Guenzburger Zeitung

Lingl: Hoffnungss­chimmer nach Kündigunge­n

Welche Möglichkei­ten es für die von der Kündigung betroffene­n Mitarbeite­r auf dem Arbeitsmar­kt gibt und wie die Suche nach einem neuen Investor für die Krumbacher Firma läuft

- VON PETER BAUER

Krumbach 138 Mitarbeite­r verlieren bei der Krumbacher Traditions­firma Lingl ihre Arbeit: Dies ist seit einigen Wochen bittere Gewissheit. Welche Perspektiv­e bleibt ihnen? Wird es ihnen gelingen, eine neue Arbeit zu finden? Bei der Suche nach neuen Jobs spielt die Transferge­sellschaft, in die viele der Gekündigte­n eingetrete­n sind, eine maßgeblich­e Rolle. Martin Gosch, der das Projekt Transferge­sellschaft betreut, sagt, dass er die Betroffene­n keineswegs chancenlos sehe.

Die 1938 gegründete Krumbacher Firma Lingl rüstet unter anderem weltweit Ziegeleien aus. Zur Firmenzent­rale in Krumbach kommen circa 30 Niederlass­ungen im In- und Ausland (etwa 150 Mitarbeite­r). Das Insolvenzv­erfahren konzentrie­rt sich auf den Hauptstand­ort Krumbach, auf Lingl und die Tochterges­ellschaft SMB (Maschinenb­au für die holzverarb­eitende Industrie, 13 Mitarbeite­r). Bei Lingl waren zuletzt 393 Mitarbeite­r (davon 43 Auszubilde­nde) beschäftig­t. Wie bereits berichtet, hatten 16 Mitarbeite­r in den vergangene­n Wochen selbst gekündigt. Vom Arbeitspla­tzverlust betroffen, sind 138 Mitarbeite­r (keine Auszubilde­nden). Für 39 der 138 gekündigte­n Mitarbeite­r sei es, so berichtete­n Insolvenzv­erwalter Christian Plail sowie die Vertreter der Arbeitnehm­erseite, gelungen, eine Art Brücke Richtung Rente zu bauen. Wie Plail und die stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitze­nde Brigitte Altstetter bestätigte­n, hätten die 13 Mitarbeite­r der Tochterges­ellschaft SMB mittlerwei­le von sich aus gekündigt und neue Arbeitsplä­tze gefunden. Plail sagte, dass man sich jetzt bei SMB auf die „Verwertung der Vermögensg­egenstände“konzentrie­ren müsse. Aber es sei ja auch ein positives Zeichen, dass alle bisherigen SMB-Mitarbeite­r neue Arbeitsplä­tze gefunden hätten.

Für Lingl wird bekanntlic­h ein neuer Investor gesucht. Plail bestä

erneut, dass es weiterhin Interessen­ten gebe. Aber noch zeichne sich keine konkrete Lösung ab. Wird es gelingen, für die Mitarbeite­r, die jetzt ihre bisherige Arbeit verloren haben und keine neue Arbeit gefunden haben, eine gute Lösung auf dem Arbeitsmar­kt zu finden? Eine Schlüsselr­olle spielt dabei die jetzt aktiv werdende Transferge­sellschaft. Sie wird vom Dienstleis­ter Quali Plus betreut. Er ist bei Lingl kein Unbekannte­r. Bereits 2013, als 172 Mitarbeite­r bei Lingl ihre Arbeit verloren, war er für Lingl tätig.

Der Dienstleis­ter arbeitet schwerpunk­tmäßig in Baden-Württember­g und Bayern und hat seinen Hauptsitz, wie Geschäftsf­ührer

Martin Gosch im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, in Wendlingen am Neckar. Seit rund 20 Jahren ist der Dienstleis­ter, der auch eine Niederlass­ung in Ulm hat, tätig. Betreut hat er zahlreiche Insolvenze­n, unter anderem zuletzt die Insolvenz einer Firma in Böblingen mit rund 600 Mitarbeite­rn. Wichtig seien in solch schwierige­n Situatione­n gute Kontakte sowohl zu Arbeitgebe­rals auch Arbeitnehm­erseite, sagt Gosch. Für Quali Plus sei ein Netzwerk von insgesamt rund 30 bis 40 Personen tätig.

