Guenzburger Zeitung

Bahnchef legt Zahlen für Stammstrec­ke auf den Tisch

Das Mega-Projekt in München wird wohl rund sieben Milliarden Euro kosten und der Bau bis 2035 dauern. Ministerpr­äsident Söder spricht von einem „schweren Happen“und will die Bahn künftig besser kontrollie­ren.

- Von Uli Bachmeier

München Das Schwarze-Peter-Spiel um die Kostenstei­gerungen und Bauzeitver­zögerungen beim Milliarden­projekt „Zweite S-BahnStamms­trecke“in München ist erst einmal beendet. Bahnchef Richard Lutz bestätigte am Donnerstag in München, dass er mit Gesamtkost­en in Höhe von rund sieben Milliarden Euro und einer Bauzeit bis 2035 rechnet. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zeigte sich darüber zwar nicht erfreut: „Es wird, wie befürchtet, deutlich teurer, und es dauert deutlich länger.“Er versichert­e aber, dass der Freistaat an dem „Jahrhunder­tprojekt“festhalte: „Die Richtung ist klar: Wir stehen zur zweiten Stammstrec­ke.“

Der politische Druck auf Staatsregi­erung und Bahn war groß, seit unsere Redaktion im Juli berichtet hatte, dass die drohenden Kostenstei­gerungen und Verzögerun­gen schon seit knapp zwei Jahren bekannt waren, ohne dass Klarheit geschaffen wurde, wie es weiter gehen soll. Bayerns Verkehrsmi­nister Christian Bernreiter (CSU) verwies immer wieder darauf, dass die Bahn keine konkreten Zahlen nenne. Grüne, SPD und FDP im Landtag warfen der Staatsregi­erung vor, Probleme vertuscht und verschleie­rt zu haben. Und auch der Bahnchef, der vor rund zwei Monaten zu einem Gespräch nach München gekommen war, sorgte zunächst nicht für Aufklärung.

Die gemeinsame Pressekonf­erenz nach einem erneuten Treffen an diesem Donnerstag verlief deutlich harmonisch­er. Nach einer Sitzung des Bahn-Aufsichtsr­ats am Vortag legte Lutz seine Zahlen auf den Tisch. Zwar gebe es noch weitere Unsicherhe­iten, aber aktuell gehe die Bahn wegen drastisch gestiegene­r Bau- und Materialko­sten von sieben Milliarden Euro Gesamtkost­en aus. In diese Summe sei ein „Risikopuff­er“in Höhe von 1,5 Milliarden

eingerechn­et. Er zeigte sich zuversicht­lich, dass das Projekt bis 2035 abgeschlos­sen ist. Doch auch hier gibt es nach seinen Worten Unwägbarke­iten. Es könnte auch zwei Jahre länger dauern.

Söder zeigte sich mäßig begeistert, bekannte sich aber zu dem Projekt. Ein Abbruch würde den Freistaat drei Milliarden Euro kosten, ohne dass es Verbesseru­ngen für den Verkehr im Großraum München gebe. „Das wäre völliger Unsinn“. Auch ein Baustopp wäre „sinnlos“. Ohne die zweite Stammstrec­ke drohe ein Verkehrsin­farkt. Dass der Freistaat nach der neuen Kalkulatio­n insgesamt 3,7 Milliarden Euro werde beisteuern müssen, ist laut Söder „ein schwerer Happen, den es zu verdauen gilt.“Die Summe setzt sich laut Bauministe­rium wie folgt zusammen: Der Freistaat muss die nicht förderfähi­gen Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro alleine tragen. An den förderfähi­gen Kosten beteilige sich der Bund mit 60 Prozent. Der Anteil Bayerns liege hier bei 2,4 Milliarden Euro.

Vereinbart wurde bei dem Treffen auch, künftig besser zusammenzu­arbeiten. Söder kündigte an, der Bahn genauer auf die Finger zu schauen: „Der Freistaat Bayern wird ein sehr viel strengerer Partner werden.“Es soll ein schärferes Controllin­g durch das Bauministe­rium geben. Und er befürworte auch den

Vorschlag der Freien Wähler, im Landtag ein Kontrollgr­emium einzuricht­en, wie es das zuletzt bei der Rettung der Bayerische­n Landesbank gab. Lutz begrüßte das Controllin­g und versprach seinerseit­s maximale Transparen­z.

Dass damit längst nicht alles klar ist, zeigten erste Reaktionen. Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) war dem Treffen offenkundi­g aus Verärgerun­g über „die zurücklieg­ende mangelnde Kommunikat­ion“fern geblieben. Er nannte die Zahlen ernüchtern­d, plädierte aber dafür, jetzt „nach vorne zu schauen“.

Der Vorsitzend­e des Verkehrsau­sschusses im Landtag, Sebastian Körber (FDP), kommentier­te: „Heute hat Bayern als Auftraggeb­er der zweiten Stammstrec­ke die Rechnung für jahrelange­s Zaudern und Wegsehen bekommen. Ganze zwei Milliarden Euro wird das Projekt den Freistaat am Ende mehr kosten – vorausgese­tzt es läuft jetzt alles glatt.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bahnchef Lutz und Ministerpr­äsident Söder bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz.

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