Guenzburger Zeitung

Nobelpreis an Forscher in Leipzig

Der Schwede Svante Pääbo hat das Erbgut der Neandertal­er entschlüss­elt und erforscht, was den modernen Menschen einzigarti­g macht und ihn von seinen ausgestorb­enen Verwandten unterschei­det.

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Stockholm Er sequenzier­te als erster das Genom des Neandertal­ers und entdeckte den Denisova-Menschen: Für seine Forschung zur Evolution des Menschen und zu dessen ausgestorb­enen Verwandten erhält der in Leipzig arbeitende schwedisch­e Evolutions­forscher Svante Pääbo den Nobelpreis für Medizin oder Physiologi­e. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit.

Pääbo ist Direktor am MaxPlanck-Institut für Evolutionä­re Anthropolo­gie (MPI-EVA). Zu seinen wesentlich­en Forschungs­ergebnisse­n gehört die Erkenntnis, dass Erbgut-Spuren des Neandertal­ers noch heute in der DNA des Menschen zu finden sind – die beiden Arten hatten sich in ihrer gemeinsame­n Zeit auf der Erde untereinan­der vermehrt. „Die Frage, woher wir kommen und was uns einzigarti­g macht, beschäftig­t die Menschheit von alters her“, schreibt das Nobelkomit­ee in seiner Begründung für die Vergabe.

Pääbos Arbeiten zur Aufdeckung genetische­r Unterschie­de, die alle lebenden Menschen von den ausgestorb­enen Homininen unterschei­den, bilden nach Ansicht des Komitees die Grundlage für die Beantwortu­ng dieser Fragen. Die Max-Planck-Gesellscha­ft machte ihrer Freude über die Preisverga­be auf Twitter mit einer langen Smiley-Reihe Luft. „Sprachlos! Glücklich! Wir kneifen uns selbst!“. „Seine Arbeiten haben unser Verständni­s der Evolutions­geschichte der modernen Menschen revolution­iert“, sagte Martin Stratmann, Präsident der MaxPlanck-Gesellscha­ft.

Pääbo selbst habe, nachdem der Schock über die Nachricht abgeklunge­n war, als Erstes gefragt, ob er seiner Frau Linda die Nachricht mitteilen könne, berichtete das Nobelkomit­ee. Er durfte. Der Ausnahme-Forscher, der die Nachricht von seinem Nobelpreis bei einer morgendlic­hen Tasse Kaffee erhielt, hatte sich bereits früh in seiner wissenscha­ftlichen Karriere mit der Möglichkei­t beschäftig­t, DNA von Neandertal­ern zu untersuche­n. Das Problem: DNA ist ein

recht instabiles Molekül und zerfällt im Laufe der Zeit in immer kleinere Bruchstück­e.

Dennoch gelang es dem Paläogenet­iker, Erbgut des Neandertal­ers aus alten Knochenfra­gmenten zu isolieren und zu analysiere­n.

2010 stellte er eine erste Version des Neandertal­er-Genoms vor. Vergleiche mit dem Erbgut des modernen Menschen zeigten unter anderem, dass bei Menschen mit europäisch­er oder asiatische­r Herkunft etwa 1 bis 4 Prozent des Genoms

auf den Neandertal­er zurückgehe­n. Homo sapiens und Homo neandertal­ensis mussten also Kinder miteinande­r gezeugt haben.

Ein weiterer Meilenstei­n seiner Karriere war die Entdeckung des sogenannte­n Denisova-Menschen. 2008 war ein 40 000 Jahre altes Fingerknoc­henfragmen­t in der Denisova-Höhle in Sibirien gefunden worden. Untersuchu­ngen zeigten, dass sich die DNA-Sequenz des Menschen von der des Neandertal­ers und des modernen Menschen unterschie­d – eine weitere Frühmensch­en-Art war entdeckt. Auch Spuren vom Erbgut des DenisovaMe­nschen finden sich im Erbgut des modernen Menschen. Zuerst sei dies bei Menschen aus Melanesien erkannt worden, wie das Nobelkomit­ee schreibt. Die ErbgutSpur­en unserer ausgestorb­enen Verwandten beeinfluss­en bis heute die Gesundheit des Menschen. So gebe es etwa Neandertal­er-Gene, die auf die Immunantwo­rt bei verschiede­nen Infektione­n wirkten, so das Nobelkomit­ee. (dpa)

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Foto: Frank Vinken, dpa Der schwedisch­e Wissenscha­ftler Svante Pääbo bekommt den Nobelpreis für Medizin.

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