Verloren in Florida
Hurrikan „Ian“hat die US-Küste hart getroffen. In vielen Städten herrscht noch immer Ausnahmezustand. Die Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Häuser – und begreifen nur langsam, was geschehen ist.
Cape Coral Wenige Tage, nachdem Hurrikan „Ian“über den Südwesten Floridas hinweggefegt ist, herrscht auf den Straßen der USKüstenstädte Naples, Cape Coral und Fort Myers vor allem eines: Chaos. Weil der Strom noch immer weg ist, funktionieren die Ampeln nicht. An den Kreuzungen, wo oft mehrspurige Schnellstraßen aufeinandertreffen, gilt: Der Stärkere fährt zuerst. Mit Schutt beladene Pick-ups drängeln sich durch den dichten Verkehr. Am Straßenrand türmen sich Trümmerteile, umgestürzte Bäume, Strommasten. Handy- und Internetempfang gibt es kaum.
Anke Kondek ist vor 20 Jahren aus Deutschland nach Cape Coral gekommen, hat hier ein Zuhause für sich und ihre Familie gefunden. Nun hat „Ian“es in großen Teilen zerstört. „Ich habe gedacht, ich habe mein Herz, meine Seele, ich habe alles verloren“, erzählt die 54-Jährige über den Moment, als sie nach dem Sturm in ihre Straße zurückkehrte. Viele, die sich vorübergehend in Sicherheit brachten, kommen nun zurück.
Kondeks Haus steht zwar noch, doch die Wassermassen haben nahezu alles an Inventar und Möbeln kaputt gemacht – genau wie die beiden Autos der Familie. „Ich schätze, dass der Schaden bei um die 150.000 bis 200.000 Dollar liegt“, sagt Kondek. Im Haus müsse vieles wegen der giftigen Stoffe im Hochwasser renoviert werden. Nach Angaben der Behörden wird der Wiederaufbau der Region Monate,
zum Teil Jahre dauern. Die US-Regierung hat angekündigt, Betroffene ohne Hochwasserversicherung mit bis zu 40.000 Dollar zu unterstützen. Noch aber sind die Einsatzkräfte damit beschäftigt, die akute Gefahr für die Menschen zu verringern. Einsturzgefährdete Gebäude sowie Stromleitungen und Bäume, die umzukippen drohen, müssen gesichert werden. In den Abendstunden gilt eine Ausgangssperre.
Und noch immer werden Tote in den Trümmern geborgen. Nach Angaben örtlicher Behörden wurden bisher rund 80 Todesfälle gemeldet. US-Präsident Joe Biden hatte am Donnerstag düstere Befürchtungen geäußert und gesagt: „Dies könnte der tödlichste Hurrikan in der Geschichte Floridas sein.“Insgesamt habe die Küstenwache mehr als 1100 Menschen lebend gerettet, sagte Floridas Gouverneur Ron DeSantis.
Besonders verwüstete Gebiete hat die Polizei aus Sicherheitsgründen abgesperrt – so zum Beispiel den durch den Sturm stark beschädigten Landungssteg von Naples, das Wahrzeichen der Stadt. Die Schulen sind zu, vor allem weil es keinen Strom gibt; auch Supermärkte, Apotheken, Restaurants haben geschlossen. Vor den wenigen Geschäften und Tankstellen, die notfallmäßig geöffnet haben, gibt es lange Warteschlangen.