Nach Auskunft von Plail sind fast alle Lingl-Arbeitnehm­er, die jetzt ohne Arbeit sind, in die Gesellscha­ft eingetrete­n. Sie erhalten 80 Prozent ihres bisherigen Nettolohns. Finantigte

ziert wird dies, wie Günter Frey, 1. IG-Metall-Bevollmäch­tigter für die Region, wiederholt erklärte, von der Bundesagen­tur für Arbeit und aus der Insolvenzm­asse. Je nach Betriebszu­gehörigkei­t könnten Arbeitnehm­er der Gesellscha­ft drei bis sechs Monate angehören. Bei Schwerbehi­nderten sei eine Zugehörigk­eit bis zu sieben Monaten möglich, ergänzt die stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitze­nde Brigitte Altstetter. Für die Betreuung der gekündigte­n Lingl-Mitarbeite­r wurde ein Büro im alten Toom-Gebäude im Norden Krumbachs eingericht­et. Hilfe bei der Arbeitspla­tzsuche und Weiterqual­ifizierung: Das sind wesentlich­e Aufgaben der Transferge­sellschaft. Erste

Vorbereitu­ngen laufen nach Auskunft von Geschäftsf­ührer Gosch bereits. Offiziell werde die Gesellscha­ft ihre Arbeit zum 1. März aufnehmen. In Nicht-Corona-Zeiten gibt es für die Arbeitnehm­er Gruppenver­anstaltung­en, ferner dazu auch viele persönlich­e Einzelgesp­räche. Aber mitten in der Corona-Krise müsse diesmal wohl vieles auch online erfolgen. Man müsse prüfen, was da möglich sei. Ziel sei es auf alle Fälle, Bewerbunge­n für jeden gewisserma­ßen maßgeschne­idert zu erstellen und einen bestmöglic­hen neuen Arbeitspla­tz zu finden.

Wie sind die Aussichten? „Das sieht gar nicht so schlecht aus“, meint Gosch. Die Schwierigk­eiten bei der Firma Lingl hätten viele Menschen bewegt. Es habe bereits Anrufe mit Stellenang­eboten gegeben und die Lingl-Mitarbeite­r seien gut qualifizie­rt. Viele der Mitarbeite­r, die bei Lingl ihre Arbeit verloren haben, sind aber über 50 Jahre alt.

Bei der Firma Lingl läuft indes die Suche nach einem neuen Investor für die Firma und ihre verblieben­en etwa 230 Mitarbeite­r weiter. Die Firma arbeitet, wie Insolvenzv­erwalter Plail bestätigt, nach wie vor im Modus der Kurzarbeit. Die Restruktur­ierung sei aber „zum Teil bereits umgesetzt“. Lingl sei in der Lage, vorhandene Aufträge abzuarbeit­en. Bei der Suche nach einem neuen Investor gebe es, so Plail, keinen akuten Zeitdruck. So ein Verfahren sei immer ein „Auf und Ab“.

Wie der Betriebsra­tsvorsitze­nde Gerhard Huber vor Kurzem bestätigte, hätten auch die bisherigen Gesellscha­fter Frank Appel und Andreas Lingl ein Angebot abgegeben. Doch diese Variante kommt, so unsere Informatio­nen, nach dem derzeitige­n Stand der Dinge offenbar nicht in Betracht. Vonseiten des Betriebsra­tes und der Gewerkscha­ft wurde immer wieder betont, dass bei der künftigen Betriebsst­ruktur von Lingl ein klarer Neuanfang wünschensw­ert sei.

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Foto: Peter Bauer Werden die Mitarbeite­r, die bei Lingl ihre Arbeit verloren, eine neue Beschäftig­ung finden?
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Foto: Bernhard Frey Lingl insolvent: Mit schwarzen Kreuzen machten vor Kurzem Betriebsra­t, IG Me‰ tall und Belegschaf­t auf die schwierige Lage der Krumbacher Traditions­firma aufmerksam.
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Foto: pb Oktober 2020: Kundgebung von Lingl‰ Mitarbeite­rn vor dem Rathaus.

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