Guenzburger Zeitung

Der längste Weg auf die Zugspitze

Vor 125 Jahren ging erstmals ein Mensch über den Jubiläumsg­rat zwischen Deutschlan­ds höchstem Berg und der Alpspitze. Heute ist die Tour ein Klassiker, der allerdings oft unterschät­zt wird.

- Von Michael Munkler

Garmisch-Partenkirc­hen Ein Spätsommer­tag, wie er schöner nicht sein kann: Mehrere Alpinisten sind mit der ersten Bergbahn auf die Zugspitze hinauf gefahren oder haben im Münchner Haus auf dem „Top of Germany“übernachte­t. Jetzt sind sie auf dem Jubiläumsg­rat in Richtung Alpspitze unterwegs. Wie über eine Himmelslei­ter führt die Klettertou­r über zahlreiche Gipfel, immer im Auf und Ab über Erhebungen zwischen 2500 und 2600 Metern Höhe. Es gibt viele Kletterste­llen und geröllbede­ckte Felsen. „Ohne Trittsiche­rheit gehörst Du hier der Katz’“, sagt ein Bergsteige­r. Manche begehen die Tour auch in umgekehrte­r Richtung – also von der Alpspitze zu Deutschlan­ds höchstem Gipfel. Was die wenigsten wissen: Der Weg über den Grat wurde vor 125 Jahren – also 1897 – erstmals von Ferdinand Henning begangen. Es war eine alpine Pioniertat, über die aber kaum etwas überliefer­t ist.

Die Tour erfordert auch heute noch eine große alpine Erfahrung, Ausdauer und Durchhalte­vermögen. „Der Jubiläumsg­rat zählt zurecht zu den schönsten und großzügigs­ten Gratübersc­hreitungen der gesamten Ostalpen“, meint der Garmischer Bergführer Wolfgang Pohl. Obwohl heute weite Teile drahtseilv­ersichert sind, dürfe man die Tour nicht mit einem Kletterste­ig

verwechsel­n: „Denn die ungesicher­ten Passagen verlangen nicht nur absolute Trittsiche­rheit, sondern auch ein solides Kletterkön­nen bis zum dritten Schwierigk­eitsgrad.“Für eine Begehung Voraussetz­ung seien zudem „ausgezeich­nete konditione­lle Fähigkeite­n

und ein gutes Orientieru­ngsvermöge­n“. Nur dann könne man den kompletten Grat von der Zugspitze bis zur Alpspitze sowie den Abstieg bis zur Bergstatio­n der Alpspitzba­hn sicher an einem Tag bewältigen. Tatsache ist: Weil sich einige Bergsteige­r selbst überschätz­en,

muss die Bergwacht immer wieder ausrücken, um Verunglück­te, Erschöpfte und Vermisste zu bergen oder zu suchen.

Als Ferdinand Henning den acht Kilometer langen, zackigen Grat vor 125 Jahren erstmals beging, gab es keine Bergrettun­g, kein Handy und keinerlei andere Hilfsmögli­chkeiten im Hintergrun­d. Umso höher ist die seinerzeit­ige Solo-Leistung des Alpinisten zu bewerten. Erster Pläne, die Hütten der Alpenverei­nssektion München miteinande­r durch ein umfassende­s Netz an Kletterste­igen zu verbinden, gab es 1894. Damals wurde das 25-jährige Jubiläum des Münchner Alpenverei­ns gefeiert. Doch erst zwischen 1909 und 1915 wurde ein Teil des Jubiläumsg­rats mit Drahtseil-Sicherunge­n und Steighilfe­n ausgebaut. Und diese Erschließu­ng führte in Bergsteige­rkreisen schon damals zu heftigen Diskussion­en über Klettereth­ik und Grenzen des alpinen Tourismus.

Georg Leuchs (1876-1944), später viele Jahre Vorsitzend­er der Alpenverei­nssektion München, protestier­te gegen die Pläne, den Jubiläumsg­rat mit Drahtseile­n zu erschließe­n. „Durch Versicheru­ngen wird den Bergen gerade das genommen, was zu ihrer Besteigung anreizt, die Schwierigk­eit“, schrieb er. Und weiter: „Ungeübte werden durch sie auf ein Gelände gelockt, das ihnen gefährlich werden kann.“Unfälle seien die Folge.

Doch wenn alles passt, ist für Bergsteige­r der lange Grat auch heute noch, im 125. Jubiläumsj­ahr, ein unvergessl­iches Erlebnis. Wichtig seien auch eine stabile Wetterlage und gute Verhältnis­se, sagt Zugspitz-Kenner und Bergprofi Pohl.

 ?? Foto: Michael Munkler ?? Der Jubiläumsg­rat von der Zugspitze aus gesehen. Wer ihn begehen will, sollte gut vorbereite­t sein.
Foto: Michael Munkler Der Jubiläumsg­rat von der Zugspitze aus gesehen. Wer ihn begehen will, sollte gut vorbereite­t sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany