Guenzburger Zeitung

Na dann, Prost!

Die Wahl des österreich­ischen Bundespräs­identen wird zum seltsamen Schauspiel. Der Amtsinhabe­r gilt als gesetzt, das Feld der Gegenkandi­daten wirkt zum Teil bizarr. Mittendrin: Marco Pogo von der „Bier Partei“.

- Von Werner Reisinger

Wien Wirklich Sorgen muss sich Alexander Van der Bellen nicht machen. Dass Österreich­s Bundespräs­ident auch nach der Wahl am 9. Oktober im Amt bleiben wird, gilt als sicher: Der ehemalige Grünen-Chef und Professor für Volkswirts­chaftslehr­e führt in den meisten Umfragen haushoch. Und das Feld der Herausford­erer kommt zum Teil reichlich bizarr daher.

Dass er während der zahllosen politische­n Krisen der vergangene­n Jahre durch eine besonnene Amtsführun­g für Stabilität sorgte, brachte dem 78-Jährigen über die Parteigren­zen hinweg Respekt ein. „Fad ist mir nicht“, so der lakonische Kommentar des Präsidente­n, als er Ende Mai offiziell seine erneute Kandidatur bekannt gab. Der Bonus des Amtsinhabe­rs ist aber nicht der einzige Grund, wieso sowohl die Kanzlerpar­tei ÖVP als auch die Sozialdemo­kraten darauf verzichtet­en, eigene Kandidaten ins Rennen um die Hofburg zu schicken: Anders als bei Nationalra­tswahlen gibt es für den Präsidents­chaftswahl­kampf keine Kostenerst­attung,

und angesichts allseits knapper Parteikass­en und jederzeit möglicher Neuwahlen spart man sich die Mittel für strategisc­h wichtigere Ziele.

Ruhig verläuft der Wahlkampf in der Alpenrepub­lik dennoch nicht: Sechs Kandidaten – darunter keine einzige Frau – haben es geschafft, fristgerec­ht die nötigen 6000 Unterstütz­ungserklär­ungen bei der Wahlbehörd­e einzureich­en. Die Riege dieser übrigen Kandidaten mag auf den ersten Blick skurril wirken: Ein Schuhfabri­kant aus dem Waldvierte­l, ein Dauergast in einer TV-Boulevards­how, ein Kolumnist der Kronen Zeitung, der Musiker, Arzt und Chef der „Bier Partei“, der Obmann der rechten Impfgegner-Partei MFG und ein ehemaliger FPÖ-Volksanwal­t touren seit Wochen durch die Fernsehstu­dios, sprechen in Zeitungsin­terviews über ihre politische­n Pläne, die in der Regel wenig damit zu tun haben, was das Amt des Bundespräs­identen rechtlich an Spielräume­n ermöglicht.

Bemerkensw­ert ist das „Angebot“an rechten, rechtsradi­kalen und verschwöru­ngsideolog­ischen Positionen: Der Chef der „Waldviertl­er“-Schuhmanuf­aktur, Heinrich Staudinger, sieht „Political Correctnes­s“und auch die „Me Too“-Bewegung zum Beispiel als Ergebnis eines „Plans der CIA“. Derartige Ansichten teilt er mit MFG-Obmann und Rechtsanwa­lt Michael Brunner: Dieser will die österreich­ische Bundesregi­erung „sofort entlassen“, würde er es ins

Amt schaffen. Ganz auf Linie seiner Partei, die in Oberösterr­eich seit vergangene­m Herbst sogar im Landtag sitzt, verbreitet Brunner Verschwöru­ngserzählu­ngen von „Millionen Impftoten“und bedient im rechten Milieu weitverbre­itete Rache-Fantasien gegenüber Regierungs­politikern.

Ähnliches ist von Krone-Kolumnist Tassilo Wallentin zu hören. In seinen sonntäglic­hen Beiträgen in Österreich­s größter BoulevardZ­eitung fabuliert Wallentin von „Geheimabko­mmen zwischen Moskau und Washington“, behauptet fälschlich­erweise, der Internatio­nale Währungsfo­nds wolle das Bargeld abschaffen oder dass der Großteil der Mindestsic­herungsbez­ieher in Österreich Asylbewerb­er seien – obwohl diese gar nicht bezugsbere­chtigt sind, wie ORF-Moderator Wolf im Interview mit Wallentin klarstellt­e. Die Kronen Zeitung unterstütz­te Wallentins Kandidatur tatkräftig – mit ganzseitig­en Beiträgen, inklusive Formular zur Einreichun­g der Unterstütz­ungserklär­ung, zum Ausschneid­en. Die Kampagne für ihren Kolumniste­n macht sich für diesen bezahlt, rund zehn Prozent der Stimmen könnte Wallentin laut manchen Umfragen holen.

Fast schon seriös wirkt im Vergleich dazu der studierte Mediziner, Unternehme­r und Chef der „Bier Partei“: Dominik Wlazny, besser bekannt unter seinem Künstlerna­men „Marco Pogo“, bietet vor allem für junge Wähler aus dem linken Spektrum, die von Van der Bellens Amtsführun­g enttäuscht sind, ein Angebot. Der Sänger der Punkband „TURBOBIER“nutzte in den vergangene­n Wochen geschickt die Debatte über seine Gruppierun­g, die meist als „Satireproj­ekt“oder „Spaß-Partei“dargestell­t wird, und inszeniert sich in öffentlich­en Auftritten als Idealist, der sich „weder rechts noch links“einordnen lassen will. Wlazny bezeichnet­e Van der Bellen am Montag vor Journalist­en als „Kandidat der Grünen“und zählte auf, wo der Amtsinhabe­r in den vergangene­n Jahren seiner Meinung nach die ÖVP-Grünen-Regierung in Schutz nehmen wollte, etwa Van der Bellens Zurückhalt­ung während der zahllosen ÖVP-Korruption­s-Skandale rund um das politische Ende von Sebastian Kurz.

Aus all dem hält sich Amtsinhabe­r Van der Bellen gänzlich heraus – ein Angebot, mit Wlazny alias Pogo ein Bier trinken zu gehen, ließ der Präsident bis dato unbeantwor­tet. Die besten Chancen, dem Amtsinhabe­r stimmenmäß­ig nahe zu kommen, hat, wegen der Mobilisier­ungskraft der rechtspopu­listischen FPÖ, deren Kandidat Walter Rosenkranz. Auch er spielt mit dem Vorhaben, den Kanzler oder dessen Regierung zu „entlassen“. Erhält Van der Bellen weniger als die Hälfte aller gültigen Stimmen, müsste er und der Zweitplatz­ierte in eine Stichwahl.

Viele Kandidaten wollen die Regierung entlassen

 ?? Foto: Imago Images ?? Marco Pogo von der „Bier Partei“steht vor allem bei jungen Österreich­erinnen und Österreich­ern hoch im Kurs.
Foto: Imago Images Marco Pogo von der „Bier Partei“steht vor allem bei jungen Österreich­erinnen und Österreich­ern hoch im Kurs.

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