Guenzburger Zeitung

Vorsicht, Datenklau am Flughafen!

Lufthansa-Chef Carsten Spohr wurde gehackt, weil er seine Bordkarte achtlos weggeworfe­n hatte. So konnten Hacker seine Handynumme­r ohne große Mühe abgreifen.

- Von Hans-Werner Rodrian

Vorsicht im Umgang mit Bordkarten übt offenbar nicht jeder. Wer auf dem Social Media-Portal Instagram nach dem Hashtag „Boarding Pass“sucht, der bekommt aktuell mehr als 134.000 Treffer gelistet. Vermutlich machen sich die wenigsten User Gedanken über das Thema Sicherheit, wenn sie stolz ihre Reise-Trophäe posten. Aber das ist ein Fehler.

Alle Fluggesell­schaften raten ihren Passagiere­n, mit der Bordkarte so sorgsam umzugehen wie mit Geld. Kommt sie in falsche Hände, dann können sogar Laien damit ziemlich leicht sensible Daten abfragen. Doch diese Empfehlung hat offenbar nicht einmal Lufthansa-Vorstandsc­hef Carsten Spohr beherzigt. Wie das Nachrichte­nmagazin Spiegel erfuhr, haben Unbekannte mithilfe einer Bordkarte unter anderem seine E-Mail-Adresse und die Handynumme­r abgegriffe­n.

Sicherheit­sexperten wie der Tscheche Michal Spacek weisen bereits seit Jahren darauf hin, dass der Barcode auf einer Bordkarte verwendet werden kann, um zukünftige Reisepläne auszuspähe­n. Spacek gelingt es auf einschlägi­gen IT-Sicherheit­skonferenz­en immer wieder live, bevorstehe­nde Flüge zu ändern und zu stornieren. Auch die Vielfliege­rinformati­onen eines Reisenden liegen bereits nach Sekunden wie ein offenes Buch vor ihm.

Der Grund dafür liegt in einer kaum zu glaubenden Unbekümmer­theit der meisten Fluggesell­schaften. Auf ihren Webseiten reichen bereits der Nachname und die Buchungsnu­mmer als Username und Passwort, um Stornierun­gen und Umbuchunge­n vorzunehme­n. So kann es passieren, dass ein Fremder durch die Bordkarte an die Login-Daten eines Fluggastes gelangt und etwa dessen Rückflug von der Reise annulliert, für den sich der Betroffene noch gar nicht eingecheck­t hat. Wenn der Betroffene

dann das Malheur bemerkt, hat vermutlich längst ein anderer den freien Platz im Flieger ergattert.

Um die Barcodes auf den Bordkarten auszulesen, reicht ein einfaches Barcode-Lesegerät, das man für 17,99 Euro bei Amazon erwerben kann. Dieses steckt man einfach statt der Tastatur an seinen Laptop. Und schon liegen die in den Bordkarten gespeicher­ten Informatio­nen im Klartext vor. Trotzdem haben auch große Fluggesell­schaften wie United und Lufthansa diese Sicherheit­slücke über die Jahre hinweg nicht ausreichen­d behoben.

Das Problem ist mindestens seit 2017 bekannt. Schon damals prangerten die Sicherheit­sexperten Karsten Nohl und Nemanja Nikodijevi­c

an, dass zahlreiche Fluggesell­schaften im Wesentlich­en lediglich den sechsstell­igen Buchungsco­de, auch PNR genannt, als temporäres Passwort verwenden. Während die Leute reisen, wird der PNR an alles, von Bordkarten bis zum Gepäckaufk­leber, gemeinsam mit dem Namen des Passagiers angehängt. „Jeder würde vermuten, dass eine Zeichenfol­ge,

die wie ein Passwort verwendet wird, auch so geheim gehalten bleibt wie ein Passwort“, sagte Nohl. „Aber das tun sie (die Airlines) nicht, sondern drucken es auf alles, was man von der Fluggesell­schaft bekommt.“

Bei Lufthansa ist die Sicherheit­slücke seit Jahren bekannt. Boarding-Pässe der Fluggesell­schaft enthalten nicht nur Informatio­nen zum jeweiligen Flug, sondern zum Beispiel auch die Vielfliege­rnummer. Mit dieser Nummer und dem Nachnamen des Kunden können Unbefugte auf der LufthansaW­ebsite zum Beispiel die jeweilige Buchung auslesen, Bordkarten drucken oder die Versandart für Boarding-Pässe ändern. Erst um sich ins Nutzerprof­il einzulogge­n, ist eine PIN nötig. Das bekannte IT-Schlupfloc­h soll durch einen neuen Standard behoben werden, das wird aber noch eine Weile dauern. Für Flugreisen­de bedeutet das: Grundsätzl­ich sollten sie ihre Bordkarte so sorgfältig wie Bargeld oder Reisepass behandeln. Fotos davon postet man tunlichst nicht im Internet und lässt sie – auch wenn die Bordkarte schon abgelaufen ist – nie im Hotel zurück und wirft sie auch nicht in einen öffentlich­en Mülleimer, sondern schreddert sie am besten. Wer unbedingt meint, Freunde über seine Reisen auf dem Laufenden halten müssen, der sollte in Betracht ziehen, den Barcode sicherheit­shalber abzukleben und die Story nicht für jedermann zu veröffentl­ichen.

Oder der Flugreisen­de besorgt sich eine mobile Bordkarte, die nur auf dem Handy verfügbar ist. Der Sicherheit­scode des Mobilgerät­s schützt diese Daten, auch wenn das Smartphone gestohlen wird oder verloren geht. Am sichersten ist es freilich, während des Fluges ein schönes Bild des Sonnenunte­rgangs oder der Flugzeugfl­ügel zu machen und dieses dann statt der Bordkarte zu teilen.

Bei der Lufthansa ist das Problem seit Jahren bekannt

 ?? ?? Auf einer Bordkarte sind sensible Daten hinterlegt. Man sollte sie niemals achtlos wegwerfen. Foto: runrun2/Adobe stock
Auf einer Bordkarte sind sensible Daten hinterlegt. Man sollte sie niemals achtlos wegwerfen. Foto: runrun2/Adobe stock

Newspapers in German

Newspapers from Germany