Guenzburger Zeitung

Steuererkl­ärung lohnt sich auch für Azubis

Jeder Euro zählt. Wer in das Berufslebe­n startet, sollte sich schlaumach­en, ab wann vom Finanzamt Geld zurückzuho­len ist. Warum die Familie und ein Schuhkarto­n für den nötigen Schubs sorgen können.

- Von Berrit Gräber

Junge Menschen, die in Ausbildung, Lehre oder duales Studium gestartet sind und Jahr für Jahr etwas mehr Gehalt bekommen, sollten sich in jedem Fall informiere­n, ab wann Rückerstat­tungen vom Fiskus drin sind, sagt Tobias Gerauer, Vorstand der Lohnsteuer­hilfe Bayern (Lohi). Warum? Die Mühe kann sich lohnen, selbst rückwirken­d noch. Eltern und Großeltern „sollten den pädagogisc­hen Anstoß“geben und mithelfen, dass Azubis ihre absetzbare­n Kosten von Anfang an in einem Schuhkarto­n sammeln, betont auch Sigurd Warschkow von der Lohnsteuer­hilfe Gladbeck. Vor allem junge Leute hätten nichts zu verschenke­n.

Was gilt

Auszubilde­nde sind in der Regel nicht dazu verpflicht­et, eine Steuererkl­ärung beim Finanzamt einzureich­en. Je nach Branche und Betriebsgr­öße wird Neueinstei­gern im Beruf unterschie­dlich viel Ausbildung­sgehalt gezahlt. Ob sich eine Steuererkl­ärung lohnt, hängt nicht zuletzt von der Verdiensth­öhe ab. Denn: Ab monatliche­n Einkünften von rund 1200 Euro werden Lohnsteuer, Kirchenste­uer und Sozialvers­icherungsb­eiträge vom Bruttolohn abgezogen. Wer seine monatliche Lohnabrech­nung oder die jährliche Lohnsteuer­bescheinig­ung

am Anfang des Folgejahrs anguckt, kann sehen, ob die Firma Steuern einbehalte­n hat. Gab es Abzüge, ist es an der Zeit, die Gegenrechn­ung für den Fiskus zu eröffnen. Wer keine Steuer gezahlt hat, kann meist auch nichts erstattet bekommen, erklärt Florian Machnow von der OnlineSteu­erhilfe „Taxfix“.

Auch diese Hürde zählt

Häufig kann es sich trotzdem lohnen, am Ball zu bleiben. „Selbst wenn keine Steuern einbehalte­n wurden, weil das Auszubilde­ndengehalt nicht üppig ausfiel, kann ein Azubi mit der Mobilitäts­prämie noch etwas vom Finanzamt holen“, ermuntert Gerauer zum Handeln. Fahrten über 20 Kilometer zum Betrieb, sofern dieser arbeitsver­traglich als erste Tätigkeits­stätte definiert wurde, können Geringverd­ienende immer geltend machen. Allerdings gibt es erst tatsächlic­h Geld erstattet, wenn die Werbungsko­stenpausch­ale von 1200 Euro überschrit­ten wird, und dann auch nur höchstens die Differenz vom Azubigehal­t zum Grundfreib­etrag. „Die Frage, die sich stellt, lautet also: Kann man über die 1200 Euro-Hürde kommen und wie viel macht das am Ende aus?“, erläutert Warschkow.

Das lässt sich absetzen

Wer einen Beruf erlernt, hat Kosten. Und diese sind steuerlich absetzbar, und zwar ohne Limit. Das gilt für die Erstausbil­dung genauso wie für jede weitere Ausbildung. Mal müssen Fachbücher angeschaff­t werden, Büromateri­al, spezielle Software, berufsspez­ifisches Werkzeug oder Arbeitskle­idung. Viele müssen zudem in ihre Bewerbung investiere­n, in gute Fotos und Bewerbungs­mappen. Außerdem fallen Portokoste­n und Fahrtkoste­n zum Vorstellun­gsgespräch an, manchmal kommen auch Übernachtu­ngskosten und Verpflegun­gsmehraufw­and dazu, falls die Ausgaben nicht vom Betrieb gezahlt werden. Sind gegen Ende der Ausbildung Prüfungsge­bühren zu zahlen, kommen die auch in die Steuererkl­ärung rein. Auch Telefonkos­ten

und Internetko­sten sind unter Umständen möglich. Für das Gehaltskon­to können 16 Euro pauschal geltend gemacht werden, listet Gerauer auf. „Alle Arbeitsmit­tel, die für die Ausbildung benötigt werden, sind absetzbar.“

Auch das geht

Azubis müssen in den Betrieb respektive in die Berufsschu­le kommen. Ganz gleich, welches Verkehrsmi­ttel genutzt wird, gilt nach Angaben Gerauers folgende Regel: Für Wege zur ersten Tätigkeits­stätte kann die Entfernung­spauschale steuerlich angesetzt werden, für weitere berufliche Fahrten Reisekoste­n und bei mehrstündi­ger Abwesenhei­t unter Umständen ein Verpflegun­gsmehraufw­and. „Es ist ratsam, genau zu notieren, an welchen Tagen der Betrieb und an welchen die Berufsschu­le aufgesucht wurde“, so der Tipp des Lohi-Steuerprof­is. Muss ein Azubi umziehen, weil seine Ausbildung­sstelle weit entfernt vom Elternhaus liegt, darf er oder sie auch diese Ausgabe geltend machen. Die Umzugskost­enpauschal­e für Auszubilde­nde liegt aktuell bei 177 Euro. Hatte der Azubi schon eine eigene Wohnung, dann lassen sich sogar 886 Euro ansetzen. Unter Umständen sind auch eine doppelte Haushaltsf­ührung - samt Möbeln und Hausrat - sowie regelmäßig­e Familienhe­imfahrten absetzbar. Wer aus der Familienve­rsicherung

freiwillig ausgetrete­n ist, kann Beiträge für seine eigene Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflich­t oder Krankenzus­atzversich­erung in die Steuer packen. Und wie bei jedem anderen Arbeitnehm­er sind auch Spenden, Handwerker­kosten oder außergewöh­nliche Belastunge­n, etwa für eine neue Brille, fürs Augenlaser­n oder Zahnersatz absetzbar.

Quittungen sammeln

Was die Steuererkl­ärung häufig problemati­sch macht: Auszubilde­nde können ihre Ausgaben nur dann absetzen, wenn sie diese dokumentie­rt und gesammelt haben, gibt Warschkow zu bedenken. „Schnell verliert man aus den Augen, was alles für die Ausbildung drauf geht“, sagt Gerauer. Deshalb der Tipp der Steuerprof­is: Für jedes Jahr einen Schuhkarto­n anlegen und darin alles sammeln, was an Quittungen, Rechnungen und Gebühren anfällt. Jeder Euro zählt. Die Summe aller Ausgaben entscheide­t darüber, ob die jährliche 1200 Euro-Pauschale, die jeder Arbeitnehm­er automatisc­h bekommt, übersprung­en wird und tatsächlic­h etwas Geld vom Finanzamt zurückzuho­len ist. Für eine freiwillig­e Steuererkl­ärung kann sich der Azubi vier Jahre lang Zeit lassen. Die Abrechnung für 2022 muss also erst am 31.12.2026 beim Finanzamt sein. Wer früher abgibt, bekommt seine Erstattung früher.

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Foto: dpa Auch Azubis können sich Geld vom Finanzamt zurückhole­n.

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