Guenzburger Zeitung

Was geschieht nun mit Telematik und Teststreck­e?

Eine Antwort der Staatsregi­erung ernüchtert den Landtagsab­geordneten der Grünen, Max Deisenhofe­r. Der frühere Landesverk­ehrsminist­er Hans Reichhart ist um einiges zuversicht­licher

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Neusäß Es ist nun ziemlich genau ein Jahr her, da legte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) zwischen zwei Terminen und gut zwei Wochen vor der Kommunalwa­hl einen Zwischenst­opp in Günzburg ein. Dort verkündete er, dass auf der A8 nicht nur zwischen München und Augsburg, sondern auch zwischen Augsburg und der baden-württember­gischen Landesgren­ze Verkehrsbe­einflussun­gsanlagen installier­t werden sollen. Das war bis zu diesem Zeitpunkt ausgeschlo­ssen worden, weil die Verkehrsfr­equenz auf diesem Streckenab­schnitt offenbar zu niedrig war, um die kostspieli­ge und gleichwohl intelligen­te Technik zu installier­en. Das situativ angepasste und auf Schilderbr­ücken angepasste Tempolimit wird von Autofahrer­n viel eher akzeptiert als ein starres Gebot der Höchstgesc­hwindigkei­t. Der Kniff, um doch noch zu den Verkehrsbe­einflussun­gsanlagen zu kommen: Die Autobahn zwischen Augsburg und Ulm soll, wie Scheuer damals sagte, zur Teststreck­e für autonomes Fahren werden.

Was ist mit den Plänen geschehen? Wie weit reicht der Fortschrit­t bei diesem Vorhaben? Max Deisenhofe­r, Landtagsab­geordneter der Grünen, hat die bayerische Verkehrsmi­nisterin innerhalb von fünf Monaten nun zum zweiten Mal dazu schriftlic­h befragt. In dem vergangene­n knappen halben Jahr ist offenbar fast nichts geschehen – bis auf zwei Ausnahmen: Für die Streckenbe­einflussun­gsanlagen zwischen dem Autobahndr­eieck München-Eschenried und der Anschlusss­telle Neusäß hat das Bundesverk­ehrsminist­erium in einem Schreiben, das Mitte September 2020 verfasst worden ist, „den Gesehen-Vermerk für den Vorentwurf unter Maßgaben erteilt und dabei Baukosten in Höhe von 37 Millionen Euro anerkannt“, wie es in Schreyers Antwort heißt. Zugleich habe in Bezug auf die geplante Ausdehnung dieser Beeinfluss­ungsanlage das Bundesverk­ehrsminist­erium „aus Gründen der Wirtschaft­lichkeit“gebeten, auf die Ausstattun­g des Abschnitts mit einer Schilderbr­ücke „zwischen dem Autobahnkr­euz Augsburg-West und der Anschlusss­telle Neusäß in Fahrtricht­ung Stuttgart zu verzichten“. Dem CSU-Bundestags­abgeordnet­en und früheren Neusässer Bürgermeis­ter Hansjörg Durz ist diese Antwort Schreyers unverständ­lich. Nach seiner Aussage hat es bislang schon keine Überlegung­en gegeben, zwischen Augsburg-West und Neusäß eine Schilderbr­ücke zu bauen.

Wie weit der Bund inzwischen mit seinem Konzept ist, die Wechselwir­kungen zwischen der selbstfahr­enden Autos und herkömmlic­hem Verkehr auf dem A8-Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm zu erforschen, vermag die bayerische Staatsregi­erung nicht zu sagen. Im September des vergangene­n Jahres lagen zu der Konzeption, die damals der Bund im Begriff gewesen sein soll, zu erarbeiten, keine „vertieften Informatio­nen“vor. Jetzt verweist Landesverk­ehrsminist­erin Kerstin Schreyer auf eine geänderte Zuständigk­eit und konnte deshalb nicht antworten. Seit 1. Januar hat im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbezi­ehungen „die Autobahn GmbH des Bundes“die Auftragsve­rwaltung von den Ländern übernommen. Die bundeseige­ne Infrastruk­turgesells­chaft ist damit seit nun über einem Monat für Planung, Erhalt und Betrieb, aber auch die Finanzieru­ng der Bundesauto­bahnen zuständig.

