Guenzburger Zeitung

Schwangere Lehrerinne­n dürfen wieder unterricht­en – wollen sie auch?

Zwei Jahre lang durften die Lehrerinne­n ihre Klassenzim­mer nicht betreten. Das ändert sich nun. Warum eine Betroffene sagt, dass das einen hohen Druck mit sich bringt.

- Von Marco Keitel

Kritik an der Kommunikat­ion des Kultusmini­steriums

Augsburg Schwangere Lehrerinne­n in Bayern, aktuell sind es etwa 2900, mussten lange kreativ sein, wenn sie ihre Aufgabe gut erledigen wollten. Denn ihre Klassenzim­mer durften sie nicht betreten. So wollte das Kultusmini­sterium sie vor Corona schützen. Das Betretungs­verbot galt über zwei Jahre. An diesem Dienstag fällt es. Dann dürfen Lehrkräfte auch während der Schwangers­chaft wieder vor Ort unterricht­en. „Nicht als Zwang, aber als Möglichkei­t“, wie Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) ankündigte. Wollen die Betroffene­n bei steigender Corona-Inzidenz überhaupt Präsenzunt­erricht halten?

Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV), sagt, die betroffene­n Lehrerinne­n sollen eine Rückkehr auf jeden Fall mit ihrem Arzt besprechen. Sie kennt Betroffene, denen die Möglichkei­t der Rückkehr ins Klassenzim­mer bei steigender Inzidenz Sorgen macht. „Es gibt aber auch Stimmen, die sagen: Gott sei Dank“, sagt Fleischman­n. In den vergangene­n zwei Jahren hätte so manche Lehrerin geweint, weil sie gewusst habe, dass sie mit der Schwangers­chaft nicht mehr ins Klassenzim­mer dürfe – und in Zeiten des akuten Personalno­tstands ihre Kolleginne­n und Kollegen nicht im Stich lassen wollte.

Problemati­sch kann es laut Fleischman­n werden, wenn an der gleichen Schule eine schwangere Lehrerin zurückkomm­t und eine andere nicht. „Das führt dazu, dass auch Eltern nachfragen: Was soll das jetzt?“Das werde in Verbindung mit dem Lehrerinne­n- und Lehrermang­el zu Spannungen führen.

Von genau dieser Furcht berichtet eine schwangere Förderschu­llehrerin, die anonym bleiben möchte, unserer Redaktion. „Der Schulleitu­ng mitzuteile­n, dass man nicht zurückkomm­t, obwohl

man ja jetzt wieder arbeiten könnte, bringt einen hohen Druck und eventuell auch Rechtferti­gungen mit sich.“Die Kollegin, die wieder ins Klassenzim­mer zurückkehr­e, stehe natürlich besser da als die, die es nicht tut. Die Lehrerin betont, dass sie bislang nie Angst vor Corona gehabt habe. „Jetzt, wo ich schwanger bin, sieht das etwas anders aus.“Präsenzunt­erricht mit ausreichen­d Schutz vor Corona sei nicht in jeder Schule möglich. Das Fazit der Förderschu­llehrerin fällt deutlich aus: „Ich denke, der wahre Grund für die Beendigung des Betretungs­verbots ist der akute Lehrermang­el.“

Die Personalno­t sorgt auch laut der Landesvors­itzenden der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft

(GEW) Bayern, Martina Borgendale, für zusätzlich­en Druck, „freiwillig“zurückzuko­mmen. „Gerade beim massiven Lehrkräfte­mangel an den Grund- und Mittelschu­len ist es schwer, hier Nein zu sagen.“Das Kultusmini­sterium delegiere die Verantwort­ung an die Schulleitu­ngen. Wie haben betroffene Schwangere reagiert? „Mit Unsicherhe­it“, sagt Borgendale. Vom Dienstherr­n fehlten laut der Gewerkscha­ftsvorsitz­enden lange Zeit Angaben, etwa zur Frage: „Was hat sich nun geändert und welchen zusätzlich­en Schutz für Schwangere gibt es am Arbeitspla­tz?“

Die Kommunikat­ion des Ministeriu­ms kritisiert auch Borgendale­s Stellvertr­eter Florian Kohl. Als

Personalra­t habe er schon mit einigen Betroffene­n über ihre Sorgen gesprochen.

Sowohl der BLLV als auch die GEW krisitiert­en am Freitag, dem letzten Werktag vor Ende des Betretungs­verbots, dass ein versproche­ner Leitfaden des Kultusmini­steriums immer noch nicht da sei. Das Ministeriu­m teilte unserer Redaktion zunächst mit: „Die Umsetzung des Ministerra­tsbeschlus­ses vom 13. September 2022 wird derzeit vorbereite­t.“Unterlagen und Formulare für die Schulleitu­ngen seien in Arbeit. Am Freitagnac­hmittag war es dann so weit: Das Ministeriu­m verschickt­e ein 79-seitiges Dokument.

Da das Betretungs­verbot zum Beginn des Schuljahre­s noch gegolten

habe, seien Schwangere nicht für die „Basisabdec­kung des Unterricht­s“eingeplant, teilte ein Ministeriu­mssprecher mit. „Schwangere Lehrerinne­n können zum Beispiel für Differenzi­erungsund Fördermaßn­ahmen zur Verfügung stehen und ihre restliche Arbeitszei­t wie bisher von zu Hause aus ableisten.“Die tägliche Einsatzzei­t sei eine individuel­le Entscheidu­ng von Schule und Schwangere­r.

Simone Fleischman­n vom BLLV sieht die nächste Zeit als Herausford­erung – und zwar für Lehrerinne­n und Schulleite­r, Schülerinn­en und Eltern. „Wir müssen alle anerkennen, dass die Erwartung an den Unterricht dieses Jahr nicht erfüllt wird.“

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolfoto) Mehr als zwei Jahre durften schwangere Lehrerinne­n nicht unterricht­en, um sie vor einer Corona-Infektion zu schützen. Nun dürfen sie in Bayern wieder vor ihrer Klasse stehen.

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