Die Studenten kommen
Neuburg an der Donau entwickelt sich zur Hochschulstadt mit bayernweit einzigartigen Studiengängen. Wie es so weit kam und warum das nicht jeder in der Stadt ausnahmslos gut findet
Neuburg Die „Generation Greta“soll die Zielgruppe sein. Junge Menschen, die die Welt verändern wollen, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Klimaschutz ist das vorrangige Thema. Logisch, dass man sie mit zukunftsweisenden Studiengängen locken muss. Deswegen setzt die Technische Hochschule Ingolstadt (THI) bei ihrem Ableger im benachbarten Neuburg an der Donau ganz auf das Thema Nachhaltigkeit. Ab dem Wintersemester 2021/22 soll es losgehen auf dem neuen Campus. Am 2. Mai startet der Bewerbungsprozess.
Wenn alles nach Plan läuft, soll bis zum Jahr 2030 auf dem zentral gelegenen Lassigny-Areal eine Studentenstadt entstehen, wie man sie von amerikanischen Unis kennt: Dort wohnen und leben die Studenten auf dem Campus, es gibt eine Bibliothek, Cafés und eine Kinderkrippe. Platz ist genügend vorhanden. Mit 40000 Quadratmetern steht dem Ableger in Neuburg in etwa die Hälfte der Fläche zur Verfügung wie dem Mutterhaus in Ingolstadt mit seinen rund 6000 Studenten. In Neuburg werden es einmal 1200 sein.
Doch starten wird der Campus Neuburg in deutlich kleineren Dimensionen. Rund 80 Studierende sind für das kommende Wintersemester vorgesehen. Los geht es mit den beiden Bachelor-Studiengängen „Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement“sowie „Wirtschaftsingenieurwesen Bau“. Beide sind in Bayern einzigartig, sagt THI-Präsident Walter Schober stolz. Er hat das Projekt seit vielen Jahren mitangeschoben. Denn die Hochschule
In den nächsten Jahren soll sich die Zahl der Studenten auf rund 10 000 erhöhen.
Aber in Ingolstadt werden sie nicht alle Platz haben – auch wenn dort auf benachbarten Flächen zusätzliche 15000 Quadratmeter Nutzfläche für die THI entstehen. Und so wächst die Hochschule über Ingolstadt hinaus. Neuburg hat sich schon vor über zehn Jahren in Position gebracht. Mit der Gründung des f10-Forschungszentrums, der Einrichtung einer Stiftungsprofessur Immobilienmanagement und schließlich mit der Eröffnung der Forschungsaußenstelle Erneuerbare Energien wurden erste Schritte hin zur Hochschulstadt getan. Schließlich war es die Ankündigung der
Staatsregierung, das Asylbewerberheim auf dem ehemaligen Gelände der Lassigny-Kaserne aufzulösen, das Fahrt in das Projekt brachte.
Das erste unter Denkmalschutz stehende Gebäude wird bereits saniert. Dort, wo vor über 150 Jahren Soldaten des Königlich Bayerischen 15. Infanterie-Regiments untergebracht waren, werden schon bald die Köpfe rauchen. In dem „lebendigen Wissensquartier“sollen Studieren, Forschen, Lehren, Freizeit und Wohnen Hand in Hand gehen. Ein Teil der markanten roten Backsteingebäude wird zu Hörsälen, Seminarräumen, einer Bibliothek, Büros sowie einer kleinen Cafeteria umgebaut. In drei weiteren Häusern wird das Studentenwerk Erlangenwächst.
Nürnberg rund 200 Wohnheimplätze schaffen. Außerdem werden die Unterkunftsbaracken, die auf dem früheren Exerzierplatz stehen, abgerissen und neue Räumlichkeiten in Modularbauweise geschaffen. „Intelligentes, nachhaltiges Bauen muss sich im Campus widerspiegeln“, sagt Präsident Schober.
Sukzessive soll auf dem Campus die neue Fakultät „Nachhaltige Infrastruktur“mit den Themen „Bau, Energie und Umwelt“Struktur annehmen. Die Studiengänge „Bauingenieurwesen“und „Digitale Gebäudetechnik“folgen und werden in den darauffolgenden Jahren durch die beiden Bachelorstudiengänge „Verkehrs- und Infrastrukturtechnik“und „Umwelt- und Energie– ingenieurwesen“ergänzt. Bis 2030 werden insgesamt elf Bachelor- und Masterstudiengänge aufgebaut.
Was auf der einen Seite eine Entzerrung für den ohnehin verdichteten Raum Ingolstadt bedeutet, soll in Neuburg zu einer Startrampe für Innovationen, Ideen und Karriere werden, mit dem Ziel, gut ausgebildete Menschen langfristig an die Region zu binden.
Der Imagefilm für den neuen Campus ist längst fertig. In diesem hört man Sätze wie „Neuburg ist Zeitgeist“oder „Neuburg ist Lebensfreude“, dazu hippe Bilder von jungen Menschen, die durch die Stadt joggen oder in der Donau baden. Die Vermarktung des neuen Hochschulstandortes ist in vollem Gange. Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling sieht im Campus eine einmalige Chance: „Hochschulen verändern grundlegend den Charakter einer Stadt. Die Strukturen ändern sich. Und damit steigen die Zukunftschancen sowie die Lebensqualität.“
Doch bei aller Begeisterung für das neue, rund 140 Millionen teure Projekt gibt es auch mahnende Stimmen. Durch den Campus verliert Neuburg viele zentrumsnahe Parkmöglichkeiten und das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum in ausreichender Menge wird ebenfalls oft kritisiert. Auch wenn so manches Infrastrukturprojekt bereits angestoßen ist, wissen die Stadtoberen, dass sie noch jede Menge Hausaufgaben zu erledigen haben.
Vielleicht werden es die jungen Studenten der „Generation Greta“sein, die in diese Richtung etwas anschieben. Zukunftsorientiert, nachhaltig denkend und ein bisschen aufmüpfig.