Ein Märchen, das beim TC Augsburg begann
Doppelsieger Filip Polasek hatte 2013 seine Tenniskarriere schon beendet. Doch 2018 bekam er beim damaligen Bayernligisten wieder Lust auf mehr. Drei Jahre später feiert er als 35-Jähriger seinen ersten Grand-Slam-Titel
Augsburg Als der letzte, aus höchster Bedrängnis geschlagene Lob von Joe Salisbury ins Aus ging, entlud sich die ganze Anspannung bei Filip Polasek durch einen lauten Schrei in den australischen Himmel. Sein Doppelpartner Ivan Dodig ging auf dem hellblauen Boden der RodLaver-Arena im Melbourne Park zu Boden und bekreuzigte sich. Mit 6:3 und 6:4 hatten der 35-jährige Slowake Polasek und der 36-jährige Kroate Dodig in diesem Moment die Doppelkonkurrenz der Australian Open gewonnen.
Im Finale hatten sie den Titelverteidigern Rajeev Ram (USA) und Joe Salisbury (England) keinen einzigen Breakpoint zugestanden, sie selbst nahmen ihren Gegnern zweimal den Aufschlag ab, was genügte. Es war der erste gemeinsame Grand-Slam-Erfolg des Doppels und der erste Grand-Slam-Titel für Polasek überhaupt. Für ihn ging am Sonntag zur Frühstückszeit in Europa ein Tennis-Märchen in Erfüllung, das auf der Tennisanlage des TC Augsburg begann.
Denn eigentlich hatte Polasek seine Tenniskarriere 2013 schon beendet. Die hatte sich seit 2005 weitestgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit bei den Doppelkonkurrenzen abgespielt. Im Einzel reichte es 2007 gerade mal zu Platz 555 in der Weltrangliste. Im Doppel lief es besser, hatte er bis 2013 elf Turniere gewonnen. Doch permanente Rückenschmerzen zermürbten Polasek immer mehr und er sagte dem Tennis-Zirkus ade, wurde Tennistrainer auf der Anlage des Tennis-Club Piestany in der Nähe der Hauptstadt Bratislava.
2017 stellte dann Norbert Schürmann, der technische Vorstand der LEW Augsburg, der bis 2011 in der Slowakei gearbeitet hatte, den Kontakt zum TC Augsburg her. „Ich habe Filip gefragt, ob er nicht bei uns im Bayernliga-Männerteam spielen wolle“, erinnert sich das TCA-Mitglied Schürmann zurück.
Polasek sagte seinem langjährigen Freund zu, TCA-Sportchef Christian Lechner und Teamchef Helmut Martin überzeugten Polasek mit ihrem Konzept und 2018 kam Polasek dann für die Punkterunde nach Augsburg. An den Spielwochenenden übernachtete er im Hause Schürmann und im Spielbetrieb der viertklassigen Bayernliga bekam Polasek wieder Lust auf Leistungstennis. Obwohl er sein erstes Match mit 1:6, 1:6 verlor. „Damals hat er gesagt: So geht es nicht weiter, ich trainiere jetzt wieder“, erzählt TCA-Vorstand Jakob Schweyer. Polasek hielt Wort, er verlor keine Partie mehr. Der TCA marschierte ohne Niederlage durch die Liga. Und Polasek? Der kehrte 2019 mit seinem neuen Doppelpartner Ivan Dodig in den Tenniszirkus zurück.
Denn inzwischen hatte er mit harter Reha- und Trainingsarbeit seine Rückenprobleme in den Griff bekommen. „Durch den Aufstieg in die Regionalliga habe ich wieder richtig Freude am Tennis gefunden. Die Zeit mit den Jungs in der Bayernliga war großartig. Wir hatten eine Menge Spaß im Team“, erzählte Polasek im Juli 2019 im Gespräch mit unserer Redaktion.
Kurz zuvor war Polasek mit Dodig erst im Halbfinale in Wimbledon gescheitert. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, anschließend auch ein Regionalliga-Spiel für den TCA zu bestreiten. Danach ging für ihn die Erfolgsserie weiter. Mit dem Österreicher Philipp Oswald gewann er 2019 die Doppelkonkurrenz in Kitzbühel, mit Dodig dann noch in Cinncinati und Bejing. Der Kroate und der Slowake – ein Duett, das im Gleichklang spielt.
Natürlich ist in dem nicht ganz so im Rampenlicht stehenden DoppelWettbewerb die Konkurrenz nicht ganz so groß wie im Einzel. Doch gerade in dieser Nische hat sich ein richtiges Spezialisten-Biotop entwickelt. In der Filip Polasek jetzt noch einmal richtig aufblüht. Musste er sich 2020 mit Dodig im Halbfinale der Australian Open noch dem heimischen Doppel Max Purcell/Luke Saville 7:6, 3:6, 4:6, geschlagen geben, durften sie nun, ein Jahr später, neben dem Pokal auch den gemeinsamen Siegerscheck in Höhe von 600000 australischen Dollar (rund 381000 Euro) entgegennehmen.
Für Dodig war es der zweite Grand-Slam-Sieg. 2015 hatte er mit dem Brasilianer Marcelo Melo die French Open gewonnen. „Seit wir vor eineinhalb Jahren angefangen haben zu spielen, genießen wir es und spielen wirklich gutes Tennis“, freute sich Dodig nach dem Triumph in Melbourne. Und Polasek? Der will jetzt so schnell wie möglich nach Hause nach Bratislava, denn dort hatte seine Frau Karin am Freitag ihre zweite Tochter Olivia-Victoria zur Welt gebracht.
Beim TCA ist man derweil ganz aus dem Häuschen. Auf allen SocialMedia-Kanälen und der Homepage wird der Sieg gefeiert. Jetzt hofft man, dass man nach der coronabedingten Absage im vergangenen Jahr im Juli endlich als Aufsteiger in der 2. Tennis-Bundesliga an den Start gehen kann. Denn Filip Polasek und Ivan Dodig sind für den TCA gemeldet. „Es wäre der Wahnsinn, wenn wir wenigstens einmal mit den Grand-Slam-Siegern spielen könnten“, sagt Schweyer. Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht. Der Saisonstart ist für den 11. Juli geplant, einen Tag nach dem Doppel-Finale in Wimbledon.