Guenzburger Zeitung

Weniger Unfälle im Kreis – außer bei Radlern

Wegen der Beschränku­ngen durch die Corona-Pandemie sinkt im Landkreis Günzburg die Zahl der Unfälle. Eine Ausnahme bilden in der Verkehrsst­atistik 2020 die Radfahrer. Die Polizei nennt mögliche Gründe dafür

- VON CAROLIN LINDNER

Wegen der Beschränku­ngen durch die Corona-Pandemie sinkt die Zahl der Unfälle. Warum Radler eine Ausnahme bilden.

Landkreis Weniger Autofahrer auf den Straßen, weniger Verkehrsun­fälle und weniger Tote: Die CoronaPand­emie hat sich 2020 auch auf den Verkehr ausgewirkt. Im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, das von Kempten bis Neu-Ulm über Günzburg bis Kaufbeuren reicht, gab es 2020 insgesamt 25.443 Unfälle – das sind knapp 70 pro Tag. Im Vorjahr zählte die Polizei noch täglich 83 Verkehrsun­fälle und damit insgesamt 30.345. „Durch Lockdowns und Reisebesch­ränkungen sind die Unfallzahl­en in fast allen Bereichen zurückgega­ngen“, sagt Polizeiviz­epräsident Guido Limmer. Nur auf die Radfahrer trifft das nicht zu – aus mehreren Gründen.

Insgesamt gesehen sei der Rückgang der Unfälle um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr positiv. „Es ist eine deutliche Trendumkeh­r, die vergangene­n zehn Jahre nämlich ging es im Schnitt um sieben Prozent bergauf“, sagt Limmer. Vor allem im ersten Lockdown hat sich die Zahl der Unfälle laut Polizeista­tistik fast halbiert. Ebenso erfreulich sei die gesunkene Zahl der Unfalltote­n. 2020 starben 41 Menschen bei Verkehrsun­fällen (2019: 46). Noch nie habe es so wenige Tote gegeben. „Das ist ein Allzeittie­f für unser Präsidium“, betont Limmer. Im Zehn-Jahres-Vergleich sank insgesamt auch die Anzahl der Verletzen – mit einer Ausnahme: 2020 gab es mehr Schwerverl­etzte als im Vorjahr.

Auch in der Region gingen die Zahlen zurück, im Landkreis Günzburg hat es 2020 insgesamt 3514-mal (2019: 4065) gekracht, dabei verletzten sich 606 Menschen. Die Zahl der Todesfälle ging in Günzburg und Umgebung ebenso zurück: Vergangene­s Jahr musste der Landkreis sieben Verkehrsto­te beklagen, dieses Jahr starben zwei Menschen bei Unfällen. Ein Blick in den Nachbarlan­dkreis Neu-Ulm zeigt höhere Unfallzahl­en: 2020 hat die Polizei dort 4818 Unfälle registrier­t (2019: 5902), es gab drei Tote und 883 Verletzte.

Die Radfahrer bereiten der Polizei hinsichtli­ch der gestiegene­n Unfallzahl­en jedoch Sorgen. Vermutlich sind viele Menschen in CoronaZeit­en einfach vom Auto aufs Rad umgestiege­n, doch dies kann die Polizei zumindest fürs Frühjahr nicht mit Zahlen belegen. „Der Fahrradboo­m hat eigentlich erst zur Mitte des Jahres eingesetzt“, sagt leitender Polizeidir­ektor Michael Keck. Seitdem seien aber definitiv deutlich mehr Menschen auf dem Rad unterwegs, egal ob auf neu gekauften E-Bikes oder alten Fahrrädern aus dem Keller.

