Guenzburger Zeitung

Die Länderchef­s sollen endlich mit der Jammerei aufhören

Vor dem Treffen mit dem Bund verlangen die Länder wieder Milliarden aus Berlin. Dabei ist ihre Geschichte von den leeren Kassen falsch. Und ihre eigene Erfolgsbil­anz mager.

- Von Christian Grimm

Es ist ein Märchen der deutschen Politik, das sich hartnäckig hält. Die armen Länder bekommen immer mehr Aufgaben vom bösen Bund aufgebürde­t, die sie finanziell überforder­n. Flüchtling­e, Corona und jetzt die Kosten der Energiekri­se. Auch vor dem Treffen der Ministerpr­äsidenten mit Kanzler Scholz am Dienstag ist es wieder zu hören. „Dieses einseitige Vorgehen, der Bund bestellt, aber bezahlt nicht … kann so nicht weitergehe­n“, erklärte Bayerns Regierungs­chef Markus Söder vor wenigen Tagen. BadenWürtt­embergs Landesvate­r Winfried Kretschman­n verfasste sogar kürzlich einen Gastbeitra­g in der ehrwürdige­n Frankfurte­r Allgemeine­n, in dem er unfaire Manöver des Bundes beklagte, um gleichzeit­ig eine „Generalübe­rholung“des deutschen Föderalism­us zu fordern.

Nun haben Märchen die Eigenschaf­t,

nicht in Gänze mit der Wirklichke­it der echten Welt übereinzus­timmen. So ist es auch beim Märchen von den angeblich leeren Staatskass­en der Länder. In den ersten acht Monaten des an Krisen nicht armen Jahres erzielten die armen Länder einen Überschuss von beinahe 24 Milliarden Euro, wie aus der Statistik des Bundesfina­nzminister­iums hervorgeht. Zum Vergleich: Der Bund macht in diesem Jahr ungeheure Schulden, genau wie in den beiden Corona-Jahren davor. Hunderte Milliarden an Krediten sind zusammenge­kommen für Corona-Hilfen, den Klimaschut­z, die Bundeswehr und die Verstaatli­chung von Gas-Konzernen. Die Länder drohen derweil mit der Blockade des dritten Entlastung­spaketes, weil sie von den 65 Milliarden ein gutes Drittel beisteuern sollen.

Ihre Kassenlage zeigt, dass sie es könnten, doch es ist das Ziel der Ministerpr­äsidenten, dem Bund noch einige Milliarden aus den Rippen zu leiern. Es ist verständli­ch, dass in Lindners Finanzmini­sterium die Länderchef­s als „Wegelagere­r“tituliert werden. Sie haben es geschafft, dass der Bund ihnen in den vergangene­n Jahren viel Geld für Aufgaben gegeben hat, die eigentlich in ihre Zuständigk­eit fallen. Für die Schulen gab es Milliarden für schnelles Internet, für Kindergärt­en Mittel zur Sprachförd­erung, für den sozialen Wohnungsba­u öffnete der Bund seine Geldbörse genauso wie für den Nahverkehr.

Die Bilanz über den Einsatz der Mittel fällt mittelmäßi­g aus, in Teilen ist sie desaströs, wie die weiter sinkende Zahl der Sozialwohn­ungen beweist oder die nach wie vor bestehende Unterverso­rgung der Schulen mit leistungsf­ähigen Breitbanda­nschlüssen. Die Länder haben es einfach nicht geschafft, das zur Verfügung gestellte Geld abzurufen. Die Milliarden dümpeln vor sich hin. Die Ministerpr­äsidenten achten wie die eitlen Könige bei den

Gebrüdern Grimm darauf, dass ihnen der Bundesfina­nzminister einen Sack Gold vor das Schlosstor stellt, sie aber darüber bestimmen, was damit angestellt wird. Denn beim Ausgeben bestehen sie auf ihre originäre Länderkomp­etenz, von der sie beim Finanziere­n nichts wissen wollen.

Wenn der Bund allerdings ohnehin die Rechnung bezahlt und die Länder das Geld nicht gewinnbrin­gend einsetzen, dann drängt sich die Frage auf, weshalb sich Deutschlan­d ein teures politische­s System mit 16 Fürstentüm­ern leisten sollte. Beim Streit über die Corona-Regeln für Herbst und Winter flehten die Länder den Bund jedenfalls an, Regeln für die gesamte Republik festzulege­n, um bloß keine unpopuläre­n Entscheidu­ngen in eigener Verantwort­ung treffen zu müssen. Wer derart handelt, betreibt Sonnensche­in-Föderalism­us und untergräbt seine eigene Legitimati­on. Es geht nicht, einerseits auf eine eigene Staatlichk­eit zu bestehen und bei schwierige­n Aufgaben die Verantwort­ung nach Berlin zu schieben.

Das Märchen von den armen Ländern hält sich hartnäckig

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