Vom Ende und Neubeginn des Bierbrauens
Sie hauchen der Traubenbräu wieder Leben ein: Wie die Familie Ringler in Krumbach die Tradition schwäbischer Küche und selbst gebrauten Bieres pflegt
Einzelhändler, Gastronomen/Hoteliers und „Lebensmittelhandwerker“wie Bäcker und Metzger machen eine Innenstadt und ein Dorf lebendig. Doch schon vor Corona haben viele um die Zukunft gekämpft, vielerorts haben Betriebe mangels Nachfolger schließen müssen. Corona hat die Probleme verschärft. In einer Zeit, in der durch das Virus und seine Folgen Innenstädte und Dörfer weiter auszubluten drohen, will unsere Zeitung einen Kontrapunkt setzen und über die berichten, bei denen die Nachfolge geregelt ist. So heißt unsere Serie auch, der Einfachheit halber auf Überbegriffe fokussiert: „Handel und Gastronomie mit Zukunft“.
Krumbach „Schwarze Weiße“, für Sprachwissenschaftler ist das ein „Oxymoron“, für Bierliebhaber eine Köstlichkeit. Unter diesem Namen ließ das Traubenbräu in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts sein dunkles Weizenbier als Marke schützen. Man war stolz auf diese Bierspezialität, dennoch kam für das Traubenbräu wie für die meisten kleinen Brauereien in den 80er-Jahren das
Ende. „Wir waren die Letzten in Krumbach, die das
Brauen aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben mussten und wir wollen die Ersten sein, die wieder mit dem Brauen beginnen.“, erklärt Georg Ringler.
Sein Urgroßvater, Braumeister aus Augsburg, hatte 1909 Brauerei, Gasthaus und Landwirtschaft am Marktplatz in Krumbach erworben. 1935 bauten die Ringlers ihr „Gasthaus zur goldenen Traube“neu und verpflichteten für den Gebäudeplan, aber auch für die Inneneinrichtung den namhaften, damals in Kempten ansässigen Architekten Andor Akos. Der steinerne Winzer an der nordwestlichen Fassadenecke, der auf dem Rücken die Last des Gebäudes trägt und dem ankommenden Gast
große steinerne Traube anbietet, das ist schon etwas Besonderes und zeugt vom Selbstbewusstsein der Familie Ringler. Man habe stets die Tradition gepflegt, aber zugleich immer für die Zukunft investiert, meint Georg Ringler. Das jüngste Ergebnis dieser Haltung ist das 2017 eingerichtete „Sudhaus“. Dort, wo vormals gebraut wurde, hat Georg Ringler eine urige Bierkneipe geschaffen. Im ehemaligen Sudkessel befindet sich der Ausschank und auch sonst sorgt viel zum alten Handwerk Gehöriges für die besondere Atmosphäre im Raum. Gemütlich ist es dort, aber das hätte Georg Ringler nicht genügt. Alternativ zum Bier einer großen Münchener Traditionsbrauerei, das in der Gaststätte bevorzugt gezapft wird, hat das Sudhaus circa 30 Sorten Bier aus kleinen, regionalen Brauereien im Angebot.
Ein ganz spezielles Bier in kleinen Mengen für den Kenner zu brauen, das ist es, was Georg Ringler schätzt und was ihn auch gereizt hat. Es sei gleichsam seine Corona-Hausaufgabe gewesen, die Rezeptur seines Bieres zu optimieren, das er nach dem Ende des Lockdowns brauen und ausschenken wird. Eine Miniatursudanlage für eine Menge von 25 bis 30 Litern steht bereits im „Sudhaus“, mit ihr will Georg Ringler der Erste sein, der von den ehemaligen Brauern in der Stadt wieder aktiv wird. Übrigens baut er in einer Ecke des Biergartens drei Hopfensorten an. Dort ist im Sommer eine lauschige Laube, aber nach Möglichkeit soll sein Bier aus Krumbach künftig auch mit Hopfen aus Krumeine bach gebraut werden. Die Gastwirtschaft, die dank des innenarchitektonischen Gespürs von Andor Akos ein außergewöhnliches Flair hat, das Hotel, der Biergarten, das Sudhaus, all das bildet laut Georg Ringler eine Einheit, wo der Gast sich wohlfühlen und typisch schwäbische Gastlichkeit erfahren kann. „Schwäbisch“, das meint Georg Ringler ganz wörtlich mit Blick auf das regionale Bier, aber auch mit Betonung auf die schwäbische Küche. 1988 bekam die Küche der „Goldenen Traube“den Ehrenpreis in einem vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium ausgeschriebenen Wettbewerb zur regionalen Küche, und zwar für die „Buabaspitzla“. Bis heute wird im Hause Ringler der Tag in der Woche respektiert, an dem die Seniorchefin es sich nicht nehmen lässt, die Küche in Beschlag zu nehmen, um dort ihre Buabaspitzla herzustellen.
Das Schwäbische in der Küche will auch Max Ringler, der die fünfte Generation im Traubenbräu vertritt, im Betrieb seiner Familie pflegen und weiterentwickeln. Er lernt Koch im renommierten Restaurant „Sonnenalpe“in Balderschwang. Für Georg Ringler stiftet eine gute Wirtschaft Identität bei den Bürgern, auch weil in den Gesprächen im Gasthaus viel von dem lebendig bleibt, was das Besondere der Stadt darstellt. Dazu gehören die „alten“Geschichten, etwa die Gewohnheit von Georg Ringlers Großvater, der, wenn er Limonade auf den Tischen stehen sah, an die Gäste appellierte: „Leut’, trinkat Bier, wir sind doch hier in koiner Sprudlfabrik.“