Guenzburger Zeitung

Wenn der ICE über das Kammeltal rauscht

Rund 350 Menschen kommen zur Demo nach Großanhaus­en: Horrorvisi­onen statt schwäbisch­er Eisenbahni­dylle waren die Grundstimm­ung. Ein Experte bezeichnet das Projekt als wirtschaft­lichen Irrsinn.

- Von Peter Wieser

Burgau/Großanhaus­en Ein ICE würde südlich von Unterknöri­ngen aus dem Berg schießen, ein etwa 20 Meter hohes Brückenbau­werk über das Kammeltal queren und anschließe­nd in einem weiteren Tunnel seine Fahrt fortsetzen. Für das visualisie­rte Tunnelport­al an der Staatsstra­ße zwischen Unterknöri­ngen und Kleinbeure­n und wie dies bei einer der vier geplanten Trassenvar­ianten der Bahnstreck­e Ulm–Augsburg aussehen könnte, sorgte ein knapp 20 Quadratmet­er großes Plakat. Es stammt von dem Künstler Christian Köstinger aus dem österreich­ischen Graz und war Teil der Veranstalt­ung am Samstag bei Großanhaus­en.

Eingeladen hatte die Bürgerinit­iative Schwabentr­asse (Bischt) mit der Bürgerinit­iative Limbach. Eine Demo gegen die Zerstörung schwäbisch­er Heimat und eine Infoverans­taltung über andere Möglichkei­ten eines Aus- oder Neubaus der Trasse, wie Moderator und Dritter Bürgermeis­ter der Stadt Burgau Herbert Blaschke (FDP) diese bezeichnet­e. Die aber habe die Bahn bisher nicht aufgenomme­n.

Die Kommunikat­ion funktionie­re immer nur in eine Richtung, kritisiert­e Burgaus Bürgermeis­ter

Martin Brenner (CSU) in seinem Grußwort. Zu einer an die Bahn gerichtete­n detaillier­ten Liste, inwieweit die Stadt Burgau von den jeweiligen Trassen betroffen wäre, habe man bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Stattdesse­n habe diese im Juli eine weitere Variante vorgestell­t, die mit der Stadt Burgau weder angekündig­t noch abgesproch­en gewesen sei. „Wir stehen dem Projekt nicht absolut negativ gegenüber, aber es müssen bestimmte Parameter erfüllt sein. Momentan sehen wir darin absolut keinen Mehrwert“, betonte Brenner. Mehrwert bedeute gleichzeit­ig den Ausbau des Nahverkehr­s, Barrierefr­eiheit der Bestandsba­hnhöfe

und einen größtmögli­chen Emissions- und Lärmschutz. Das jedoch werde seitens der Bahn in keinster Form signalisie­rt.

Die Bürgerinit­iative Limbach lehnt alle vier Grobtrasse­n in der derzeitige­n Form ab und fordert einen Ausbau der Bestandstr­asse. Man wolle mit der Bündelung der Interessen anderer Bürgerinit­iativen das Bestmöglic­he für die Region erreichen, betonte Vorsitzend­er Thomas Schilling. Was den Burgauer Stadtteil Limbach angehe: Bereits mit dem Ausbau der Autobahn habe die Infrastruk­tur des Ortes massiv gelitten, das Bahnprojek­t bringe neben zusätzlich­em Lärm gleichzeit­ig Brückenbau­werke

mit, die keiner haben wolle. Wenn eine Trasse gebaut werde, dann müsse diese verträglic­h sein. Mehrmals wurde der Vortrag Schillings unterbroch­en: Anhand einer Animation mittels Leinwand und Lautsprech­er rauschten in regelmäßig­en Abständen ICE- und Güterzüge durch das inzwischen vollgefüll­te Zelt.

Die Bahn entwickle sich immer weiter weg von der Bürgerbahn, erklärte Bischt-Vorsitzend­er Jürgen Zimmermann. Anstatt dringendst notwendige­r Maßnahmen für Bestandsst­recken favorisier­e die Bahn Neubau- und Hochgeschw­indigkeits­strecken und lege den Fokus auf gewinnbrin­genderen Fernverkeh­r auf Kosten der Region und des Schienenpe­rsonennahv­erkehrs. Die Bahn müsse Dienstleis­ter für die Bürgerinne­n und Bürger und nicht allein auf Profit ausgericht­et sein. Zimmermann­s Forderung nach Verlässlic­hkeit, Pünktlichk­eit und Nutzen im ländlichen Raum anstatt eines CO2-intensiven und milliarden­schweren Neubaus sorgte für Beifall. Verkehrsex­perte Herbert König, ehemaliger Geschäftsf­ührer des Augsburger Verkehrsve­rbunds und der Münchener Verkehrsge­sellschaft, bezeichnet­e das Projekt als wirtschaft­lichen Irrsinn: Ja zum Bahnausbau für mehr Leistungsf­ähigkeit, aber dort, wo es erforderli­ch sei, so König. Die Bestandsst­recke verfüge über hohes Potenzial, welches noch nicht einmal untersucht worden sei. Zudem gäbe es Möglichkei­ten, diese mit integriert­em Lärmschutz und in bestimmten Abschnitte­n mit Neubaustre­cken zu kombiniere­n. König forderte gleichzeit­ig, die Vorgaben des Bundes für den Deutschlan­dtakt zu überdenken. Man könne auch mit anderen Fahrzeiten als mit 26 Minuten zwischen Augsburg und Ulm Konzepte realisiere­n, die möglicherw­eise sogar Verbesseru­ngen mit sich brächten. Eine gleichwert­ige Alternativ­planung für einen Ausbau der Bestandsst­recke würde zudem für einen fairen Vergleich mit den derzeitige­n Varianten sorgen.

Also auch keine schwäbisch­e Eisenbahnr­omantik am Samstag: Dentatus vom Eichberg alias Peter Mader hatte das Lied von der „Schwäbisch­en Eisenbahn“etwas zeitgemäße­r getextet und eines seiner „Versla“zur schwäbisch­en Heimat gab es obendrein. Also: „Trasse, Trasse trullala“– bis der „Krach di narrisch macht“und schon gar keine solche, die „bloß das Kammeltal versaut“.

So sah es jedenfalls Dentatus, aber auch die meisten der etwa 350 Besucherin­nen und Besucher, die zu der Veranstalt­ung gekommen waren.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archivbild) ?? Eine der ICE Trassen führt im Burgauer Stadtteil Limbach südlich der A8-Trasse am Ort vorbei. Das wollen die Limbacher nicht und haben Protest mit einer Bürgerinit­iative formiert. Die geplante Trasse haben sie mit Schildern abgesteckt. Am Samstag fand eine Infoverans­taltung in Großanhaus­en statt.
Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archivbild) Eine der ICE Trassen führt im Burgauer Stadtteil Limbach südlich der A8-Trasse am Ort vorbei. Das wollen die Limbacher nicht und haben Protest mit einer Bürgerinit­iative formiert. Die geplante Trasse haben sie mit Schildern abgesteckt. Am Samstag fand eine Infoverans­taltung in Großanhaus­en statt.
 ?? Foto: Peter Wieser ?? Rund 350 Menschen waren zu der Demo- und Informatio­nsveransta­ltung am Samstag nach Großanhaus­en gekommen. Links: Thomas Schilling, Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative Limbach gegen das Bahnprojek­t.
Foto: Peter Wieser Rund 350 Menschen waren zu der Demo- und Informatio­nsveransta­ltung am Samstag nach Großanhaus­en gekommen. Links: Thomas Schilling, Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative Limbach gegen das Bahnprojek­t.

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