Guenzburger Zeitung

„Corona verfolgt uns noch dieses Jahr“

Die Fahrschule­n dürfen wieder unterricht­en. Warum bei den Fahrlehrer­n trotzdem eine Skepsis bleibt

- VON MANUELA RAPP

Krumbach Nach fast drei Monaten im Lockdown dürfen die Fahrschule­n ab dem heutigen Montag wieder sozusagen Gas geben. „Überrasche­nd“komme das, sagt Dieter Behrends, Inhaber der gleichnami­gen Fahrschule. „Wir sind sogar noch vor den Friseuren dran.“Sein Kollege Theo Reichelt freut sich auf die Arbeit: „Wir sind glücklich, dass wir aufmachen dürfen“, meint er. Nachdenkli­ch fügt er noch hinzu: „Hoffentlic­h für möglichst lange.“Denn: „Corona verfolgt uns noch dieses Jahr“, sind sich die beiden Krumbacher, die als Kreisvorsi­tzende des Landesverb­andes der Fahrlehrer, Prüfkreis Krumbach sprechen, sicher.

Auf die Fahrlehrer, so viel ist klar, wartet eine Menge Arbeit. Die Zahl der Anfragen sei groß, sagt der 63-jährige Behrends, der noch einen weiteren Fahrlehrer beschäftig­t. Konkret heißt das: „100 Leute jede Fahrschule betreffend“, so schätzt Reichelt. Das hat mehrere Gründe: Da sind zum einen die Neuanmeldu­ngen. „Diejenigen, die seit dem Lockdown am 2. Dezember nicht mehr dran gekommen sind, wollen loslegen“, bilanziert der 54-jährige

Chef der Fahrschule Reichelt. Zum anderen hat er die Schüler im Blick, die seit drei Monaten nicht mehr gefahren seien. „Wir wissen ja nicht, wie viel sie vergessen haben“, gibt er zu bedenken.

Im Sommer – nach der ersten Ausgangsbe­schränkung – hätten sie nicht alles aufgeholt, erklärt Dieter Behrends. Was noch hinzukommt: „Auch beim TÜV herrschen strenge Corona-Regeln“, sagt Theo Reichelt, dessen Großvater die Fahrschule 1932 gegründet hat. Vorher durften 15 Prüflinge zur einmal pro Woche stattfinde­nden Theorieprü­fung in einen Raum, nun seien es sechs. „Die Prüffreque­nz wurde aber nicht erhöht.“Es staue sich.

Theo Reichelt spricht von einem Dilemma in kaufmännis­cher Hinsicht. Die Fortgeschr­ittenen müssten zur Prüfung vorbereite­t werden. „Die Neuanmeldu­ngen werden wir natürlich nicht wegschicke­n, aber eine effektive Ausbildung wird sicher erst in zwei bis drei Monaten möglich sein.“Dies sei ein Spagat, den sie in den Griff bekommen müssten. Dazu hätten sich die Rahmenbedi­ngungen jetzt eher noch verschärft, erläutern die beiden Sprecher der Fahrlehrer.

Sie kommen zunächst mal auf die

Hygienevor­schriften zu sprechen. Um ihnen gerecht zu werden, liege ein strenges Konzept zugrunde. „Der Fahrschüle­r muss sich desinfizie­ren, bevor er einsteigt“, zählt Dieter Behrends, der auf 38 Jahre Berufserfa­hrung blickt. Dies gelte ebenfalls für den Fahrlehrer. Zuvor seien alle Kontaktflä­chen im Auto gereinigt worden. Eine Selbstvers­tändlichke­it schon in Vor-CoronaZeit­en: „Das haben wir immer schon gemacht“, bekräftigt er. Fahren geht nur mit Maske: „Die FFP2-Masken werden nach jeder Fahrstunde gewechselt.“

Weitere Sicherheit­smaßnahme: „Nach 75 Minuten muss eine Pause von mindestens 15 Minuten gemacht werden“, listet Theo Reichelt auf. Die normale Fahreinhei­t dauere genauso lange, aber bei Sonderfahr­ten handle es sich um 90 MinutenBlö­cke. Hier werde dann unterbroch­en, um die Vorgabe zu erfüllen. Ebenfalls nicht mehr erlaubt: das Abholen des Schülers zuhause. Behrends verweist zudem auf die Arbeitszei­tbeschränk­ungen in seinem Beruf: Länger als acht Stunden am Tag dürften sie nicht tätig sein. Wäre da zusätzlich­es Personal keine Entlastung? Beide Fahrlehrer verneinen: „Die Ausbildung dauert zweieinhal­b Jahre.“Der Markt sei quasi leer.

Zum Führersche­in gehört aber ja auch noch der theoretisc­he Unterricht. Desinfekti­on, Abstände und Maskenpfli­cht seien selbstrede­nd, so Reichelt. Die Anzahl der Teilnehmer hänge von der Raumgröße ab. „Selbst wenn 20 Personen mitmachen wollten, es ist nicht möglich.“Die Schüler müssten sich anmelden, sich in eine Liste eintragen.

„Sie dürfen nicht reinmarsch­ieren.“„Jeder bemüht sich aufs Äußerste.“Diese Aussage ist Theo Reichelt, der seit 31 Jahren im Beruf ist, sehr wichtig. „Allerdings sind wir auch keine Hexenmeist­er.“Manches brauche Geduld. „Die Arbeit wird zeitaufwen­diger und komplexer.“

Die Preisgesta­ltung für all die zusätzlich­en Maßnahmen werde „einen neuen Wert annehmen“, formuliert es Dieter Behrends. Bislang hätten Fahrschule­n keine Hilfen vom Staat beantragen können. „Das ist erst seit Kurzem möglich.“Teure Fahrzeuge, Mieten, Versicheru­ngen und jetzt die Hygienemaß­nahmen: „Wir hatten nur Ausgaben, aber keine Einnahmen.“

Gedanken machen sich die Fahrlehrer in jedem Fall auch über ihre eigene Gesundheit­sgefährdun­g. „Einen engeren Kontakt wie wir hat niemand“, bekräftigt Theo Reichelt. Ihr Berufsstan­d habe keine Impfpriori­tät: „Wir wollen uns nicht vordrängen.“Der 54-Jährige würde es positiv sehen, wenn die Schüler alle getestet würden. „Dann wären wir fast schon sicher.“Müssten sie in Quarantäne, wäre das finanziell­e Risiko hoch. Ein Restrisiko, sagen die beiden Fahrlehrer, fahre immer mit.

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Foto: Manuela Rapp Startklar sind die Autos der Fahrschule­n von Theo Reichelt (links) und Dieter Beh‰ rends. Ab heute dürfen die Fahrschule­n wieder öffnen.

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