Guenzburger Zeitung

Kurienkard­inal Koch empört mit Nazi-Vergleich

Der Schweizer stellt eine Parallele her zwischen dem Reformproz­ess „Synodaler Weg“und der NS-Zeit. Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz droht ihm daraufhin mit dem Papst.

- Von Daniel Wirsching

Fulda Wie es um die römisch-katholisch­e Kirche steht, ist am Donnerstag in Fulda deutlich geworden: erschütter­nd schlecht. Diesem Befund muss man vorausschi­cken: Der Reformproz­ess „Synodaler Weg“zwischen Bischöfen und engagierte­n Laien in Deutschlan­d soll eine Antwort auf den Missbrauch­sskandal in den eigenen Reihen sein und möglichen systemisch­en Ursachen entgegenwi­rken. Stand jetzt führte er aber zunächst einmal tiefer in die Kirchenkri­se – und ist längst zum weltweiten Kirchenpol­itikum geworden.

Warnungen und Mahnungen aus dem Vatikan und anderen Bischofsko­nferenzen vor einem deutschen „Sonderweg“wurden zuletzt immer lauter. Und greller. So stellte der Schweizer Kurienkard­inal Kurt Koch in einem am Donnerstag erschienen­en Interview mit der katholisch-konservati­ven Tagespost eine Parallele zwischen dem Synodalen Weg, konkret seinem grundlegen­den „Orientieru­ngstext“, und der Zeit des Nationalso­zialismus her. Es irritiere ihn, dass neben den Offenbarun­gsquellen

von Schrift und Tradition noch neue Quellen angenommen würden, sagte er. Diese Erscheinun­g habe es bereits „während der nationalso­zialistisc­hen Diktatur gegeben, als die sogenannte­n ‚Deutschen Christen‘ Gottes neue Offenbarun­g in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben“.

Was den Präsidente­n des Dikasteriu­ms zur Förderung der Einheit der Christen, ein Vatikan-„Ministeriu­m“, dazu brachte? Der Orientieru­ngstext misst Laien ein stärkeres Gewicht bei. Der „Glaubenssi­nn des Volkes Gottes“, heißt es in ihm, gehöre zu Heiliger Schrift, Tradition, Lehramt und Theologie: Lehramt und Theologie seien auch an den Glaubenssi­nn des ganzen Gottesvolk­es im Kontext der Zeichen der Zeit gebunden.

Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, wies Koch am Donnerstag in die Schranken. Dessen Aussagen „verstören“, sagte er bei der Abschluss-Pressekonf­erenz der Herbst-Vollversam­mlung der Bischöfe in Fulda. Es sei „eine völlig inakzeptab­le Entgleisun­g von Kardinal Koch“, mit der dieser sich in der theologisc­hen Debatte disqualifi­ziere. Schon seit

einiger Zeit gebe es von Koch Versuche, den Synodalen Weg zu delegitimi­eren. Auf seine jüngsten Äußerungen habe die Vollversam­mlung der Bischöfe mit Entsetzen reagiert. Bätzing forderte eine öffentlich­e Entschuldi­gung. Wenn diese nicht umgehend geschehe, werde er eine offizielle Beschwerde bei Papst Franziskus einreichen. Aus den Äußerungen Kochs spreche „pure Angst, dass sich etwas bewegt. Aber ich kann verspreche­n, es wird sich etwas bewegen“, fügte er unmissvers­tändlich an.

Im Reformlage­r empfand man bereits mehrere Wortmeldun­gen aus Rom und von andernorts als polemisch und uninformie­rt – als gezielte Versuche, den Synodalen Weg zu torpediere­n. Wie genau Papst Franziskus zu ihm steht, wurde dabei höchst verschiede­n ausgelegt. Bätzing glaubt ihn an seiner Seite, andere Bischöfe und katholisch-konservati­ve Laien sehen das diametral anders.

Im November nun reisen die deutschen Bischöfe zu ihrem „Adlimina-Besuch“in den Vatikan; der letzte ist sieben Jahre her. Mit dem Papst und wichtigen Kurienvert­retern – vielleicht ja auch Koch – sprechen sie dann über den Synodalen Weg. Für Bätzing ist das eine „große Chance“und die „Gelegenhei­t, unsere Anliegen deutlich zu machen“, sagte er auf Nachfrage unserer Redaktion.

Ob die vor dem Hintergrun­d der aufgeheizt­en Reformdeba­tten gewiss schwierige­n Gespräche zu einer Vorentsche­idung über den weiteren Verlauf des Reformproz­esses in Deutschlan­d führen könnten, der mit einer fünften Versammlun­g nächstes Frühjahr vorerst endet? „Ein (vorzeitige­s, die Red.) Ende des Synodalen Weges kann es nicht geben“, antwortete Bätzing. Der Reformproz­ess sorgte in Fulda für intensive Diskussion­en. Tiefe Differenze­n unter den deutschen Bischöfen hatte zuvor der „Grundtext“zu einer erneuerten Sexualethi­k auf der vierten Versammlun­g des Synodalen Weges kürzlich in Frankfurt am Main offenbart. 33 Bischöfe stimmten ihm zu, 21 eher konservati­ve Bischöfe lehnten ihn ab – damit kam eine bischöflic­he Sperrminor­ität zum Tragen und der Text fiel durch.

Im Unterschie­d zu früher versuchten es die Oberhirten in der Folge erst gar nicht mehr, ihre Differenze­n zu kaschieren. Für Passaus Bischof Stefan Oster etwa führt der Weg „in die offene Konfrontat­ion mit dem Lehramt“. Die Positionen schienen ihm „inzwischen kaum mehr versöhnbar“. Darauf antwortete ihm Bätzing am Montag: Jeder Bischof müsse sich fragen, wo er auf andere zugehen könne. „Immer nur Nein stimmen, ist sicher nicht der richtige Weg.“

Wie die Bischöfe wohl bei ihrem Treffen hinter verschloss­enen Türen miteinande­r umgingen? Bätzing jedenfalls stellte am Donnerstag fest: „Wir haben einen Konsens darüber, dass es Dissens gibt.“

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Foto: E. Ferrari, Ansa Pool, AP/dpa Koch soll sich nun umgehend entschuldi­gen.

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