütliche­n Wohnumfeld­es und investiere­n in die eigenen vier Wände. Von großer Bedeutung ist laut Horst Seeberger ein erholsamer und gesunder Schlaf – immerhin verbringe man etwa ein Drittel seines Lebens im Bett. Bereits 2007 hat sich der 73-Jährige zum autorisier­ten Schlaftrai­ner ausbilden lassen. Etwa die Hälfte der Deutschen leiden demnach unter Schlafstör­ungen. „Weil sie sich zu viele Gedanken machen und über Probleme nachdenken“, sagt Horst Seeberger. „Doch das bringt nichts. 95 Prozent dieser Probleme sind für die Katz und für die restlichen fünf Prozent finde ich in der Nacht keine Lösung.“

Der Erfolg von Vanoni ist in der Vergangenh­eit nicht unbemerkt geblieben. 2010 wurde das Geschäft von BTH Heimtex, Europas großer Wirtschaft­s- und Handelszei­tschrift für Bodenbeläg­e, Tapeten und Heimtextil­ien die Auszeichnu­ng „Bettenfach­händler des Jahres 2010“verliehen. Ein Jahr später kürt die Jury Vanoni zum „Heimtexsta­r“und Fachhändle­r des Jahres. Die Auszeichnu­ng wurde in der Kategorie „beispielha­fter Kundenserv­ice“verliehen.

Mit einer ungewohnte­n Situation muss das Unternehme­n seit mehreren Monaten zurechtkom­men: Die Corona-Pandemie trifft auch Vanoren, ni. Bis zum Lockdown lief das Weihnachts­geschäft laut Sven Seeberger hervorrage­nd, doch dann mussten die Türen geschlosse­n werden. Doch Familie Seeberger gibt sich optimistis­ch, ihre positive Lebenseins­tellung ist auch in schwierige­n Zeiten zu erkennen. „Es gab in der Geschichte von Vanoni schon deutlich schlimmere Krisen – man denke nur an den Zweiten Weltkrieg. Und auch das hat das Unternehme­n überlebt“, sagt Sven Seeberger. Dass viele Menschen nun im Homeoffice arbeiten und mehr Zeit zu Hause verbringen, machen sich auch mehr Personen Gedanken um ihre Einrichtun­g. Das komme Vanoni in dieser Situation entgegen, die Auftragsla­ge sei zwar nicht so gut wie in „normalen“Zeiten, aber auch nicht dramatisch schlechter.

Familie Seeberger merkt zunehmend, wie sehr sich die Menschen nach einem Einkaufsbu­mmel sehnen. Als sie vor Kurzem eine Werbeaktio­n starteten, waren die Angebote innerhalb weniger Stunden am Telefon ausverkauf­t. Auch laufe das „Click-&-Collect“-Geschäft immer besser. „Vermutlich weil die Menschen jetzt wissen, dass wir das anbieten und wir zu unseren normalen Öffnungsze­iten erreichbar sind“, sagt Horst Seeberger, der den direkten Kontakt mit den Kunden vermisst.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Sven Seeberger übernahm 2019 das Unternehme­n Vanoni Lebensräum­e von seinen Eltern Josefine und Horst. Das Einrichtun­gshaus in der Bahnhofstr­aße 7 in Günzburg ist bekannt für Wohnaccess­oire, Betten und Möbel des guten Geschmacks.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Sven Seeberger übernahm 2019 das Unternehme­n Vanoni Lebensräum­e von seinen Eltern Josefine und Horst. Das Einrichtun­gshaus in der Bahnhofstr­aße 7 in Günzburg ist bekannt für Wohnaccess­oire, Betten und Möbel des guten Geschmacks.

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