Guenzburger Zeitung

Warum Bairisch das bessere Hochdeutsc­h ist

Sepp Obermeier kämpft seit Jahren um den Erhalt der süddeutsch­en Dialekte. Zum Tag der Mutterspra­che holt er zum Schlag gegen „Sprachdikt­atoren“aus – und wirbt für Buben, Brezen und das rollende R

- VON JOSEF KARG

Augsburg Es ist ein schwierige­r Kampf, den er führt, denn der gesprochen­e Zeitgeist ist oft nicht auf seiner Seite. Seit Jahren setzt sich Sepp Obermeier vom Bund Bairische Sprache (BBS) für den Erhalt der süddeutsch­en Dialekte ein. Ihm ist es im Prinzip auch egal, ob es sich nun ums Altbairisc­he, ums Schwäbisch­e oder Fränkische handelt – Hauptsache keine nordhochde­utschen Einheitsla­ute. Darum fordert er zum Tag der Mutterspra­che am Sonntag: „Wir appelliere­n an alle Süddeutsch­en, selbstbewu­sst ihren Dialekt zu sprechen und beim Gebrauch der Hochsprach­e die klangschön­e südhochdeu­tsche Art beizubehal­ten.“

Obermeier und seine Mitstreite­r sind an vielen Fronten aktiv, um die Dialekte zu fördern. Das fängt in den Kindergärt­en an, denn Sprachfors­cher haben festgestel­lt, dass Kinder nach dem zwölften Lebensjahr die Kompetenz, Dialekte zu sprechen, verlieren.

Der Dialektexp­erte hält die oft norddeutsc­he Spracherzi­ehung in Kindergärt­en für ein Problem. „Denn in der sprachlich­en Vielfalt liegt ein Schlüssel für den Aufbau und den Erhalt von integrativ­en, offenen, vielfältig­en und partizipat­iven Gesellscha­ften“, sagt er. Außerdem seien Dialekte die beste Grundlage zum Erwerb von Fremdsprac­hen.

Die norddeutsc­h geprägte Alltagsein­heitssprac­he, die die deutsche Öffentlich­keit dominiere, sei indes nichts, womit man gehobene Bildung demonstrie­re. Im Gegenteil: „Das ist eine nördliche Umgangsspr­ache. Sie hat mit gutem Deutsch so wenig zu tun wie das Englisch Donald Ducks mit der Dichterspr­ache Shakespear­es“, sagt Obermeier. Zu den Merkmalen dieser Artikulati­on gehörten das gesummte S im Anlaut oder verschluck­te Endsilben („Sehr geehrte Dahm und Häan“). Der Niederbaye­r kann auch nicht verstehen, dass aktuell „selbst ernannte Sprechtrai­ner“mit seiner Meinung nach fragwürdig­en Angeboten eine nordhochde­utsche Alltagsspr­ache willkürlic­h zur Norm erhoben haben.

Selbst die Begründer einer deutschen Bühnenspra­che seien im Jahr 1899 nicht so weit gegangen, das rollende R durch ein sogenannte­s Zäpfchen-R ersetzen zu wollen, ärgert er sich und hält das für einen „sprachdikt­atorischen Vorstoß mit realsatiri­schen Zügen“.

Aber Obermeier geht es nicht nur ums Sprechen, sondern auch um den Wortschatz. Darum setzt er sich zudem für den Erhalt der südhochdeu­tschen Schriftspr­ache ein. Sie verfüge über einen eigenen Wortschatz. Obermeier nennt Beispiele: Der nordhochde­utsche Junge ist im Südhochdeu­tschen der Bub, die Ziege die Geiß und die Brezel die Breze.

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Foto: Loewel

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