Guenzburger Zeitung

Das kommt überrasche­nd

Gerade noch als Abstiegska­ndidat Nummer eins gehandelt, legt der FCA eine außergewöh­nliche Siegesseri­e hin. Maßgeblich­en Anteil daran hat der Trainer.

- Von Robert Götz

Gelsenkirc­hen Es ist genau vier Wochen her, als die Fans des FC Augsburg die 0:2-Heimnieder­lage ihrer Mannschaft gegen Hertha BSC mit einem gellenden Pfeifkonze­rt quittierte­n. Es war die dritte Heimnieder­lage in Folge, der FCA schien mit seinem neuen Trainer Enrico Maaßen schweren Zeiten entgegenzu­gehen. Mit nur drei Punkten war der FCA nach dem fünften Spieltag Tabellen-16. Erst nach einer Aussprache am Zaun der Ulrich-Biesinger-Tribüne wurden die Spieler mit ein wenig Applaus in die Kabine entlassen.

Vier Wochen später hat sich nach dem 3:2 (2:1)-Auswärtssi­eg bei Schalke 04 die Krisenstim­mung in Luft aufgelöst. Am Sonntagabe­nd, nachdem sich die ganze Aufregung nach intensiven 97 Minuten gelegt hatte, wurden die FCA-Spieler von den über 1000 FCA-Fans, die mit einem Sonderzug angereist waren, vor der GästeKurve nicht mit Pfiffen, sondern mit frenetisch­em Beifall empfangen.

Der FCA gewann als einziges Team der Liga die vergangene­n drei Spiele, hat mit vier Siegen nach acht Spieltagen einen neuen Vereinsrek­ord aufgestell­t. Mit zwölf Zählern ist der FCA zwar nur Zehnter. Doch während der Relegation­splatz sieben Punkte entfernt ist, beträgt der Rückstand auf den FC Bayern München, den der

FCA vor der Länderspie­lpause noch mit 1:0 besiegt hatte, auf Rang drei nur drei Punkte.

Natürlich will FCA-Trainer Maaßen diese tabellaris­che Momentaufn­ahme nicht überbewert­en. Doch der 38-Jährige will den psychologi­schen Vorteil auch nicht kleinreden. „Ich bin sehr stolz, es ist der dritte Sieg in Serie, das gibt weiter Auftrieb, wir müssen weiter bodenständ­ig bleiben und die Euphorie mitnehmen.“Die hat der Bundesliga-Novize auf der Trainerban­k auf bemerkensw­erte Weise mit entfacht. Denn nach dem Holperstar­t rückte Maaßen von seiner ursprüngli­chen Intention vom Ballbesitz-Fußball ab, justierte die Stellschra­uben deutlich nach und heraus kam eine Spielweise, die den Spielern wie auf den Leib geschneide­rt scheint. Mit viel Wucht, schnellem Spiel in die Spitze, aggressive­n Gegenpress­ing und giftigen Zweikampfv­erhalten sorgt der FCA in dieser Phase der Saison für Aufsehen.

Er spielt zwar bei Weitem nicht fehlerfrei, doch immer begeistern­d. Wie auch am späten Sonntagnac­hmittag. Die FCA-Fans, die in der Arena ihren vor sieben Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglück­ten Freunden Dani und Max mit einer Pyro-Show gedachten, hatten ihre Mannschaft auf dem Weg zum Stadion mit einem Spalier begrüßt. „Das war grandios. Wir sind selten so empfangen worden“, erzählte Reuter.

Diese Begeisteru­ng nahm der

FCA auch mit ins Spiel. Maaßen hatte die Startelf zum dritten Mal in Folge unveränder­t gelassen. Und da auch Schalke-Trainer Frank Kramer, ein gebürtiger Memminger, auf die Offensive setzte, entwickelt­e sich ein, wenn auch nicht immer hochklassi­ges, so doch mitreißend­es Bundesliga­Spiel. Dabei sah der FCA nach gut 20 Minuten wie der sichere Sieger aus. Ermedin Demirovic hatte den FCA mit einem Doppelpack (9./21.) in Führung gebracht. „Die ersten 20 Minuten sind wir sehr wuchtig aufgetrete­n, da haben wir ein tolles Spiel gezeigt“, erklärte Maaßen.

Doch die Schalker, angetriebe­n von fast 60.000 Fans, kamen zurück. Torjäger Simon Terodde (33.) und U21-Nationalsp­ieler Tom Krauß mit seinem ersten Bundesliga-Tor (63.) sorgten für den Ausgleich. Als dann noch Mërgim Berisha Gelb-Rot (70.) sah, schien das Spiel endgültig zu kippen. Berisha wird damit am Samstag im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg fehlen. Doch Maaßen hatte auch in dieser kritischen Phase eine Lösung. Er stellte vom 4-4-2 auf ein 5-3-1 um. „Wir sind stabil geblieben und die eine Chance, die wir dann bekommen haben, haben wir dann auch genutzt“, freute sich der Trainer.

In der 77. Minute kürte André Hahn, der sein 250. Bundesliga­spiel absolviert­e, seine starke Leistung mit dem 3:2-Siegtreffe­r (77.). Dabei blieb es. „Der Trainer hat eine kleine Familie aus uns geformt, in der jeder für den anderen ackert“, erklärte Demirovic. Und da man in einer Familie besonders in ungemütlic­hen Situatione­n zueinander­steht, war auch nach dem Schlusspfi­ff Torhüter Rafal Gikiewicz die Unterstütz­ung seiner Kollegen bei seiner Privatfehd­e mit den Schalker Fans und S04-Kapitän Simon Terodde gewiss. Es flogen Bierbecher, Feuerzeuge und auch das ein oder andere giftige Wort durch die Arena.

Auch Stefan Reuter war von einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden. Doch der Geschäftsf­ührer wollte am Ende „nicht mehr daraus machen, als es ist“und die Sache auf sich beruhen lassen. Viel lieber sprach er über den sportliche­n Höhenflug seiner Mannschaft: „Klar versuchen wir die Euphorie mitzunehme­n und den Lauf fortzusetz­en. Aber wir sehen auch, wie hart umkämpft jedes Spiel ist. Wir haben alle mit einem Tor Unterschie­d gewonnen. Da dürfen wir jetzt nicht nachlassen.“

FC Schalke 04 Schwolow – Matriciani (66. Aydin), van den Berg (53. Greiml), Yoshida, Ouwejan (81. Mohr) – Krauß, Flick – Bülter (46. Zalazar Martinez), Drexler (81. Karaman) – Polter, Terodde FC Augsburg Gikiewicz – Gumny, Bauer, Gouweleeuw, Iago – Gruezo, Rexhbecaj – Hahn, Demirovic (84. Pedersen) – Niederlech­ner (72. Jensen), Berisha Tore 0:1 Demirovic (9.), 0:2 Demirovic (21.), 1:2 Terodde (33.), 2:2 Krauß (63.), 2:3 An. Hahn (77.) Zuschauer 60.328 Schiedsric­hter Schlager (Rastatt)

 ?? Foto: Thomas Haesler, Imago-Images ?? Komm in meine Arme: André Hahn (links) freut sich mit Ermedin Demirovic über den Siegtreffe­r zum 3:2 gegen Schalke.
Foto: Thomas Haesler, Imago-Images Komm in meine Arme: André Hahn (links) freut sich mit Ermedin Demirovic über den Siegtreffe­r zum 3:2 gegen Schalke.

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