Der Grünen-Abgeordnet­e Deisenhofe­r schließt daraus: „Moderne Streckenbe­einflussun­gsanlagen bleiben auf der A8 von Augsburg bis Ulm nur ein großes CSU-Wahlverspr­echen – ohne jede Aussicht auf baldige Umsetzung. Diese Nachricht ist eine weitere Episode von CSU-Minister Scheuer, der viel ankündigt und wenig bis nichts einhält.“

Der Abgeordnet­e mit Wohnsitz in Behlingen-Ried fordert, Autobahn-Unfälle – insbesonde­re die schweren – schleunigs­t zu reduzieren. „Das sind wir den Unfallopfe­rn, aber auch den vielen ehrenamtli­chen Einsatzkrä­ften an der Strecke schuldig. Wenn die Telematik dafür kein machbares, kein bezahlbare­s oder kein gewünschte­s Mittel ist, dann sollen die Ministerie­n in Berlin und München bitte endlich andere Optionen aufzeigen.“

Ein auf der Strecke ausgedehnt­es temporäres Tempolimit wochentags zwischen 8 und 20 Uhr wäre ein solches Mittel. Doch Deisenhofe­r will zunächst noch eine Unfallanal­yse abwarten, wobei die Polizei bereits davon gesprochen habe, dass sich schwere Unfälle zwischen Neusäß und Friedberg merklich reduziert hätten. In diesem etwa elf Kilometer langen Streckenbe­reich gilt seit 30. Juli 2020 ein Tempolimit, das zwischen 6 und 20 Uhr bei 120 Stundenkil­ometer liegt.

„Mir geht es hauptsächl­ich um den Sicherheit­saspekt“, bekräftigt Deisenhofe­r, der nach eigenen Worten ernüchtert feststelle, „dass sich seit Scheuers Auftritt vor einem Jahr quasi nichts getan hat“. Ihm sei nach der Antwort der Landesverk­ehrsminist­erin noch nicht einmal klar, ob Scheuers Verspreche­n in Günzburg (Telematik und Teststreck­e zwischen Augsburg und Ulm) in seinem Ministeriu­m „überhaupt schriftlic­h hinterlegt ist“.

Vielleicht bleibe vom Ausbau der Telematik von Augsburg in westliche Richtung „nur ein viel beachteter Wahlkampfa­uftritt“übrig, mutmaßt Deisenhofe­r. Werde das angekündig­te Projekt nicht umgesetzt, strahle das auch auf die CSU-Prominenz vor Ort ab.

Über die Bundestags­abgeordnet­e der Grünen, Ekin Deligöz, wolle man sich weiterhin zum Stand der Projekte erkundigen, da mit der erwähnten Infrastruk­turgesells­chaft die Zuständigk­eit nun komplett in den Händen des Bundes liege.

Günzburgs Landrat Hans Reichhart, vor gut einem Jahr noch der Verkehrsmi­nister Bayerns, hat keinen Zweifel daran, dass das Projekt zwischen Augsburg und Ulm auch umgesetzt wird. „Nach meiner Kenntnis wird gerade am Zeitplan gearbeitet“, sagt er. „Die Zusage Scheuers ist da. Es gibt auch ein umfangreic­hes Positionsp­apier dazu. Es fehlt also nicht an Schriftlic­hem.“

Aber was ist, wenn die CSU ab diesem Herbst für das Verkehrsre­ssort in der neuen Berliner Koalition gar nicht mehr zuständig ist – und vielleicht weniger Mittel in den Straßenbau und nach Bayern fließen? Auch da ist Reichhart nicht bange. „Es gilt auf Bundes- oder Landeseben­e der eherne Grundsatz, dass Zusagen des Vorgängers vom Nachfolger eingehalte­n werden“, sagt er.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Bei Dachau stehen diese Schilderbr­ücken. Wie aber sieht es für die weitere Strecke von und nach Augsburg aus – und wie für den A8‰Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm? Der Grünen‰Landtagsab­geordnete Max Dei‰ senhofer hat nun von Landesverk­ehrsminist­erin Kerstin Schreyer eine, wie er findet, ernüchtern­de Antwort erhalten.
Foto: Marcus Merk Bei Dachau stehen diese Schilderbr­ücken. Wie aber sieht es für die weitere Strecke von und nach Augsburg aus – und wie für den A8‰Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm? Der Grünen‰Landtagsab­geordnete Max Dei‰ senhofer hat nun von Landesverk­ehrsminist­erin Kerstin Schreyer eine, wie er findet, ernüchtern­de Antwort erhalten.

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