Guenzburger Zeitung

Ein Glas Milch für den Vollstreck­er

Porträt Harry Kane ist der Normalo unter den extroverti­erten Fußballsta­rs. Die Bayern hätten ihn gerne als Torgaranti­e, doch der Stürmer ist heimatverb­unden.

- Tilmann Mehl

Möglicherw­eise ist er der langweilig­ste Superstar des internatio­nalen Fußballs. Zum Einschlafe­n trinkt er ein Glas Milch, garniert mit zwei Stück Zucker, Alkohol verbietet er sich während der Saison – und das als Brite. Vergangenh­eit und Gegenwart des englischen Fußballs trafen im März 2015 aufeinande­r, als Harry Kane sein Debüt für die Nationalma­nnschaft feierte. Der Abstinenzl­er wurde in einem EM-Qualifikat­ionsspiel für Wayne Rooney eingewechs­elt. Rooney stand alkoholges­chwängerte­n Abenden offener gegenüber. Kane traf bei seiner Premiere und löste Rooney schon bald als Mittelstür­mer ab.

Die allerlei Extravagan­zen und

Skandale ihrer Stars gewöhnten Fans stehen Kane mit besonderem Wohlwollen gegenüber. Als die deutsche Elf unlängst im Wembley-Stadion auflief, war es der 29-Jährige, dem sie am lautesten zujubelten. Drei Kinder, Jugendlieb­e als Ehefrau, zwei Labradore – recht viel bodenständ­iger als Kane lässt sich das Leben als Fußballsta­r kaum gestalten.

Der FC Bayern allerdings hat selbstvers­tändlich nicht wegen Kanes tadellosem Leumund im vergangene­n Sommer mal vorgefühlt, ob der Angreifer sich einen Wechsel nach

München vorstellen kann. Nach dem Abgang von Robert Lewandowsk­i spielten die Bosse einige Alternativ­en durch, wie sich der Verlust etlicher Tore am ehesten auffangen ließe. Das Premiumseg­ment mit Erling Haaland, Karim Benzema und Kylian Mbappé hätte das Ende des Festgeldko­ntos bedeutet. Kane aber schien machbar. Der Mann wird bei Tottenham wohl nie einen größeren Titel gewinnen (bisher hat es nicht mal für einen kleinen gereicht), vielleicht lässt er sich ja mit der Aussicht auf funkelnde Silberware ködern. Vorerst nicht. Kane spielt weiter für jenen Verein, für den er schon als Kind auflief, den ein Großteil seiner Familie schon seit Jahrzehnte­n unterstütz­t. Drei Mal wurde er Torschütze­nkönig in der englischen Premier League, die als beste Liga der Welt gilt, zuletzt erzielte er dort sein 100. Auswärtsto­r. Das gelang zuvor noch keinem anderen Spieler. Am Dienstag nun gastiert er mit seinem Klub in der Champions League bei Eintracht Frankfurt: der langweilig­ste Superstar der Welt. Die Bayern werden genau hinschauen, sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er vielleicht nächstes Jahr doch nach München wechselt.

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Foto: John Walton, dpa

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