„Corona verfolgt uns noch dieses Jahr“
Die Fahrschulen dürfen wieder unterrichten. Warum bei den Fahrlehrern trotzdem eine Skepsis bleibt
Krumbach Nach fast drei Monaten im Lockdown dürfen die Fahrschulen ab dem heutigen Montag wieder sozusagen Gas geben. „Überraschend“komme das, sagt Dieter Behrends, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule. „Wir sind sogar noch vor den Friseuren dran.“Sein Kollege Theo Reichelt freut sich auf die Arbeit: „Wir sind glücklich, dass wir aufmachen dürfen“, meint er. Nachdenklich fügt er noch hinzu: „Hoffentlich für möglichst lange.“Denn: „Corona verfolgt uns noch dieses Jahr“, sind sich die beiden Krumbacher, die als Kreisvorsitzende des Landesverbandes der Fahrlehrer, Prüfkreis Krumbach sprechen, sicher.
Auf die Fahrlehrer, so viel ist klar, wartet eine Menge Arbeit. Die Zahl der Anfragen sei groß, sagt der 63-jährige Behrends, der noch einen weiteren Fahrlehrer beschäftigt. Konkret heißt das: „100 Leute jede Fahrschule betreffend“, so schätzt Reichelt. Das hat mehrere Gründe: Da sind zum einen die Neuanmeldungen. „Diejenigen, die seit dem Lockdown am 2. Dezember nicht mehr dran gekommen sind, wollen loslegen“, bilanziert der 54-jährige
Chef der Fahrschule Reichelt. Zum anderen hat er die Schüler im Blick, die seit drei Monaten nicht mehr gefahren seien. „Wir wissen ja nicht, wie viel sie vergessen haben“, gibt er zu bedenken.
Im Sommer – nach der ersten Ausgangsbeschränkung – hätten sie nicht alles aufgeholt, erklärt Dieter Behrends. Was noch hinzukommt: „Auch beim TÜV herrschen strenge Corona-Regeln“, sagt Theo Reichelt, dessen Großvater die Fahrschule 1932 gegründet hat. Vorher durften 15 Prüflinge zur einmal pro Woche stattfindenden Theorieprüfung in einen Raum, nun seien es sechs. „Die Prüffrequenz wurde aber nicht erhöht.“Es staue sich.
Theo Reichelt spricht von einem Dilemma in kaufmännischer Hinsicht. Die Fortgeschrittenen müssten zur Prüfung vorbereitet werden. „Die Neuanmeldungen werden wir natürlich nicht wegschicken, aber eine effektive Ausbildung wird sicher erst in zwei bis drei Monaten möglich sein.“Dies sei ein Spagat, den sie in den Griff bekommen müssten. Dazu hätten sich die Rahmenbedingungen jetzt eher noch verschärft, erläutern die beiden Sprecher der Fahrlehrer.
Sie kommen zunächst mal auf die
Hygienevorschriften zu sprechen. Um ihnen gerecht zu werden, liege ein strenges Konzept zugrunde. „Der Fahrschüler muss sich desinfizieren, bevor er einsteigt“, zählt Dieter Behrends, der auf 38 Jahre Berufserfahrung blickt. Dies gelte ebenfalls für den Fahrlehrer. Zuvor seien alle Kontaktflächen im Auto gereinigt worden. Eine Selbstverständlichkeit schon in Vor-CoronaZeiten: „Das haben wir immer schon gemacht“, bekräftigt er. Fahren geht nur mit Maske: „Die FFP2-Masken werden nach jeder Fahrstunde gewechselt.“
Weitere Sicherheitsmaßnahme: „Nach 75 Minuten muss eine Pause von mindestens 15 Minuten gemacht werden“, listet Theo Reichelt auf. Die normale Fahreinheit dauere genauso lange, aber bei Sonderfahrten handle es sich um 90 MinutenBlöcke. Hier werde dann unterbrochen, um die Vorgabe zu erfüllen. Ebenfalls nicht mehr erlaubt: das Abholen des Schülers zuhause. Behrends verweist zudem auf die Arbeitszeitbeschränkungen in seinem Beruf: Länger als acht Stunden am Tag dürften sie nicht tätig sein. Wäre da zusätzliches Personal keine Entlastung? Beide Fahrlehrer verneinen: „Die Ausbildung dauert zweieinhalb Jahre.“Der Markt sei quasi leer.
Zum Führerschein gehört aber ja auch noch der theoretische Unterricht. Desinfektion, Abstände und Maskenpflicht seien selbstredend, so Reichelt. Die Anzahl der Teilnehmer hänge von der Raumgröße ab. „Selbst wenn 20 Personen mitmachen wollten, es ist nicht möglich.“Die Schüler müssten sich anmelden, sich in eine Liste eintragen.
„Sie dürfen nicht reinmarschieren.“„Jeder bemüht sich aufs Äußerste.“Diese Aussage ist Theo Reichelt, der seit 31 Jahren im Beruf ist, sehr wichtig. „Allerdings sind wir auch keine Hexenmeister.“Manches brauche Geduld. „Die Arbeit wird zeitaufwendiger und komplexer.“
Die Preisgestaltung für all die zusätzlichen Maßnahmen werde „einen neuen Wert annehmen“, formuliert es Dieter Behrends. Bislang hätten Fahrschulen keine Hilfen vom Staat beantragen können. „Das ist erst seit Kurzem möglich.“Teure Fahrzeuge, Mieten, Versicherungen und jetzt die Hygienemaßnahmen: „Wir hatten nur Ausgaben, aber keine Einnahmen.“
Gedanken machen sich die Fahrlehrer in jedem Fall auch über ihre eigene Gesundheitsgefährdung. „Einen engeren Kontakt wie wir hat niemand“, bekräftigt Theo Reichelt. Ihr Berufsstand habe keine Impfpriorität: „Wir wollen uns nicht vordrängen.“Der 54-Jährige würde es positiv sehen, wenn die Schüler alle getestet würden. „Dann wären wir fast schon sicher.“Müssten sie in Quarantäne, wäre das finanzielle Risiko hoch. Ein Restrisiko, sagen die beiden Fahrlehrer, fahre immer mit.