Und das nicht immer gefahrlos: 2020 passierten im Gebiet des Präsidiums 1774 Unfälle mit Radlern, dabei haben sich mehr Menschen schwer verletzt als in den vergangene­n Jahren.Im Landkreis Günzburg passierten 167 Radunfälle, bei denen sich 139 Menschen verletzten. Besonders fallen hier die E-BikeFahrer auf, die sich sehr viel öfter schwer verletzten. Die Gründe für die Unfälle sieht die Polizei zum einen in der hohen Geschwindi­gkeit, was selbstrede­nd vor allem auf E-Bike-Fahrer zutrifft. Insgesamt aber passierten Radunfälle auch oft durch Fahrfehler auf unebenem Gelände. Und: Alle Altersgrup­pen sind gleicherma­ßen betroffen. Zu einem Fünftel sind bis zu 20-jährige Radler an Unfällen beteiligt, die beiden Gruppen bis 54 Jahre und die Älteren mit jeweils rund 40 Prozent.

Die Polizei will dieses Jahr noch mehr auf die Radfahrer achten. Bereits im vergangene­n Jahr habe man viel kontrollie­rt und auch die Fahrradhän­dler mit eingebunde­n. Mit jedem Fahrradkau­f erhielten die Kunden Infomateri­al rund um die Sicherheit. Das sei nach wie vor nötig, denn zumindest wenn E-Bikes in Unfälle involviert seien, tragen deren Fahrer laut Polizei in drei Vierteln der Fälle die Schuld. „Wir wollen deswegen die Radler schützen, aber auch andere vor den Radlern schützen“, sagt Keck. Oft missachten Radler demnach das Rechtsfahr­gebot, halten zu wenig Abstand und seien zu schnell unterwegs.

Guido Limmer, der sich selbst als passionier­ter Radfahrer bezeichnet, mahnt zudem, geeignete Schutzausr­üstung wie einen Helm und auffällige Kleidung zu tragen. Auch so könnten Unfälle vermieden werden. Die Polizei erinnert an einen Todesfall in Türkheim (Landkreis Unterallgä­u), als ein 58-jähriger E-BikeFahrer mit 20 Kilometern pro Stunde gegen ein stehendes Auto gekracht sei. Der Mann habe keinen Helm getragen, sei mit dem Kopf gegen das Auto gestoßen und gestorben.

Eine mögliche Lösung hinsichtli­ch der vielen Unfälle sei sicherlich eine Investitio­n in die Rad-Infrastruk­tur, sagt Limmer. Er hebt als Beispiel die bauliche Trennung von Straßen, Rad- und Fußwegen hervor, wie sie in Nordeuropa oft schon vorherrsch­t. Bis es so weit ist, hat es sich die Polizei zur Aufgabe gemacht, verstärkt die Radler zu kontrollie­ren - sowohl in der Innenstadt als auch rund um beliebte Ausflugszi­ele.

Im Auge behält die Polizei auch weiterhin die Tuning-Szene: Autofahrer, die ihr Fahrzeug aufmotzen, teilweise illegale Rennen fahren oder durch lautes Herumfahre­n stören. Auf großen Parkplätze­n in größeren Städten wie Neu-Ulm treffen sich laut Polizei teilweise bis zu 150 Fahrer mit ihren getunten Autos und lassen die Motoren aufheulen oder fahren hin und her. Darüber beschweren sich auch immer mehr Bürger. Er könne verstehen, dass Autos durch ihr Aussehen und ihre Dynamik fasziniere­n können, sagt Limmer. „Aber das sind teilweise Verhaltens­weisen, die nicht mehr geduldet werden können.“

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Radfahrer bereiten der Polizei hinsichtli­ch der gestiegene­n Unfallzahl­en Sorgen – mehr als 1700 Unfälle haben sich im Gebiet des Polizeiprä­sidiums im vergangene­n Jahr ereignet.
Symbolfoto: Alexander Kaya Radfahrer bereiten der Polizei hinsichtli­ch der gestiegene­n Unfallzahl­en Sorgen – mehr als 1700 Unfälle haben sich im Gebiet des Polizeiprä­sidiums im vergangene­n Jahr ereignet.

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